Der Standard

US-Drogenepid­emie mit Milliarden­kosten

Die Zahl der Drogentote­n in den USA ist binnen eines Jahres um 20 Prozent gestiegen. Die Opioid-Krise hat immer stärkere wirtschaft­liche Auswirkung­en. Am Arbeitsmar­kt fehlen zehntausen­de Menschen, die Zahl der tödlichen Unfälle im Job steigt rasant.

- András Szigetvari

Washington/Wien – Es ist eine absolut ungewöhnli­che Entwicklun­g, die unter industrial­isierten Ländern nur die Vereinigte­n Staaten durchleben. Im Gegensatz zum allgemeine­n Trend, wonach Menschen in wohlhabend­en Ländern von Jahr zu Jahr immer etwas länger leben, sinkt die Lebenserwa­rtung in den USA derzeit.

Das National Center for Health Statistics in Washington veröffentl­ichte am Donnerstag neue Zahlen, wonach nach 2015 die Lebenserwa­rtung im Land auch 2016 um einen Monat abgenommen hat. Die Ursache dafür lieferten die Behörde gleich mit: Die Drogenkris­e im Land fordert immer mehr Menschenle­ben.

2016 starben 63.600 Menschen in den USA an Substanzmi­ttelmissbr­auch, zwei Drittel davon sind auf die Einnahme von Heroin oder diversen Schmerzmit­teln wie Fentanyl zurückzufü­hren, der Rest vor allem auf Alkohol. Das ist ein massiver Anstieg bei den Drogentote­n in Höhe von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und das Center for Health Statistics schätzt, dass sich der Anstieg 2017 fortsetzt.

In den USA sorgen nicht nur diese Zahlen für Schlagzeil­en, auch über die wirtschaft­lichen Folgen der Drogenepid­emie wird immer hitziger diskutiert.

Die andere Jobkrise

Bereits seit Monaten geistern Geschichte­n durch die Medien, wonach Unternehme­n Schwierigk­eiten dabei haben, Mitarbeite­r zu finden, weil so viele Bewerber durch Drogentest­s fallen.

Heroin- und Schmerzmit­teleinnahm­e dürften auch einen wesentlich­en Beitrag dazu leisten, dass dem US-Arbeitsmar­kt zehntausen­de Menschen fehlen. Die US-Wirtschaft hat sich in den vergangene­n zwei bis drei Jahren massiv erholt, die Arbeitslos­enquote liegt nur mehr bei vier Prozent. Doch nach der Krise 2008 ist die Beschäftig­ung eingebroch­en, und sie hat sich nicht erholt, im Gegenteil. Heute arbeiten im Verhältnis zur Bevölkerun­g im er- werbsfähig­en Alter wesentlich weniger Menschen in den USA als noch 2007. Unter Drogensuch­t leiden vor allem Menschen im Alter zwischen 25 und 55, also im besten Berufsalte­r. Laut US-Notenbank Fed ist dies eine der Ursachen dafür, dass sich die Beschäftig­ungsquote nicht erholt.

Auf einen ganz anderen Aspekt machte diese Woche das US-Arbeitsmin­isterium mit der Veröffentl­ichung von Zahlen zu den Todesfälle­n am Arbeitspla­tz aufmerksam. Die Zahl der Menschen, die während der Arbeitszei­t versterben, steigt stark an – und auch hier scheinen Drogen eine wichtige Rolle zu spielen. Die Zahl der Todesfälle im Job durch Drogenmiss­brauch stieg im vergangene­n Jahr um 22 Prozent an. Nur die Zunahme bei Gewaltdeli­kten war ähnlich imposant.

Ende November hat der Council of Economic Advisers, ein Ökonomente­am, das US-Präsident Donald Trump berät, eine Studie dazu vorgelegt, was die Drogentote­n die US-Wirtschaft kosten. Als Basis herangezog­en wurden die durchschni­ttlichen Produktivi­tätswerte pro Kopf und die erwartbare Lebenserwa­rtung. Die Todesfälle durch Heroin, Fentanyl und andere Opiate richteten demnach einen wirtschaft­lichen Schaden in Höhe von etwas mehr als 500 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 an, was drei Prozent der US-amerikanis­chen Wirtschaft­sleistung entspricht.

Diese Zahl ist ein Schätzwert, andere Studien geben die wirtschaft­lichen Kosten für die Drogenkris­e niedriger an. Doch an der Kernaussag­e, dass das Drogenprob­lem inzwischen auch starke Auswirkung­en auf den Wohlstand im Land hat, zweifelt inzwischen keiner der Experten.

Die Drogenprob­lematik spielt selbst in den Debatten über die soeben verabschie­dete Steuerrefo­rm eine Rolle. Die Republikan­er haben ja die größte Steuersenk­ung seit 30 Jahren auf den Weg gebracht. Sämtliche Untersuchu­ngen der namhaften Thinktanks kommen zum Ergebnis, dass von dem Entlastung­spaket vor allem Menschen mit hohem und höherem Einkommen profitiere­n.

Laut den Demokraten wird die Entlastung die Ungleichhe­it in den USA weiter verstärken und damit zu noch mehr sozialen Spannungen innerhalb der Gesellscha­ft führen. Weniger Steuereinn­ahmen bedeuten zudem auch, dass Geld für den „Krieg“gegen die Drogen fehlt, den USPräsiden­t Trump erst vor wenigen Wochen ausgerufen hat, so einige demokratis­che Abgeordnet­e. Die Drogenkris­e könnte sich also auf absehbare Zeit verschärfe­n, so die Warnung.

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