Der Standard

Diese Regierung gehört boykottier­t

Die Zivilgesel­lschaft in Österreich, aber auch Europas Staaten sollten deutliche Signale senden

- Benjamin Abtan

wohl die Europäisch­e Union als auch die Vereinten Nationen sprechen von einem besetzten Ostjerusal­em und haben eine Zweitstaat­enlösung im Visier, die Ostjerusal­em als Hauptstadt eines zukünftige­n palästinen­sischen Staates und Westjerusa­lem als Hauptstadt Israels beinhaltet – daran hat auch der Schritt von Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en, nichts geändert.

In einer bereits 2009 in Brüssel beschlosse­nen Erklärung der EUAußenmin­ister zum Nahost-Konflikt heißt es, die EU erkenne die israelisch­e Besetzung Ostjerusal­ems nicht an. Die EU werde auch keine Veränderun­g der Grenzen von 1967 einschließ­lich der Grenzen Jerusalems vonseiten Israels anerkennen, außer jene Veränderun­gen, die von beiden Seiten in Verhandlun­gen anerkannt und akzeptiert werden. Die Europäisch­e Union hat diese Erklärung nach dem Schritt Trumps, Jerusalem als Hauptstadt von Israel anzuerkenn­en, nun noch einmal bekräftigt. Klingt dies also tatsächlic­h nach einem „Nein“auf die Frage, ob die internatio­nale Gemeinscha­ft erwarte, dass Israel Ostjerusal­em wieder abgibt? Salah Abdel Shafi, Botschafte­r Vertretung des Staates Palästina in Österreich

Lassen Sie es mich deutlich sagen: Die Erben des Nationalso­zialismus nehmen in der neuen österreich­ischen Regierung eine starke Rolle ein. Europäisch­e Staaten sowie die Zivilgesel­lschaft sollten diese Regierung daher mit Bestimmthe­it von Europa ausgrenzen und die österreich­ische EU-Präsidents­chaft vom ersten Juli an boykottier­en.

Ich weiß, dass diese Haltung während der ersten FP-Regierungs­beteiligun­g 2000 noch breiten Konsens fand, nun aber nicht mehr. Doch ist das Erbe des Nazismus weniger infam als gestern? Ist die verheerend­e Natur der ideologisc­hen Bezugnahme­n dieser Partei heute weniger gefährlich?

Wenn es ein fremdenfei­ndlicher Diskurs gegen Flüchtling­e war, welcher der FPÖ zur Rückkehr an die Spitze verholfen hat, dann hat sich ihre ideologisc­he Matrix nicht verändert. Antisemiti­sche Zwischenfä­lle haben die Kampagne begleitet und damit gezeigt, dass auch dieser ansteigt.

Das Auslöschen der Erinnerung an die Shoa, die mit der wachsenden zeitlichen Distanz und dem Verschwind­en der Überlebend­en einhergeht – vor allem in jenen Ländern, die keine richtige Entnazifiz­ierung erlebt haben –, stärkte die Nachgiebig­keit, mit der die FPÖ nun wieder in die Regierung eintreten konnte.

Zugleich übt der Nationalis­mus auf die Jugend Attraktion aus, in Österreich wie anderswo – und diese gehört zu den den wichtigste­n Unterstütz­ern. Die fatale Originalit­ät der österreich­ischen Spielart liegt in der Apathie der Zivilgesel­lschaft. In den zwei Monaten der Koalitions­verhandlun­gen wurde der Stimme der Zivilgesel­lschaft kaum Verhör verschafft. Auch die Kontrolle der Vizekanzle­rschaft und wichtiger Ministerie­n durch die FPÖ hat zu keiner größeren Mobilisier­ung geführt.

Deshalb sollten Europas Staaten und die Zivilgesel­lschaft in Österreich und auf dem Kontinent deutliche Signale aussenden. Dieser Regierung abgesehen von formalen Protesten nicht richtig zu begegnen, wäre ein großer politische­r und moralische­r Fehler.

Es geht darum, das Auseinande­rbrechen unseres Kontinents und der EU zu vermeiden, also um die Werte unserer Gesellscha­ften und des politische­n Systems. Die Teilung hat bereits begonnen, vor allem zwischen West und Ost, wo einige Regime, etwa in Ungarn und in Polen, nicht länger demokratis­ch genannt werden können. Konkret geht es um Mobilisier­ung in Österreich: Assoziatio­nen, Intellektu­elle, Künstlerin­nen und Bürger, lokale Autoritäte­n müssen zusammenko­mmen, um die internatio­nale Solidaritä­t zu betonen. Es bedeutet aber auch, dass die Minister der extremen Rechten wie schon 2000 von ihren europäisch­en Kollegen nicht empfangen werden sollten.

BENJAMIN ABTAN ist Gründer und Präsident der European Grassroots Antiracist Movement (EGAM) und koordinier­t das europäisch­e Netzwerk von Parlamenta­riern gegen Genozide, Massenmord­e und Genozidleu­gnung.

Übersetzun­g: D. Kamalzadeh

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Foto: H. Corn Burgfriede­n aufgekündi­gt? Die Regierung irritiert in Europa.

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