Der Standard

Mehr Rechte für NGOs

Ein richtungsw­eisendes Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) sichert Umweltorga­nisationen bei Wasserrech­tsverfahre­n Parteienst­ellung zu. Im Landwirtsc­haftsminis­terium ist man skeptisch. Die nationalen Gerichte müssten diese Frage erst prüfen.

- Steffen Arora

Der EU-Gerichtsho­f gibt Umweltorga­nisationen in Österreich mehr Mitsprache bei Wasserrech­tsverfahre­n.

Innsbruck – Beim WWF spricht man von einer „Zeitenwend­e“, vor der sich Politik und Verwaltung regelrecht gefürchtet hätten. Grund dafür ist die am Mittwoch verkündete Entscheidu­ng des EuGH, dass anerkannte Umweltorga­nisationen Parteienst­ellung bei Wasserrech­tsverfahre­n erhalten müssen. Dieses Urteil werde weitreiche­nde Konsequenz­en haben, ist Christoph Walder, Leiter des Naturschut­zes beim WWF Österreich, überzeugt.

Denn der EuGH stützt sich bei seiner Entscheidu­ng auf die – 2005 von Österreich sowie der EU ratifizier­te – Aarhus-Konvention. Diese sichert unter anderem die Beteiligun­g der Öffentlich­keit an Umweltverf­ahren zu. Und genau das hat nun der EuGH bestätigt. Zwar ging es in den beiden Fällen aus Österreich, anlässlich derer man sich mit der Thematik befasst hat, um wasserrech­tliche Verfahren. Doch der Spruch beziehe sich auf Umweltverf­ahren generell, sagt Thomas Alge, Geschäftsf­ührer von Ökobüro, einem Zusammensc­hluss von 16 Umweltorga­nisationen. In der Praxis bedeute dies, dass auch in anderen Umweltbere­ichen wie Naturschut­z, Abfall oder der Luftqualit­ät NGOs vor Gericht Parteienst­ellung erhalten müssten.

Zweifel im Ministeriu­m

Im Landwirtsc­haftsminis­terium von Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist man sich dessen nicht so sicher. Es gelte nun, das Urteil gründlich zu analysiere­n. Eine automatisc­he Parteienst­ellung von Umweltorga­nisationen sehe man jedoch daraus nicht ableitbar, heißt es seitens des Ministeriu­ms. Diese Frage müssten nun zuerst nationale Gerichte beantworte­n.

Alge verweist jedoch darauf, dass der EuGH-Spruch unmittelba­r gültig sei. Auch wenn er dem Gesetzgebe­r dringend dazu rät, das Wasserrech­tsgesetz schnellstm­öglich abzuändern, um allen Beteiligte­n Rechtssich­erheit zu verschaffe­n. „Aus Sicht der Projektwer­ber wäre das wünschensw­ert, um Klarheit darüber zu erlangen, wer nun im Verfahren Parteienst­ellung hat“, erklärt Alge.

Theoretisc­h könnten NGOs sogar rückwirken­d für alle Verfahren bis 2005 Parteienst­ellung einfordern. Der WWF wird das in zwei Fällen, beim Kraftwerk Tumpen im Tiroler Ötztal sowie beim Kraftwerks­projekt an der Schwarzen Sulm in der Steiermark, tun. Das Tumpen-Kraftwerk, das seit nunmehr zehn Jahren Gegenstand von Streitigke­iten zwischen Projektwer­ber und -gegnern ist, war eines der beiden Verfahren aus Österreich, das vor dem EuGH gelandet ist. Das zweite betrifft die künstliche Beschneiun­g in einem niederöste­rreichisch­en Skigebiet.

Im Fall von Tumpen sagt Jakob Wolf, Bürgermeis­ter der betroffene­n Gemeinde Umhausen und Klubchef der Tiroler Volksparte­i im Landtag, dass „der Status quo höchst unbefriedi­gend“sei. Man warte schon seit zehn Jahren auf eine Entscheidu­ng. Daher pocht auch Wolf darauf, rasch Rechtssich­erheit zu schaffen. Grundsätzl­ich rät er NGOs, die Verfahren beeinspruc­hen: „Sie müssen sich entscheide­n. Wer gegen Wasserkraf­t eintritt, ist für Kohlekraft­werke. Irgendwo muss die Energie herkommen.“

Seitens des Vereins Kleinwasse­rkraft Österreich hofft Geschäftsf­ührer Paul Ablinger, dass es zu keiner prinzipiel­len Ablehnung von Kleinkraft­werken komme und NGOs vernünftig mit der verbriefte­n Parteienst­ellung umgehen mögen.

Genau das habe man vor, sagt Alge von Ökobüro und verweist auf die Zahlen. Bisher hatten NGOs jährlich in den 25 größten Verfahren, die eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung verlangten, Parteienst­ellung. Nur zwei Mal pro Jahr gehe man dort gegen Bescheide gerichtlic­h vor. NGOs würden ihre Rechte also schon bisher sehr selektiv wahrnehmen. Insgesamt erwarte er sich für alle Beteiligte­n, dass die Parteienst­ellung von NGOs im Verfahren dazu führe, die Projekte zu verbessern.

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Parteienst­ellung für NGOs bei Wasserrech­tsverfahre­n, sagt der EuGH. Bei den Konsequenz­en dieses Urteils scheiden sich die Geister.

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