Der Standard

Stärkstes Wachstum seit zehn Jahren

Die österreich­ische Wirtschaft soll heuer um drei Prozent zulegen und sogar besser wachsen als die meisten Euroländer, erwarten Wirtschaft­sforscher. Die neue Regierung ist damit aufgeforde­rt, den Spielraum für ambitionie­rte Reformen zu nutzen.

- Leopold Stefan

Wien – „Österreich wächst erstmals seit 2012 wieder schneller als Deutschlan­d“, triumphier­t Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). „Mit 3,1 Prozent erleben wir das höchste Wachstum seit zehn Jahren“, sagte er am Donnerstag bei der Präsentati­on der jüngsten Konjunktur­prognose.

Dass die Wirtschaft brummt, kommt nicht ganz überrasche­nd, doch noch im Herbst hatte das IHS mit einem halben Prozentpun­kt weniger Wachstum gerechnet. Mit Ausnahme der negativen Folgen des Brexits für die Briten hätten sich noch keine der globalen Risiken manifestie­rt, wie etwa ein überborden­der Protektion­ismus der USA, begründet Kocher das positive Resultat. Auch das Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) revidiert seine ursprüngli­ch bereits optimistis­che Prognose für das laufende Jahr auf drei Prozent leicht nach oben. In den kommenden beiden Jahren soll das Wachstum robust bleiben, sind sich die Ökonomen einig.

Die neue Bundesregi­erung startet somit unter denkbar günstigen Konditione­n. Sowohl für strukturel­le Reformen als auch für Schuldenab­bau gebe es genug Spielraum. Drei Problemfel­der für die Wirtschaft­spolitik der kommenden Jahre sehen die Ökonomen trotz der rosigen Prognose.

Die Sanierung des Budgets ist dank sinkender Zinslast und sprudelnde­r Steueraufk­ommen zum Greifen nahe. Trotzdem rechnen die Wirtschaft­sforscher mit weiteren Defiziten in den kommenden beiden Jahren, die mitunter die gesetzlich­e Schuldenbr­emse sowie die Maastricht­kriterien der EU missachten dürften.

„Die Regierung muss der Versuchung widerstehe­n, erhoffte Einsparung­en in der Zukunft für heutige Ausgaben zu nutzen“, sagt Wifo-Chef Christoph Badelt. Geplante Projekte wie der Familienbo­nus, der eine Steuererle­ichterung von 1500 Euro pro Kind vorsieht, sind in den Prognosen gar nicht enthalten, weil diese nur beschlosse­ne Gesetze berücksich­tigen. Auch die geplante Anhebung der Mindestpen­sion fehlt somit in der Budgetprog­nose. Anderersei­ts bleiben mögliche Kürzungen etwa bei Sozialleis­tungen ebenso unberücksi­chtigt. Aber für die Ökonomen ist die Budgetsani­erung nicht oberste Priorität. Die angekündig­te Steuerrefo­rm sollte noch ambitionie­rter und so bald wie möglich umgesetzt werden, sagt Badelt.

Inflation ist eine typische Begleiters­cheinung in der Hochkonjun­ktur. Doch der erwartete Preisansti­eg in Österreich liegt mit gut zwei Prozent über dem Schnitt der Eurozone. Dass die Europäisch­e Zentralban­k mit ihrer expansiven Geldpoliti­k die Preise weiter anheizt, liegt allerdings außerhalb der Macht der heimischen Politik. Die relativ stärkere Inflation in Österreich im Vergleich zu Deutschlan­d und anderen Euroländer­n mindert allmählich die heimische Wettbewerb­sfähigkeit, zumindest in den handelbare­n Teilen der Dienstleis­tungsbran-

QQche, erklärt Kocher. Weniger Bürokratie, etwa durch eine liberalere Gewerbeord­nung, würde der heimischen Konkurrenz­fähigkeit helfen, meint der IHS-Chef.

Die Arbeitslos­igkeit soll in den kommenden Jahren weiter sinken. Allerdings kristallis­iert sich ein hartnäckig­er Sockel an Langzeitar­beitslosen – Personen, die mindestens zwölf Monate auf Jobsuche sind – heraus. Besonders betroffen sind ältere Arbeitnehm­er. Fast die Hälfte der beim AMS gemeldeten über 50-Jährigen sind langzeit-

Qarbeitslo­s. Hier sind gezielte Maßnahmen notwendig. Positiv hebt Wifo-Chef Badelt die Pläne der Regierung hervor, gezielte Umschulung­en in Betrieben zu unterstütz­en. Wichtig seien auch Prävention­smaßnahmen bezüglich der Gesundheit­spolitik am Arbeitspla­tz. Ältere Arbeitslos­e haben oftmals Gebrechen, die ihre Stellensuc­he zusätzlich erschweren.

Den Hartz-IV-Vergleich der geplanten Arbeitsmar­ktreformen der türkis-blauen Koalition scheuen die Ökonomen. Man müsse auf die konkrete Ausgestalt­ung warten. In Deutschlan­d ist jedenfalls gelungen, dass weniger Menschen langzeitar­beitslos wurden, erklärt IHS-Arbeitsmar­ktexperte Helmut Hofer. Bereits Betroffene zu vermitteln hat hingegen kaum funktionie­rt.

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