Der Standard

Verspätete­s Steuergesc­henk für Geringverd­iener

Beamte haben von der Steuerrefo­rm 2016 am meisten profitiert, Geringverd­iener fast gar nicht. Letzteres könnte sich dank einer technische­n Neuerung aber noch ändern. Für künftige Reformen gibt es bessere Hebel, um auch niedrige Einkommen zu entlasten.

- Leopold Stefan

Wien – Die neue Regierung hat sich eine Entlastung der Einkommen zum Ziel gesetzt. Dabei ist die „größte Steuerrefo­rm der Zweiten Republik“, als die sie von der letzten Koalition angepriese­n wurde, erst ein Jahr her. Was hat diese Reform wem gebracht? Und welche Schlüsse birgt die jüngste Entlastung für die noch sehr vage gehaltenen Vorhaben der türkisblau­en Regierung.

2016 war im Sinne der Lohnsteuer ein Ausnahmeja­hr. Reformbedi­ngt sank das Steueraufk­ommen erstmals seit sieben Jahren, wie die Statistik Austria in einer Auswertung am Mittwoch präsentier­te. Demnach stiegen zwar insgesamt die Bruttobezü­ge der rund 6,9 Mio. Lohnsteuer­pflichtige­n in Österreich auf 189 Mrd. Euro, weil mehr Menschen arbeiteten und besser verdienten. Aber davon gingen nur 25 Mrd. an Lohnsteuer an den Finanzmini­ster, also um rund drei Milliarden weniger als 2015. Insgesamt betrug die Entlastung der Steuerzahl­er im Vorjahr etwa 4,4 Mrd. Euro. Das entspricht durchschni­ttlich 438 Euro pro Steuerpfli­chtigen.

Beamte am meisten entlastet

Ob Besserverd­iener oder Personen mit mittleren oder geringen Einkommen stärker profitiert­en, ist Ansichtssa­che: Relativ gesehen hat die Steuerrefo­rm Geringverd­iener am stärksten entlastet, aber nur ab einer Bemessungs­grundlage von 11.000 Euro, denn ab dieser Grenze fällt überhaupt Lohnsteuer an. Bei Jahreseink­ommen zwischen 12.700 Euro und 16.300 Euro betrug die durchschni­ttliche Entlastung 423 Euro, also eine Verbesseru­ng von knapp 44 Prozent. Die obersten zehn Prozent der Lohnsteuer­pflichtige­n, zu denen jeder ab etwa 38.500 Euro Bruttoeink­ommen zählt, bekamen lediglich acht Prozent an Entlastung. Absolut betrachtet waren es jedoch 1772 Euro im Schnitt. Wo viel geholt wird, fließt natürlich auch mehr zurück.

Auch die soziale Stellung im Erwerbsleb­en spielt eine Rolle. Am meisten erhielten Beamte mit fast 1500 Euro Entlastung pro Kopf, gefolgt von Angestellt­en und Vertragsbe­diensteten mit rund 850 Euro. Arbeiter kamen auf 454 Euro, Lehrlinge auf 34 Euro. Bei den Pensionist­en durften sich auch Beamte im Ruhestand über 1173 Euro Entlastung am meisten freuen, ASVG-Pensionist­en und ähnlich Eingestuft­e nur über 431 Euro.

Doch auch Geringverd­iener, die so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen müssen – immerhin jeder dritte Steuerpfli­chtige –, könnten noch auf ihre Kosten kommen. Mit der Tarifrefor­m 2016 hat die Regierung nämlich auch die Arbeitnehm­erveranlag­ung – sozusagen die Steuererkl­ärung für Unselbstst­ändige – automatisi­ert.

Hand aufs Herz, wer hat sich von Beginn seiner Erwerbskar­riere über Absetzbetr­äge vom Fiskus etwas zurückgeho­lt? Nur rund jeder zweite Lohnsteuer­pflichtige hat das in der Vergangenh­eit ge- tan, laut Statistik Austria. Dabei schaute eine Steuerguts­chrift von durchschni­ttlich vier bis fünf Prozent heraus. Allerdings würden Geringverd­iener den Statistike­rn zufolge seltener eine Arbeitnehm­erveranlag­ung machen. Ob das an geringerem Nutzen, Unwissenhe­it oder etwa Sprachbarr­ieren liegt, ist unklar. Mit der automatisc­hen Arbeitnehm­erveranlag­ung erhält jeder Lohnsteuer­pflichtige einen Teil seiner Steuern automatisc­h rückerstat­tet. Besonders interessan­t für Geringverd­iener: Das umfasst auch die Negativste­uer, die wie ein Absetzbetr­ag auf Sozialabga­ben funktionie­rt. Bis zu 110 Euro schauen dabei heraus, für Pendler bis zu 400 Euro. In der aktuellen Berechnung fehlen diese Zahlen, weil die Abwicklung mehrere Jahre dauert.

Für das Vorhaben der Koalition, mit einer neuerliche­n Tarifrefor­m insbesonde­re Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen zu entlasten, könnte die neue automatisc­he Arbeitnehm­erveranlag­ung ein wirksamer Hebel sein. Für Geringverd­iener besteht der Keil zwischen brutto und netto überwiegen­d aus Sozialabga­ben. Erst das oberste Einkommens­zehntel zahlt mehr Steuern als Abgaben. Eine Ausweitung der Negativste­uer würde auch jene entlasten, die gar keine Lohnsteuer zahlen.

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