Verspätetes Steuergeschenk für Geringverdiener
Beamte haben von der Steuerreform 2016 am meisten profitiert, Geringverdiener fast gar nicht. Letzteres könnte sich dank einer technischen Neuerung aber noch ändern. Für künftige Reformen gibt es bessere Hebel, um auch niedrige Einkommen zu entlasten.
Wien – Die neue Regierung hat sich eine Entlastung der Einkommen zum Ziel gesetzt. Dabei ist die „größte Steuerreform der Zweiten Republik“, als die sie von der letzten Koalition angepriesen wurde, erst ein Jahr her. Was hat diese Reform wem gebracht? Und welche Schlüsse birgt die jüngste Entlastung für die noch sehr vage gehaltenen Vorhaben der türkisblauen Regierung.
2016 war im Sinne der Lohnsteuer ein Ausnahmejahr. Reformbedingt sank das Steueraufkommen erstmals seit sieben Jahren, wie die Statistik Austria in einer Auswertung am Mittwoch präsentierte. Demnach stiegen zwar insgesamt die Bruttobezüge der rund 6,9 Mio. Lohnsteuerpflichtigen in Österreich auf 189 Mrd. Euro, weil mehr Menschen arbeiteten und besser verdienten. Aber davon gingen nur 25 Mrd. an Lohnsteuer an den Finanzminister, also um rund drei Milliarden weniger als 2015. Insgesamt betrug die Entlastung der Steuerzahler im Vorjahr etwa 4,4 Mrd. Euro. Das entspricht durchschnittlich 438 Euro pro Steuerpflichtigen.
Beamte am meisten entlastet
Ob Besserverdiener oder Personen mit mittleren oder geringen Einkommen stärker profitierten, ist Ansichtssache: Relativ gesehen hat die Steuerreform Geringverdiener am stärksten entlastet, aber nur ab einer Bemessungsgrundlage von 11.000 Euro, denn ab dieser Grenze fällt überhaupt Lohnsteuer an. Bei Jahreseinkommen zwischen 12.700 Euro und 16.300 Euro betrug die durchschnittliche Entlastung 423 Euro, also eine Verbesserung von knapp 44 Prozent. Die obersten zehn Prozent der Lohnsteuerpflichtigen, zu denen jeder ab etwa 38.500 Euro Bruttoeinkommen zählt, bekamen lediglich acht Prozent an Entlastung. Absolut betrachtet waren es jedoch 1772 Euro im Schnitt. Wo viel geholt wird, fließt natürlich auch mehr zurück.
Auch die soziale Stellung im Erwerbsleben spielt eine Rolle. Am meisten erhielten Beamte mit fast 1500 Euro Entlastung pro Kopf, gefolgt von Angestellten und Vertragsbediensteten mit rund 850 Euro. Arbeiter kamen auf 454 Euro, Lehrlinge auf 34 Euro. Bei den Pensionisten durften sich auch Beamte im Ruhestand über 1173 Euro Entlastung am meisten freuen, ASVG-Pensionisten und ähnlich Eingestufte nur über 431 Euro.
Doch auch Geringverdiener, die so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen müssen – immerhin jeder dritte Steuerpflichtige –, könnten noch auf ihre Kosten kommen. Mit der Tarifreform 2016 hat die Regierung nämlich auch die Arbeitnehmerveranlagung – sozusagen die Steuererklärung für Unselbstständige – automatisiert.
Hand aufs Herz, wer hat sich von Beginn seiner Erwerbskarriere über Absetzbeträge vom Fiskus etwas zurückgeholt? Nur rund jeder zweite Lohnsteuerpflichtige hat das in der Vergangenheit ge- tan, laut Statistik Austria. Dabei schaute eine Steuergutschrift von durchschnittlich vier bis fünf Prozent heraus. Allerdings würden Geringverdiener den Statistikern zufolge seltener eine Arbeitnehmerveranlagung machen. Ob das an geringerem Nutzen, Unwissenheit oder etwa Sprachbarrieren liegt, ist unklar. Mit der automatischen Arbeitnehmerveranlagung erhält jeder Lohnsteuerpflichtige einen Teil seiner Steuern automatisch rückerstattet. Besonders interessant für Geringverdiener: Das umfasst auch die Negativsteuer, die wie ein Absetzbetrag auf Sozialabgaben funktioniert. Bis zu 110 Euro schauen dabei heraus, für Pendler bis zu 400 Euro. In der aktuellen Berechnung fehlen diese Zahlen, weil die Abwicklung mehrere Jahre dauert.
Für das Vorhaben der Koalition, mit einer neuerlichen Tarifreform insbesondere Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen zu entlasten, könnte die neue automatische Arbeitnehmerveranlagung ein wirksamer Hebel sein. Für Geringverdiener besteht der Keil zwischen brutto und netto überwiegend aus Sozialabgaben. Erst das oberste Einkommenszehntel zahlt mehr Steuern als Abgaben. Eine Ausweitung der Negativsteuer würde auch jene entlasten, die gar keine Lohnsteuer zahlen.