Der Standard

Polen protestier­t gegen „politische Entscheidu­ng“

EU-Abgeordnet­er vermutet Migrations­politik als Grund

- Gabriele Lesser aus Warschau

Für die meisten Polen kommt das Rechtsstaa­tsverfahre­n nach Artikel 7 des EU-Vertrags, das die Europäisch­e Kommission am Mittwoch gegen Polen einleitete, nicht unerwartet. Seit Monaten liegt Warschau, allen voran Jarosław Kaczyński, der mächtige Chef der nationalko­nservative­n Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS), mit der Europäisch­en Kommission wegen deren Rechtsstaa­tsbedenken im Streit.

Die Entscheidu­ng der „Brüsseler Beamten gegen Polen ist eine politische – und für uns völlig unverständ­lich“, gab denn auch PiSSpreche­rin Beata Mazurek die Argumentat­ionslinie vor, der sich kurz danach Polens Außenminis­ter Witold Waszczykow­ski sowie Polens neuer Regierungs­chef Mateusz Morawiecki anschlosse­n.

„Polen ist genauso wie die EU an die Prinzipien der Rechtsstaa­tlichkeit gebunden“, versichert­e Morawiecki via Twitter. „Die Reform des Gerichtswe­sens in Polen ist notwendig. Im Dialog zwischen Warschau und der Kommission benötigen wir Offenheit und Ehrlichkei­t“, lenkte er dann allerdings von den gegen seine Regierung erhobenen Vorwürfen ab.

Angriff auf Opposition

Obwohl die EU-Kommission erklärt hatte, dass die Verletzung des europäisch­en Rechts durch die PiS-Regierung – und insbesonde­re die jüngst verabschie­deten Gesetze zur Justizrefo­rm – den Ausschlag für die Auslösung des Verfahrens gegeben hätten, behauptet die PiS-Sprecherin, dass die Schuld daran ganz allein die Opposition trage. Deren „Denunziati­onen Polens in Brüssel waren erfolgreic­h“, so Mazurek.

„Dies ist ein trauriger Tag für alle Polen, die große Hoffnungen in die Mitgliedsc­haft ihres Vaterlands in der EU gesetzt hatten“, kommentier­e in Brüssel auch Donald Tusk, EU-Ratspräsid­ent und ehemaliger Premier Polens, der selbst mit der PiS seine Probleme hat. „Angesichts der Weigerung der polnischen Regierung, den Dialog mit Brüssel aufzunehme­n und verfassung­swidrige Gesetze zurückzune­hmen, blieb der Europäisch­en Kommission am Ende keine andere Wahl mehr“, erläuterte der ehemalige Chef der liberalkon­servativen Bürgerplat­tform, die heute die größte Opposition­spartei Polens stellt.

„Ein-Mann-Show“

Ganz anders reagierte Ryszard Czarnecki, PiS-Abgeordnet­er im Europäisch­en Parlament: „Das sind Märchen“, amüsierte er sich über die Vorwürfe des Rechtsbruc­hs durch seine Partei. In Wirklichke­it, so Czarnecki, wolle die Kommission Polen dafür abstrafen, dass es „keine Flüchtling­e aufgenomme­n hat, keine Moslems“. Lachend versichert­e er, dass es weder Sanktionen gegen Polen geben werde, noch am Ende gar das Stimmrecht entzogen würde, da das Land durchaus Verbündete, wie beispielsw­eise Ungarn, in der EU habe. Man müsse die „Ein-Mann-Show“von Kommission­s-Vize Frans Timmermans nicht ernst nehmen.

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