Viele Frauen und trotzdem nicht neu
Halbe-halbe in der Regierung ändert nichts daran: Das Programm bleibt konservativ
Aus frauenbewusster Sicht ist es gut, dass sich Sebastian Kurz über die innerparteilichen und innerbündischen Zwänge der ÖVP hinweggesetzt und vorgegeben hat, die Hälfte seines Regierungsteams müsse weiblich sein. Das geschah dann auch so und setzte ebenso die FPÖ offenbar unter Zugzwang: Immerhin drei von sieben blauen Regierungsmitgliedern sind weiblich, auch die Dritte Nationalratspräsidentin ist eine Frau. Das macht das Präsidium der Volksvertretung überwiegend weiblich.
Man soll den Effekt, den diese Präsenz von Frauen haben wird, nicht unterschätzen. Bald 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts in Österreich ist es noch immer nicht selbstverständlich, dass Frauen die Hälfte des öffentlichen Raums in Anspruch nehmen, an wichtigen Positionen sitzen, ihre Standpunkte kundtun und sicht- und hörbar sind. Das sieht man an den zutiefst persönlichen Anfeindungen in den sozialen Netzwerken, denen Politikerinnen, vor allem der Grünen und der SPÖ, immer wieder ausgesetzt sind. Wer ein wenig öffentliche Fachdiskussionen in diversen Medien mitverfolgt, stellt überdies fest: Der Trend zu Ein-Frau- oder gar Keine-Frauen-Talkrunden ist ungebrochen stark. Insofern: Viele Frauen in einer Regierung ist prinzipiell gut. us frauenpolitischer Sicht hat es sich damit aber auch schon mit den positiven Aspekten der türkis-blauen Koalition. Feministisch betrachtet ist das Programm trostlos. Daran haben auch die Regierungsverhandlerinnen auf beiden Seiten nichts geändert. Es fängt schon bei der Präambel an. Da wird „die Familie als Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern“als „natürliche Keimzelle“der Gesellschaft beschworen, als ob es keine anderen Formen des Zusammenlebens mit Kindern gäbe und als ob dies der Verfassungsgerichtshof nicht längst als Normalität festgeschrieben hätte. Die Regierung sorgt sich um die „bessere Unterstützung von Schwangeren“, was schon insofern alarmierend klingt, als es in beiden Parteien schon in der Vergangenheit Bestrebungen gab, die Fristenlösung aufzubrechen. Für Alleinerzieherinnen wird dagegen nur vage von Verbesserungen gesprochen, etwa beim Familienbonus.
Eine Idee von „Frau sein“abseits der Familie existiert in diesem Programm
Anicht. Weder findet sich im Bildungsprogramm ein Passus zur Mädchenförderung noch im Kapitel Arbeit etwas über Frauen in der Arbeitswelt, geschweige denn Quotenregelungen, irgendwo. Ohne Quoten, das ist mittlerweile auch unter europäischen konservativen Politikerinnen State of the Art, geht es aber leider nicht. Keine Quote, keine Frauen an der Spitze.
Stattdessen wird mehrfach die „Besonderheit“von Mann und Frau unterstrichen, die „Einzigartigkeit“beider Geschlechter. Das klingt prinzipiell schön, betoniert aber die alten Rollenklischees ein: hier die Frau, Nährmut-
Man schrieb das Jahr 2003, als der Intendant der Salzburger Festspiele Peter Ruzicka Mut bewies: Er engagierte einen unbekannten Regisseur und betraute diesen mit der Inszenierung von Mozarts Entführung aus dem Serail. Stefan Herheim ließ den Klassiker als turbulente Abhandlung über die Untiefen menschlicher Beziehungen explodieren. Er dehnte Szenen, er extrapolierte Pointen, und er bescherte Salzburg einen schönen Skandal.
Nun war der 1970 in Oslo geborene Norweger alles andere als ein Regiespekulant, der durch deftige Werkdekonstruktion Aufmerksamkeitspunkte sammelte. Herheim, der sich als Cellist ausbilden ließ, war vielmehr seit jeher ein Besessener des Musiktheaters. Frühe Regieerfahrungen sammelte er bei sich selbst. Er initiierte sein eigenes Marionettentheater; später (1994 bis 1999) studierte er in Hamburg bei Götz Friedrich und schloss die Ausbildung mit einer Zauberflöten- Inszenierung ab.
Herheim, der zu Recht nicht auf einen speziellen Stil festgelegt werden möchte, nimmt die Oper als offenes Kunstwerk ernst. Er baut mitunter zwar mehr gute Ideen ein, als eine Inszenierung zu verdauen vermag. Als assoziativer Regisseur, der die Energie und den Atem der Musik aufnimmt, ter der Familie, für die man (noch immer) „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“schaffen muss. Der Mann hat damit nur am Rande zu tun.
Feindbilder bedient die Passage, dass man Österreichs Frauen vor „importierter“sexueller Gewalt schützen müsse. Als ob das nicht einerseits selbstverständlich wäre und als ob nicht andererseits der weit überwiegende Anteil der Gewalttaten an Frauen im familiären Umfeld passierte.
„Neues“Regieren wird am Thema Frauen nicht sichtbar. Was man liest, klingt altbekannt und konservativ – zum Teil sogar stockkonservativ. lässt er seine Inszenierungen jedoch in der Regel fantasievoll abheben. „Man hat ja immer ein Bild vom Stück, das mehr mit der Rezeptionsgeschichte zu tun hat als mit dem Stück selbst“, so Herheim.
„Ich versuche mich davon freizumachen, in die Partitur einzutauchen, zu sehen, wo der Inhalt ist.“Die Handlung kenne ja „jeder, das ist das Äußerliche. Aber die Handlung ist doch nie der Inhalt.“Herheim sucht ihn tiefer: „Ich versuche aus der Dynamik der Partitur heraus zu theatralisieren.“
Die Vieldeutigkeit der Musik wird bei ihm dabei zur Legitimation jener Freiheit, die er sich nimmt – ob er nun in Bayreuth Parsifal inszeniert oder in Bregenz Hoffmanns Erzählungen. Peinlicherweise hat Herheim noch nie an der Wiener Staatsoper gearbeitet.
Tja. 2022 kommt Herheim eben ans Theater an der Wien, was sehr zu begrüßen ist. Mit seiner Ausrichtung als mutiges Haus der mitunter neuen Sichtweisen passt es ideal zum Norweger. Als impulsiver Regisseur wird er zwar auch Administratives zu erledigen haben, aber Herheim scheint gewappnet: „Opernhäuser waren zwar immer meine Tempel, aber man muss ins reale Leben zurückkehren können, um Ideen zu sammeln und um nicht auszubrennen.“