Politik für die Unzufriedenen
Der FPÖ droht, dass sich Enttäuschung im eigenen Lager breitmacht
Die türkis-blaue Regierungsmannschaft geht es mit der Übernahme der Verwaltung der Republik zackig an – neues Personal, neue Struktur der Ministerien, volles Durchgriffsrecht für die Regierenden. Das ist gut für die eigene Stabilisierung, das sendet auch an die eigenen Funktionäre das Signal: „Keine Sorge, wir haben alles im Griff!“
Die Wähler aber erreicht das kaum. Und in absehbarer Zeit – es stehen immerhin vier Landtagswahlen an – werden sich erst die Stammtische und dann die Funktionäre fragen, was die Menschen eigentlich davon haben, dass sie ÖVP und FPÖ eine Mehrheit verschafft haben. Die ÖVP-Basis tut sich da vergleichsweise leicht: Ihr wesentliches Wahlziel war ja, Sebastian Kurz zum Bundeskanzler zu machen. Mission accomplished.
Aber Heinz-Christian Strache und seine Freiheitlichen? Die haben jahrelang jegliche Unzufriedenheit unter den Wahlberechtigten aufgespürt und mit ihrem eigenen Spin verstärkt. Analysen, die der FPÖ unterstellen, allen Unmut auf die Ausländer gerichtet zu haben, greifen zu kurz. Vielmehr hat die FPÖ ja auch das Misstrauen gegen „die da oben“, die Regierung, gegen die Republik an sich geschürt. Jetzt aber ist sie selbst oben, in der Regierung. Sie ist die Exekutive einer Republik, die nicht von einem Tag auf den anderen eine andere werden kann – da sind glücklicherweise durch die Verfassung und die Beamtenschaft einige Sperrmechanismen eingebaut. lso muss die auf Unzufriedenheit konditionierte Wählerschaft vertröstet werden. Strache hat schon bei der Präsentation des Regierungsprogramms in ungewohnter Bescheidenheit darauf verwiesen, dass weder er selbst noch Kurz „Zauberer oder Wunderwuzzis“seien, die p. t. Wählerschaft möge sich also bitte gedulden – weder kommt die Steuerentlastung über Nacht, noch werden morgen alle Ausländer aus dem Blickfeld der sie besorgt beäugenden FPÖ-Wähler verschwinden. Und auch der Abbau vermeintlicher Privilegien kann dauern, erst muss man ja einmal schauen, welche davon vielleicht nützlich sein könnten.
Strache weiß, wie schwierig es für einen Parteichef werden kann, wenn die mittlere Funktionärsschicht und die von ihr vertretenen „kleinen Leute“unruhig werden – er hat dieser
ASchicht ja selbst in den Jahren 2000 ff. angehört. Damals, als Jörg Haider Wolfgang Schüssel zum Kanzler gemacht hatte und die schwarz-blaue Regierung ihr Reformprogramm – mit schmerzhaften Einschnitten im Pensionssystem – durchzog, war Strache einer der härtesten Kritiker.
Dass die Wähler durch den internen Konflikt erst recht vertrieben wurden, dürfte er sich gemerkt haben.
Daher ist jetzt bei den Freiheitlichen Geschlossenheit angesagt – und ein moderates Reformtempo mit möglichst wenigen Belastungen für die reflexartig mit Regierungskritik antwor- tende FP-Wählerschaft. Dass das ausreicht, darf aber bezweifelt werden.
Die SPÖ, die sich als Oppositionspartei positionieren muss, wird natürlich versuchen, diese offene Flanke anzugreifen und sich der Unzufriedenen anzunehmen (eines der frühen sozialdemokratischen Medien hieß ja auch Die Unzufriedene). Schon wird verbreitet, dass die neuen Koalitionspartner ihre Wähler belogen und getäuscht hätten. Manch Enttäuschter wird da aufhorchen. Abwerben kann man die Unzufriedenen aber wohl nur mit konkreten Angeboten. Diese zu entwickeln hat die SPÖ nun viel Zeit.