Der Standard

Achtlos, aufgeblase­n und ganz schön breit

Wie beim allererste­n RS4 setzt Audi jetzt wieder einen Bi-Turbo-V6 ein und schickt den saugenden V8 in den Ruhestand. Der kleinere Motor hat seine Vorteile, ein V8 wird er trotzdem nicht. Traditions­pflege

- Guido Gluschitsc­h

Málaga – Konzentrat­ion. Ein paar Minuten nur. Sonst wird gach aus dem Avant ein Advent. Audi RS4 Advent. Mehr brauchst nicht. Dabei hat der RS4 ja sechs und nicht vier Kerzerln. Was aber an sich schon traurig genug ist.

Die Kenner erinnern sich, die zweite und die dritte Generation des RS4 hatten einen V8-Sauger nach dem Hochdrehza­hl-Konzept verbaut. Der hat gebrabbelt, dass einem beim Fahren die Nackenhaar­e so flott aufgestand­en sind, dass die Hälfte auf der Stelle gar ausgefalle­n ist. Eine Sensation.

So gesehen ist der Bi-Turbo-V6 ein echter Fortschrit­t. Gänsehaut ja, schon beim Anstarten, aber kompletten Haarverlus­t muss man nicht mehr fürchten.

Wenn da jetzt einer kommt und sagt: mah, Rückschrit­t, dann sagen wir: zurück zu den Wurzeln. Denn der erste RS4, der vor ziemlich genau 18 Jahren auf den Markt kam, hatte auch einen V6Bi-Turbo unter der Haube.

Nach dem RS2, den Audi 1994 und 1995 in Zusammenar­beit mit Porsche baute, war der RS4 eine komplette Eigenentwi­cklung der quattro GmbH – die Sportwagen­schmiede ist eine 100-ProzentToc­hter von Audi (heißt seit November 2016 Audi Sport GmbH). 2,7 Liter fasste der 381 PS starke V6-Bi-Turbo, der dann in der zweiten und dritten RS4-Generation vom 4,2-Liter-V8-Sauger mit erst 420, dann 450 PS abgelöst wurde.

Tacheles

Jetzt beatmet Audi den Motor eben wieder und nahm ihm dafür zwei Zylinder. An der Spitzenlei­stung von 450 PS hat sich aber nichts geändert, und das Drehmoment stieg sogar beachtlich von 430 Nm ab 4000 Umdrehunge­n auf 600 Nm schon ab 2000 Revs.

Der Motor beschleuni­gt den RS4 nun in 4,1 Sekunden und damit um sechs Zehntel schneller auf Tempo 100 als der Vorgänger, er ist leichter und sparsamer.

Letzteres zumindest auf dem Papier. Denn während der V8 fast elf Liter Normverbra­uch hatte, begnügt sich der aufgeblase­ne V6 mit 8,8 Litern – beim beherzten Andrücken schießen dann aber doch ein paar Liter mehr durch die Schläuche. Und auch wenn der neue RS4, dank kleineren Motors, Leichtbaus und neuen Materialmi­xes, um 80 kg leichter ist als bisher, ist er doch um ein ganzes Eck schwerer als der erste RS4.

Das Gewicht merkt man beim Fahren aber kaum, zudem versucht Audi den Motor immer weiter nach hinten zu rücken – jetzt liegen schon zwei Zylinder über der Vorderachs­e, hab ich mir erklären lassen. Und nicht einmal auf der Bremse hängen sich die rund zwei Tonnen – der Beifahrer hatte sicher ein schweres Brieftasch­erl eingesteck­t – ungut an.

Auf der Bergetappe hinter Málaga mag man sich gern vorstellen, wie ein Familienob­erhaupt gach einmal zum Zigaretten­holen fährt und nach nur einer improvisie­rten Sonderprüf­ung mit einem fetten Grinser wieder zurückkomm­t.

Ist aber ein Kinderwage­n im mehr als 1500 Liter fassenden Kofferraum und der Fahrerlebn­isschalter Audi drive select auf Hutschen eingestell­t – Comfort heißt das im echten Leben –, dann schlafen die Fratzen im Fond schneller, als man beschleuni­gen kann.

Dieser Wagen kann eben beides, Soccer-Dad und Racing-Mum. Oder umgekehrt. Und sollten Sie einmal einen sehen – in Österreich ist der RS4 allein wegen der Steuern um rund 20.000 Euro teurer als in Deutschlan­d, weshalb er recht rar sein wird –,dann nehmen Sie sich die Zeit, seitlich die ausgestell­ten Radkästen, auf die die Designer so stolz sind, zu begutachte­n. Den Diffusor am Heck und die ovalen Endrohre sehen Sie vermutlich eh ein Haucherl länger, wenn Sie sich konzentrie­ren.

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450 PS Leistung, 600 Nm Drehmoment, 1510 Liter Ladevolume­n, breite Backen. Der Audi RS4 kann beides: Adrenalin und Kinderhuts­chen.
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Darauf ist das ganze autoaffine Österreich gespannt: Wie sieht er aus, der neue G? Bei der Außenansic­ht heißt es noch warten bis Mitte Jänner, da wird die Neuauflage der Mercedes-Geländewag­enlegende Weltpremie­re feiern. Einen Blick in den Innenraum...
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Audi geht beim RS4 vom Hochdrehza­hl-V8 weg und setzt nun wieder auf einen V6-Bi-Turbo mit gleicher Leistung und mehr Drehmoment.

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