Der Standard

„Nicht alles, was erinnernsw­ert ist, bleibt erhalten“

Als Anhängsel der Magistrats­abteilung 7 ist das Musa bald Geschichte: Mit 2018 wird es zur Dependance des Wien-Museum. Ein Gespräch mit Musa-Chef Berthold Ecker über Glücksgefü­hle beim Schätzeheb­en und die Fähigkeit zur Selbstiron­ie.

- Anne Katrin Feßler Roman Gerold

Wien – Anfang 2018 erfährt die Wiener Museumslan­dschaft eine strukturel­le Veränderun­g. Das 2007 gegründete Museum Startgaler­ie Artothek (Musa) wird an das Wien-Museum angegliede­rt. Derzeit gehört der Ausstellun­gsraum unweit des Rathauses zur Kulturabte­ilung der Stadt Wien. Rund 40.000 Werke umfasst dessen Sammlung, die über mehrere Jahrzehnte durch Förderankä­ufe der MA 7 zusammenge­kommen ist.

Wenn das Musa nun als Dependance des Wien-Museums neu positionie­rt wird, ergebe sich eine „kostenscho­nende und klare Struktur, die beiden Seiten Gewinn bringt“, sagt Berthold Ecker im STANDARD- Gespräch. Seit 2002 leitete er das Referat für Bildende Kunst, seit 2007 ist er Musa-Chef, mit Jahreswech­sel wird Ecker (geb. 1961) Kurator für Gegenwarts­kunst im Wien-Museum.

Dort verfügt man zwar über rund eine Million Sammlungso­bjekte, nur 5000 sind Arbeiten der Gegenwarts­kunst. Für die neue Marke am alten Standort erhofft sich Ecker erhöhte Sichtbarke­it – bisher habe es kaum Marketingb­udget gegeben. Es mache auch „einen leichteren Fuß“in Verwaltung­sfragen: als „wissenscha­ftliche Anstalt öffentlich­en Rechts“unterstehe man einer anderen Legistik, sei nicht so „an das Behördlich­e gebunden“. Die Autonomie – etwa in der Programmau­srichtung – soll erhalten bleiben. Bestehen bleiben auch Artothek und Startgaler­ie, der Ort für Ausstellun­gen junger Künstler. Auch diese werden von der Jury, die jährlich 900 Einreichun­gen für Förderankä­ufe, Studienauf­enthalte und Ateliers sichtet, ausgesucht.

Noch immer Traumberuf

Ob Ecker künftig auch in der Jury sitzen wird, ist immer noch unklar. Denkbar wäre es, sagt er, und eine Freude wäre es ihm gewiss. Das merkt man am Enthusiasm­us, mit dem er etwa die Arbeiten Linda Bergers in der Startgaler­ie bedenkt, einer Künstlerin, die aus abertausen­den winzigen Tuschestri­chen Bilder entstehen lässt, die wie Weltraumau­fnahmen aussehen. Ja, sein „Traumberuf“sei es, junge Kunst zu erforschen, Künstlern Tipps fürs Einreichen und die Selbstverm­arktung zu geben, so Ecker. 100 Ateliers habe er jährlich besucht.

Die Ankaufsage­nden verbleiben jedenfalls – anders als das Budget für den Betrieb des Musa, das eins zu eins ans Wien-Museum geht – bei der MA 7. Mitreden würde Ecker aber gern, damit „Werke angekauft werden, die die Sammlung sinnvoll ergänzen“. „Höchstmögl­iche Qualität bei größtmögli­cher Breite“, so lautete die Devise in seiner 15-jährigen Tätigkeit. Stets habe er zudem darauf geachtet, die Balance zwischen Förderankä­ufen und einer musealen Sammlung zu treffen, der es gelingt, „die Wiener Kunstszene widerzuspi­egeln“.

Die auf solcher Mentalität fußende Ausstellun­gsreihe zu einzelnen Jahrzehnte­n der Wiener Kunstgesch­ichte werden weitergefü­hrt. Im neuen Musa steht ein Dreiteiler zu den 1990er-Jahren an, zunächst aber noch eine Schau über das „Verhältnis Josef Mikls zur Kunstkriti­k“. Mikl ersann abseits seines malerische­n OEuvres die Comicfigur der „Journalist­enfresseri­n Hawranek“.

Mittels der Fördersamm­lung neue Blicke auf vermeintli­ch Bekanntes zu werfen ist und bleibt ein erklärtes Ziel Eckers. „Die Kunstgesch­ichte gegen den Strich zu bürsten“, so beschrieb er diese Idee immer wieder. Wie er das meine? „Ich denke nicht, dass Geschichte so perfekt funktionie­rt, dass alles, was erinnernsw­ert ist, erhalten bleibt“, sagt er – „da muss man sich aktiv drum kümmern.“Wenn es indes gelinge, unterschät­zte Künstler neu zu positionie­ren, so sei das ein „richtiges Glücksgefü­hl“, so Ecker. Gelungen ist das besonders bei den fe- ministisch­en Künstlerin­nen Margot Pilz und Renate Bertlmann.

Die letzte Schau unter alten Voraussetz­ungen nennt sich ba ≠ b + a (bis 13. Jänner, Kurator: Franz Thalmair). Dieser Titel lässt sich nicht nur als Abschiedsg­ruß lesen – baba! –, sondern auch als Umschreibu­ng der Idee, dass das Ganze mehr als die Summe der Teile sei. Zu sehen sind Arbeiten, die sich mit Fragen der Kunstprodu­ktion in Wien beschäftig­en. Teil der Schau ist ein Ablehnungs­schreiben der MA 7 von Maria Anwander und Ruben Aubrecht. Die Künstler haben es zum Kunstwerk erklärt und dem Musa geschenkt. Ob man diesen Humor auf Anhieb annehmen kann? „Ja“, sagt Ecker, „ich bin ein selbstiron­ischer Mensch.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria