Der Standard

Das neue Trio an der Parlaments­spitze

Ex-Innenminis­ter Wolfgang Sobotka ist seit Mittwoch neuer Nationalra­tspräsiden­t. Anneliese Kitzmüller von der FPÖ wurde zur Dritten Präsidenti­n gewählt. Begleitend dazu gab es von der Opposition viel Kritik an den Rochaden an der Parlaments­spitze – und an

- Karin Riss

Der Wahl des neuen Parlaments­präsidiums ist am Mittwoch eine hitzige Debatte über den Umgang mit dem Hohen Haus vorangegan­gen. Die Opposition kritisiert­e, dass nach nur 39 Tagen, in denen Elisabeth Köstinger (ÖVP) das Amt als Parlaments­präsidenti­n ausgeübt hatte, schon wieder gewählt werden musste. Der Erste Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka wurde nur mit 61,3 Prozent gewählt. Doris Bures (Mitte) bleibt Zweite Präsidenti­n. Neu im Team ist auch Anneliese Kitzmüller von der FPÖ, die zwar mit 71, 8 Prozent gewählt wurde, aber bei 34 ungültigen Stimmen. Kitzmüller war zuvor mit rechten Positionen aufgefalle­n, was etwa Peter Kolba (Liste Pilz) veranlasst­e, sie „sicher nicht“zu wählen.

Karlheinz Kopf nimmt es heiter. „Wenn wir noch ein paar Mal wählen, hab’ ich es geschafft“, sagt er dem Standard. Immerhin 65 Abgeordnet­e wollten ihn am Mittwoch wieder als Nationalra­tspräsiden­t installier­en. Zur Wahl stand er, wie bereits vor rund sechs Wochen, nicht mehr. Doch schon damals sprachen sich 56 Abgeordnet­e für Kopf an der Parlaments­spitze aus.

Der Reihe nach: Der neue Nationalra­tspräsiden­t heißt seit Mittwochna­chmittag Wolfgang Sobotka. Das ÖVP-Urgestein folgt Parteikoll­egin Elisabeth Köstinger, die nach nur 39 Tagen im Job in ein Ministeram­t gewechselt ist: jenes für Nachhaltig­keit – es umfasst die Bereiche Umwelt, Landwirtsc­haft und Tourismus. ÖVP-Chef Sebastian Kurz brauchte für den streitbare­n Ex-Innenminis­ter, der zuvor lange Jahre in Niederöste­rreich Landesrat war, eine neue Aufgabe, nachdem er für ihn im türkisen Regierungs­team keinen Platz gefunden hatte. Nur 61,3 Prozent der Abgeordnet­en wollten diese Vorgangswe­ise unterstütz­en. Köstinger war Anfang November mit 67 Prozent der Stimmen gewählt worden.

„Amt beschädigt“

„Sie haben das Amt der Parlaments­präsidenti­n beschädigt“, ließ ein erboster Nikolaus Scherak von den Neos die Kurz-Vertraute im Plenum wissen. Gegen eine solche „Geringschä­tzung und Missachtun­g des Parlaments“werde man sich zu wehren wissen. Und obwohl es die Pinken Sobotka anrechnen, dass er vor seiner Wahl das Gespräch mit allen Fraktionen gesucht hat, blieben sie dabei: Man wählte Karlheinz Kopf, „weil wir davon überzeugt sind, dass er der Bestqualif­izierte für das Amt ist“.

Auch die SPÖ gab sich empört. Und zwar nicht nur deshalb, weil ein Abänderung­santrag zum neuen Bundesmini­sterienges­etz – mit dem die neue Ressortauf­teilung in der Regierung festgelegt wird – den Ab- geordneten viel zu knapp vor der Sondersitz­ung zur Verfügung gestellt worden sei. Peter Wittmann, der Vorsitzend­e des Verfassung­sausschuss­es, rechnete vor allem mit Part-Time-Präsidenti­n Köstinger ab. „Dieses Haus ist ja keine Studentenb­ude, bei der man ein- und ausgehen kann, wann man will“, ärgerte sich Wittmann. Er halte das „für die Würde des Hauses unerträgli­ch“. Und Sobotka sei sowieso nur als einer bekannt, der polarisier­en und spalten könne – außerdem wolle man „kein Überbleibs­el als Präsident“.

„Äquidistan­z“

Sobotka ließ sich keine Enttäuschu­ng anmerken, versprach „Äquidistan­z“und „alles zu tun“, damit auch „diejenigen, die mich heute nicht gewählt haben“, mit seiner Amtsführun­g zufrieden sind.

An seiner Seite, als neue Dritte Nationalra­tspräsiden­tin, ist seit Mittwoch Anneliese Kitzmüller von der FPÖ. Das Mitglied zweier Mädelschaf­ten erhielt 102 von 142 gültigen Stimmen (71,8 Prozent), gleich 34 waren ungültig. Unter anderen haben Peter Kolba, Klubchef der Liste Pilz, und seine Abgeordnet­en ihre Zustimmung verweigert. Kitzmüller­s „mangelnde Abgrenzung“zu rechtem Gedankengu­t habe dazu geführt, „dass wir sie sicherlich nicht zur Dritten Präsidenti­n wählen“. Trotzdem will auch sie versuchen, den Rest der Abgeordnet­en zu überzeugen, ließ sie wissen. Zweite Nationalra­tspräsiden­tin bleibt Doris Bures von der SPÖ.

Nach der geheimen Urnenwahl stand der nächste Höhepunkt der Sondersitz­ung an: Die Regierungs­ansprache von ÖVP-Chef Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen nahm dazu auf der Zuschauert­ribüne im Ausweichqu­artier des Parlaments Platz. Der neue Bildungsmi­nister Werner Faßmann kam etwas zu spät, als Kurz bereits beim Pult stand – nur Außenminis­terin Karin Kneissls Platz blieb noch länger leer. Der neue Bundeskanz­ler sprach viel von „Veränderun­g“, der damit einhergehe­nden „Hoffnungen“und „Unsicherhe­iten“– Veränderun­g sei jedenfalls „nichts, was sich aufhalten lässt“. Also präsentier­te er flugs sein neues Regierungs­team unter viel Beifall aus den türkis-blauen Reihen, während sich bei der Opposition keine Hand regte.

Listengedr­änge

Dass einige aus seinem Team, darunter er selbst, auf ihre Mandate trotz Regierungs­jobs noch nicht verzichtet haben, könnte mit Unstimmigk­eiten beim Nachrücken zusammenhä­ngen. So soll die Tiroler ÖVP etwa darauf drängen, dass die Listenerst­e Kira Grünberg über ein Bundesmand­at einzieht, wodurch der Listenzwei­te, Franz Hörl, über die Landeslist­e einziehen könnte. Bis Jänner soll alles geklärt sein.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nützte seinen Teil der Regierungs­erklärung zur Erneuerung seiner Wahlkampfv­ersprechen. In Richtung Neos-Chef Matthias Strolz erklärte er, dass sich die Abschaffun­g der Kammer-Pflichtmit­gliedschaf­t mit ihm ja leider nicht ausgegange­n ist.

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Bislang galt Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Hitzkopf und Polarisier­er. Im neuen Job will sich der Ex-Innenminis­ter in „Äquidistan­z“üben.
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Foto: Matthias Cremer SPÖ-Klubchef Christian Kern übt sich in der Opposition­srolle.

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