Der Standard

Anreiz – oder Anschlag

Die geplante Arbeitsmar­ktreform der Regierung steht im Verdacht eines neuen Hartz IV. Ein notwendige­r Motivation­sschub, um Arbeitslos­e nicht versauern zu lassen? Oder eine Strafe für Leidtragen­de, die für ihr Schicksal nichts können? der Standard lässt di

- Gerald John, András Szigetvari

Kaum ein anderes Projekt im Programm der neuen Regierung sorgt für derart viel Kontrovers­e. ÖVP und FPÖ planen ein Arbeitslos­engeld „neu“, in dem die bisherige Notstandsh­ilfe aufgehen soll. Die Höhe soll mit der Bezugsdaue­r sinken, außerdem gilt: Je länger jemand Beiträge eingezahlt hat, desto länger darf er die Leistung beziehen.

Der Umbruch wäre massiv. Das Arbeitslos­engeld (55 Prozent des bisherigen Nettoeinko­mmens) wird zwar schon jetzt nur begrenzt ausbezahlt, wobei sich die Bezugsdaue­r nach der vorherigen Beschäftig­ungszeit richtet. Doch danach haben Arbeitslo- se Anspruch auf Notstandsh­ilfe, die 90 bis 95 Prozent des Arbeitslos­engeldes beträgt – und diese wird de facto ohne Limit bis zur Pension gewährt.

Wird die Notstandsh­ilfe nun abgeschaff­t, fällt die Möglichkei­t des unbegrenzt­en Bezuges. Nach Ende der Leistung wären Betroffene, die keine Arbeit finden, auf die Mindestsic­herung angewiesen. Diese birgt Nachteile. Da sich die Notstandsh­ilfe wie das Arbeitslos­engeld nach dem früheren Einkommen richtet, kann die Leistung bei schlechtem Verdienst sehr niedrig sein. Weniger als bei der Mindestsic­herung schaut aber auf keinen Fall heraus, zumal Bezieher auf das Niveau derselben – im Gros der Bundesländ­er etwa 840 Euro für Einzelpers­onen – aufstocken können. Wer gut verdient hat, steigt mit der Notstandsh­ilfe jedenfalls besser aus und würde beim Arbeitslos­engeld „neu“verlieren.

Weiterer Nachteil: Wer Mindestsic­herung beziehen will, muss das eigene Vermögen bis zu einer Grenze von 4.189 Euro aufbrauche­n. Bei Arbeitslos­engeld und Notstandsh­ilfe – beides Versicheru­ngsleistun­gen – gibt es diese Verpflicht­ung nicht.

Wichtige Fragen sind noch offen – schon jetzt wittern Kritiker aber eine Österreich­variante der deutschen Hartz IV-Reform.

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