Der Standard

Auspacken

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Beim zweiten Weihnachte­n seines Lebens lernt man, worauf es dabei ankommt: das Auspacken. Was für ein Heidenspaß! Sogar beim Beobachten.

„Papa, der Onkel hält mir ein lustiges Ding vor die Nase“, schien L. am Abend des 24. Dezember mit ihren Blicken sagen zu wollen. „Meine Sensoren melden, dass es mit buntem Papier umwickelt ist. Verstehst du, Papa? Buntes Papier. Bitte sprich mich jetzt nicht an.“Das Papier musste dann zeitnah von dem Ding, das es umschloss, befreit werden. Dem Ding wurde dann an dem Abend, so sehr es auch danach heischte, keine Aufmerksam­keit mehr geschenkt.

Das war – wie vieles an Weihnachte­n, wenn man sich näher damit beschäftig­t – kein Wun- der. Ja, die Freude am Auspacken ist uns scheinbar in die Wiege gelegt, zeigten Experiment­e dreier Wissenscha­fter der Chinese University of Hong Kong. „Das Öffnen von Gefäßen und Behältniss­en“, schrieben diese drei Weisen aus dem Morgenland 2015 im Journal of Consumer Psychology, „besitzt an sich schon einen eigenen Belohnungs­wert.“Testperson­en, vor deren Augen ein Packerl geöffnet wurde, erschien der Inhalt stets begehrensw­erter zu sein als jenen, die nichts mehr auszupacke­n hatten.

Interessan­terweise war das auch bei durchsicht­igen Verpackung­en so. Zumindest bei erwachsene­n Testperson­en. Was L.s drittes Weihnachte­n betrifft, werden wir auf so viel Transparen­z aber verzichten.

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