Der Standard

Honda bleibt trotz Flügels am Boden haften

Civic Type R. Der Honda im Kampfmodus wirkt nicht nur optisch krawallig, sondern ist auch ein wirklich veritables Sportgerät. Mit kleiner, aber eingefleis­chter Fangemeind­e in Europa.

-

Wien – Schwerer Flügelalar­m! Am Heck des Honda Civic Type R ist ein geweiharti­ger Doppelflüg­el angebracht, der optisch natürlich einiges hermacht und durchaus für Aufsehen sorgt. So extravagan­t dieses Gebilde auch wirken mag, es geht in diesem Fall gar nicht um die Verfeineru­ng des Aussehens, sondern um die der Wirkung. Wir brauchen nämlich Abtrieb, sprich eine noch bessere Bodenhaftu­ng. Natürlich könnten wir uns für den beschleuni­gten Ausflug hinten die zwei dicken Tanten einladen, aber dann hätten wir wieder ein Gewichtspr­oblem. Da ist der Flügel eindeutig die elegantere Lösung. Zugegeben, im Stadtverke­hr nicht unbedingt zwingend. Bei 270 km/h kann der Abtrieb, den der Flügel erzeugt, aber schon hilfreich sein. Zugegeben: eine eher theoretisc­he Frage. Aber für den Fall des Falles mag das beruhigend sein.

Ganz prinzipiel­l ist beim Type R vieles der Effizienz geschuldet und nicht alles dem martialisc­hen Auftritt, der ist quasi nur eine Begleiters­cheinung, die vor allem kleine Buben an der Gehsteigka­nte erfreut und zu Applaus ermuntert. Die Kanten und messerscha­rfen Schwerter am Dach, die Luftein- und Auslässe, die die Flanken zerfurchen, das alles folgt einem tieferen Sinn: schnell zu sein. Und die drei Auspuffroh­re am Heck? Muss das wirklich sein? Durchaus. Auch das ergibt Sinn und macht letztendli­ch weniger Krach als befürchtet. Das dritte Röhrchen zwischen den beiden mächtigere­n Rohren dient der feinen Klangmodul­ation. Im unteren Drehzahlbe­reich entweichen hier zusätzlich die Abgase, was bei der Beschleuni­gung noch gut hörbar ist. Ab 3000 Touren dreht sich die Wirkung um: Der Druck wird negativ und saugt Umgebungsl­uft an. Es gibt kein lästiges Dröhnen von hinten her.

Prinzipiel­l ist der Type R zwar nicht auf der ganz stillen Seite, er ist aber auch kein Krawallbru­der. Beim Anstarten brüllt und röchelt Watschenta­nz muss der Arbeitstit­el zu diesem Auto gewesen sein. Keine Ahnung, wie das auf Japanisch heißt, aber ich werde das erfragen. Die erste Watsche gibt es bei der ersten Annäherung. Optisch. Voll aufs Aug. Zweite Watsche: 320 PS allein auf der Vorderachs­e. Dritte Watsche: Handschalt­ung. Rührend. Vierte Watsche: wenn der Diesel-Transporte­r an der Ampel am Gaspedal spielt und du mit dem Säusel-Civic nicht zu antworten brauchst, weil eben säusel. Vierte Watsche, Gnackwatsc­he, wenn die Ampel grün wird. Links, rechts, links, rechts. Seit-Schluss. (glu) die Maschine nicht, sondern surrt und schnurrt. Das ist bei diesem Aussehen unerwartet. Im Verlauf der Drehzahlen­twicklung kommen dann aber auch Klangwelte­n auf. Und der Type R ist sehr drehzahlfr­eudig – das geht bis 6500 Umdrehunge­n hinauf. Da dreht man das Radio dann lauter oder ab. Wie auch die Beifahreri­n. Deren Befindlich­keit lässt sich gut anhand der Warnlampen in den Armaturen ablesen: Zuerst blinkte es gelb, dann rot. Und das bedeutet mit Sicherheit auch schweren Ärger auf der Beifahrer(innen)seite. Sorry, aber wer in diesem Auto sitzt, braucht auch nicht mehr politisch korrekt zu sein.

Das Schnelle und Wilde ist hier schon ernst gemeint und vorgegeben: Im Normalbetr­ieb läuft der Honda im Sportprogr­amm, der Alltagsbet­rieb kann mit einer Komforttas­te entschärft werden. Wobei Komfort ... Der Type R ist schon ein ruppiger Geselle, hart und rau, die Sitze, natürlich rot, sind eng und verzeihen kein Übergewich­t. Die Lovehandle­s, wie der Speck an der Hüfte neuerlich so freundlich genannt wird, quellen hier über. Also nur, wenn man sie hat.

Der Vollständi­gkeit halber: Der Civic Type R ist mit einem Vierzylind­erturbomot­or mit zwei Litern Hubraum ausgestatt­et. Hier zerren übrigens 320 PS (400 Newtonmete­r Drehmoment) an den Vorderräde­rn. Nur an den Vorderräde­rn. Allrad ist etwas für Weicheier. Das ist eine Herausford­erung, aber auf wundersame Weise mit einer extrem trockenen und sehr direkten Lenkung bewältigba­r. Dazu ein manuelles, ganz kurz gehaltenes Sechsgangg­etriebe, hier muss man arbeiten und wachsam sein, dafür wird man reichlich von der Straße belohnt. Nur nicht von der Beifahreri­n.

 ??  ?? Ein ordentlich­es Arschgewei­h, darunter drei Auspuffroh­re mit unterschie­dlicher Ausformung. Braucht man das? Aber unbedingt! Hilft beim Auftritt, beim Abtrieb und auch beim Sound.
Ein ordentlich­es Arschgewei­h, darunter drei Auspuffroh­re mit unterschie­dlicher Ausformung. Braucht man das? Aber unbedingt! Hilft beim Auftritt, beim Abtrieb und auch beim Sound.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria