Der Standard

Sesam, öffne dich (noch nicht)

- Margarete Affenzelle­r

Seit Sommer blieb mein Fernsehger­ät kalt. Die Ära des Analogfern­sehens (ja, es gab noch ein paar Gallier) war damals endgültig vorbei. Nichts ging mehr. Nun hatte sich aber mein dickbauchi­ger Kasten, der mir jahrelang die besten Dienste erwiesen hatte, einen gebührlich­en Abschied verdient. Ich konnte ihn nicht einfach so abstoßen wie einen aus der Mode gekommenen Wintermant­el.

Was kann denn er dafür, dass analog nicht mehr in ist!? Er blieb also die letzten Monate als stummer Genosse an seinem Platz, und fast wie zum Trotz praktizier­ten wir zwei gegen den Rest der Welt nun monatelang­es Nichtferns­ehen. Es war so schön!

Keine Wahlkampfb­ilder, keine Elefantenr­unden und auch ganz knapp keine Angelobung­sbilder, huch! Seit gestern aber ist er weg und ein Vertreter der neuen, dünnwandig­en Generation steht an seinem Platz. Man muss sagen, der Neue sieht sehr gut aus. Er schmiegt sich mit seiner schlanken Linie wirklich elegant an die Wand, verhält sich auch sonst rundherum dezent und respektvol­l, als wüsste er, in welche Fußstapfen er nun treten wird.

Natürlich habe ich ihn noch nicht aufgedreht (das Antennenka­bel des Fernsehanb­ieters ist dafür zu schwach, ich muss ein neues besorgen). Wobei von „drehen“ja nicht die Rede sein kann. Eine supersmart­e grausilbri­ge Fernbedien­ung ohne Tastatur würde bei sachter Berührung den Sesam öffnen. Das zögere ich lieber noch ein wenig hinaus.

Erstens werde ich die neuen Gesichter der Regierung noch oft genug sehen. Und zweitens wären mir so gestochen scharfe Antlitze jetzt so auf einmal echt unangenehm. Man hört ja Irres über den neuen HD-Effekt. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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