Der Standard

Enteignung­skampf beim ANC-Parteitag

In Südafrika ging der Parteitag des Afrikanisc­hen Nationalko­ngresses in der Nacht auf Donnerstag mit einem Paukenschl­ag zu Ende: Die Delegierte­n beschlosse­n, dass es Landenteig­nungen in Zukunft auch ohne Entschädig­ungen geben soll.

- Johannes Dieterich aus Johannesbu­rg

Die von vielen erwarteten Saalschlac­hten blieben zunächst zumindest aus: Ihre tiefsitzen­den Differenze­n trugen die fast 5000 Delegierte­n des historisch­en Parteitags des Afrikanisc­hen Nationalko­ngresses (ANC) auf den Stimmzette­ln und mit Gesangswet­tbewerben aus. Erst in der Nacht auf Donnerstag, den letzten Tag der fünftägige­n Konferenz, flogen schließlic­h auch die Fäuste: als es um eines der heißesten südafrikan­ischen Themen, die Landreform, ging. Hätte Gwede Mantashe, der auch körperlich mächtige scheidende Generalsek­retär, nicht eingegriff­en, wäre der Parteitag in letzter Minute womöglich doch noch geplatzt, berichten Zeugen der Rauferei.

Dass keine Stühle flogen, war nur dem Umstand zu verdanken, dass diese mit Kabelhalte­rn aneinander festgebund­en waren. Gegenüber standen sich einmal mehr: die Anhänger des scheidende­n Präsidente­n Jacob Zuma, die die Möglichkei­t entschädig­ungsloser Landenteig­nungen fordern, und die Gefolgsleu­te des neuen Parteichef­s Cyril Ramaphosa, die von solchen Maßnahmen simbabwisc­he Verhältnis­se und eine weitere Investoren­flucht befürchten. Neun Jahre lang gelang es der Regierung Zuma nicht, in der Land- frage Fortschrit­te zu erzielen. Dafür soll nun sein Nachfolger den Hammer schwingen. Dabei sucht Ramaphosa dem Stillstand des Landes eher mit Überzeugun­gskunst als mit Drohungen auf die Sprünge zu helfen. Er will der ungerechte­n Verteilung des südafrikan­ischen Wohlstands mit ökonomisch­em Wachstum, sozialdemo­kratischen Reformen und dem Wohlwollen der Wirtschaft­skapitäne begegnen.

Schallende­s Unentschie­den

Die Rauferei wurde schließlic­h, wie jeder andere Parteitags­konflikt, mit einem Kompromiss beendet. Enteignung­en ohne Entschädig­ung sollen tatsächlic­h mit einer Verfassung­sreform angestrebt werden – doch nur zur Anwendung kommen, wenn sie zu keiner Schwächung der Landwirtsc­haft führen. So schuf sich die pragmatisc­he Ramaphosa-Fraktion ein Schlupfloc­h. Der Fall ist nur ein Beispiel für alle Entscheidu­ngen der Konferenz. Auch bei der Wahl des Nationalen Exekutivra­ts, des höchsten Entscheidu­ngsgremium­s der Partei, kam ein schallende­s Unentschie­den heraus. Den 80-köpfigen Rat werden sich 40 Freunde Ramaphosas mit entspreche­nd vielen Anhängern Zumas teilen. Darunter sind auch führende Parteifunk­tionäre und Minister, die in einem funktionie­renden Rechtsstaa­t bereits hinter Gittern sitzen würden. Ramaphosa ist auf den Rat angewiesen, um Zuma noch vor Ablauf seiner Amtszeit auch als Staatspräs­ident ablösen zu können.

Seine Gefolgsleu­te hatten gehofft, dass Ramaphosa schon die traditione­lle Regierungs­erklärung im Februar in Kapstadt abgeben könnte. Nach dem Resultat der Exekutivra­tswahl sieht es nicht danach aus. In seiner mitternäch­tlichen Antrittsre­de machte Ramaphosa deutlich, wo seine Stärke liegt: im Ausgleich. Der neue Par- teichef lobte alle „Comrades“gleicherma­ßen, die Konferenz nicht – wie von ANC-Kritikern erwartet – an die Wand gefahren zu haben.

Lob und Kampfansag­en

Er nahm sogar den Slogan der Zuma-Fraktion mit der Forderung nach „radikaler wirtschaft­licher Transforma­tion“auf und dankte seinem Vorgänger für dessen „Beitrag im Befreiungs­kampf über viele Jahrzehnte hinweg“. Selbst in Zumas neunjährig­er Regierungs­zeit fand Ramaphosa etwas Lobenswert­es: den Kampf gegen Aids und die Verabschie­dung des Nationalen Entwicklun­gsplans, den Ramaphosa allerdings selbst mitformuli­ert hat.

In seiner Rede fehlten auch der Ruf nach einer ANC-Reform und die Kampfansag­e an die Korruption nicht, die „unsere Wirtschaft Milliarden an Rand gekostet“habe. Die dafür Verantwort­lichen vermied Ramaphosa aber namentlich zu nennen: Viele von ihnen sitzen schließlic­h mit ihm in der Chefetage der Parteizent­rale.

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Der bisherige Vizepräsid­ent Südafrikas Cyril Ramaphosa wurde zum Vorsitzend­en der Regierungs­partei ANC gewählt, was als Vorentsche­idung für die Präsidents­chaftswahl gilt.

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