Diese Regierung gehört boykottiert
Die Zivilgesellschaft in Österreich, aber auch Europas Staaten sollten deutliche Signale senden
wohl die Europäische Union als auch die Vereinten Nationen sprechen von einem besetzten Ostjerusalem und haben eine Zweitstaatenlösung im Visier, die Ostjerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates und Westjerusalem als Hauptstadt Israels beinhaltet – daran hat auch der Schritt von Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, nichts geändert.
In einer bereits 2009 in Brüssel beschlossenen Erklärung der EUAußenminister zum Nahost-Konflikt heißt es, die EU erkenne die israelische Besetzung Ostjerusalems nicht an. Die EU werde auch keine Veränderung der Grenzen von 1967 einschließlich der Grenzen Jerusalems vonseiten Israels anerkennen, außer jene Veränderungen, die von beiden Seiten in Verhandlungen anerkannt und akzeptiert werden. Die Europäische Union hat diese Erklärung nach dem Schritt Trumps, Jerusalem als Hauptstadt von Israel anzuerkennen, nun noch einmal bekräftigt. Klingt dies also tatsächlich nach einem „Nein“auf die Frage, ob die internationale Gemeinschaft erwarte, dass Israel Ostjerusalem wieder abgibt? Salah Abdel Shafi, Botschafter Vertretung des Staates Palästina in Österreich
Lassen Sie es mich deutlich sagen: Die Erben des Nationalsozialismus nehmen in der neuen österreichischen Regierung eine starke Rolle ein. Europäische Staaten sowie die Zivilgesellschaft sollten diese Regierung daher mit Bestimmtheit von Europa ausgrenzen und die österreichische EU-Präsidentschaft vom ersten Juli an boykottieren.
Ich weiß, dass diese Haltung während der ersten FP-Regierungsbeteiligung 2000 noch breiten Konsens fand, nun aber nicht mehr. Doch ist das Erbe des Nazismus weniger infam als gestern? Ist die verheerende Natur der ideologischen Bezugnahmen dieser Partei heute weniger gefährlich?
Wenn es ein fremdenfeindlicher Diskurs gegen Flüchtlinge war, welcher der FPÖ zur Rückkehr an die Spitze verholfen hat, dann hat sich ihre ideologische Matrix nicht verändert. Antisemitische Zwischenfälle haben die Kampagne begleitet und damit gezeigt, dass auch dieser ansteigt.
Das Auslöschen der Erinnerung an die Shoa, die mit der wachsenden zeitlichen Distanz und dem Verschwinden der Überlebenden einhergeht – vor allem in jenen Ländern, die keine richtige Entnazifizierung erlebt haben –, stärkte die Nachgiebigkeit, mit der die FPÖ nun wieder in die Regierung eintreten konnte.
Zugleich übt der Nationalismus auf die Jugend Attraktion aus, in Österreich wie anderswo – und diese gehört zu den den wichtigsten Unterstützern. Die fatale Originalität der österreichischen Spielart liegt in der Apathie der Zivilgesellschaft. In den zwei Monaten der Koalitionsverhandlungen wurde der Stimme der Zivilgesellschaft kaum Verhör verschafft. Auch die Kontrolle der Vizekanzlerschaft und wichtiger Ministerien durch die FPÖ hat zu keiner größeren Mobilisierung geführt.
Deshalb sollten Europas Staaten und die Zivilgesellschaft in Österreich und auf dem Kontinent deutliche Signale aussenden. Dieser Regierung abgesehen von formalen Protesten nicht richtig zu begegnen, wäre ein großer politischer und moralischer Fehler.
Es geht darum, das Auseinanderbrechen unseres Kontinents und der EU zu vermeiden, also um die Werte unserer Gesellschaften und des politischen Systems. Die Teilung hat bereits begonnen, vor allem zwischen West und Ost, wo einige Regime, etwa in Ungarn und in Polen, nicht länger demokratisch genannt werden können. Konkret geht es um Mobilisierung in Österreich: Assoziationen, Intellektuelle, Künstlerinnen und Bürger, lokale Autoritäten müssen zusammenkommen, um die internationale Solidarität zu betonen. Es bedeutet aber auch, dass die Minister der extremen Rechten wie schon 2000 von ihren europäischen Kollegen nicht empfangen werden sollten.
BENJAMIN ABTAN ist Gründer und Präsident der European Grassroots Antiracist Movement (EGAM) und koordiniert das europäische Netzwerk von Parlamentariern gegen Genozide, Massenmorde und Genozidleugnung.
Übersetzung: D. Kamalzadeh