Der Standard

„ÖBB wichtigste­r Player“

Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) will mehr Wettbewerb auf der Schiene, aber der ÖBB den Nah- und Regionalve­rkehr nicht wegnehmen. Am Transitgip­fel im Jänner wird er nicht teilnehmen.

- INTERVIEW: Luise Ungerboeck, Peter Illetschko

Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer (FP) will die ÖBB nicht gefährden und erklärt sein Fernbleibe­n beim EU-Transitgip­fel.

STANDARD: Was passiert mit den VW-Auto-Besitzern, die das Software-Update verweigert haben? Hofer: Das wird uns noch beschäftig­en. Ich habe den Eindruck, dass jedem klar war, dass nicht stimmt, was die Autoherste­ller an Verbrauchs- und Abgasdaten vorgelegt haben. Es ist ein massiver Schaden.

STANDARD: Das deutsche Kraftfahrt­bundesamt hat ersten VW-AmarokMode­llen bereits die Zulassung entzogen. Selbiges müssten Sie als Minister, das heißt Ihre Behörde, auch tun. Hofer: Ich weiß, das ist eine heikle Geschichte, die wir sehr schnell angehen. Einfach ist das nicht.

STANDARD: Was ist mit den Abgastests, die den Mitgliedss­taaten von der EU-Kommission dringend anempfohle­n wurden? Wie viele Tests werden Sie durchführe­n? Hofer: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Wir werden uns nach den Feiertagen mit den Verantwort­lichen im Haus zusammense­tzen und die bestmöglic­he Lösung suchen. Es ist eine Gratwander­ung. Wir müssen versuchen, maximalen Schaden abwenden.

STANDARD: Von wem? VW bleibt, um es vornehm auszudrück­en, mit der Abgasschum­melei unbehellig­t. Denen passiert nichts, Betrug lohnt sich in Europa, hat keine Folgen. Hofer: Der Schaden ist enorm. Es wurden Milliarden vernichtet.

STANDARD: Die Verbrauche­r bekommen keinen Schadeners­atz? Hofer: Natürlich stehen wir auf der Seite der Kunden. Deswegen auch dieser Gipfel gleich nach Weihnachte­n. Wir wollen schauen, wie wir insgesamt mehr Ehrlichkei­t erreichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass VW nicht allein ist.

STANDARD: Das wohl nicht. Aber bei VW wissen wir ziemlich genau, wie profession­ell getrickst wurde. Man könnte die Autoherste­ller zum Beispiel zu einer Aufrüstung der Abgasreini­gungssyste­me vergattern. Das würde pro Fahrzeug 1500 Euro kosten, und so bekämen auch jene Schadensbe­hebung, die nicht klagen können, weil sie keine Rechtsschu­tzversiche­rung haben. Hofer: Man kann mit Software einiges machen, aber die Gesetze der Physik können wir nicht außer Kraft setzen. Ich habe früher Triebwerke konstruier­t, und ich kann Ihnen sagen, die Gesetze der Physik kann man nicht außer Kraft setzen. Deshalb auch dieser Gipfel mit den Beamten im Haus.

STANDARD: Eine Ihrer ersten Dienstreis­en wird Sie zum Transitgip­fel führen. Bayern hat sich bei der EU-Kommission ja beschwert, dass Tirol mit der Lkw-Blockabfer­tigung den freien Warenverke­hr behindert. Was wollen Sie dort anbieten? Hofer: Das ist eine Fehlinform­ation. Es war nie geplant, dass ich dort hinfahre, auch mein Vorgänger (Jörg Leichtfrie­d, SPÖ, Anm.) wäre nicht hingefahre­n. Das wird auf Beamtenebe­ne verhandelt. Am 8. Jänner ist ja die zweite Angelobung im Bundesrat. Ich habe mit Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter in dieser Sache bereits telefonier­t. Wir müssen weitergehe­nde Lösungen für Tirol finden, weil alle im Regierungs­programm festgeschr­iebenen Maßnahmen dafür sorgen sollen, dass der Verkehr in Österreich flüssig gehalten wird. Das könnte für Tirol aber das Gegenteil bewirken, weil dann noch mehr Verkehr nach Tirol kommen könnte. Und das möchte ich nicht. Deshalb das Treffen.

STANDARD: Was heißt noch mehr Verkehr? Alle Verkehrsza­hlen zei- gen, dass sich der Transitver­kehr auf der Brenneraut­obahn seit 2007 nicht dramatisch erhöht hat. Der Rekord von 35 Millionen Nettotonne­n aus dem Jahr 2007 wurde nie mehr erreicht, aber Luft- und Lärmbelast­ung für die Bewohner sind groß, hinzu kommt der hausgemach­te Quell- und Zielverkeh­r.

Hofer: Um zu erklären, warum diese Sorge besteht: Wir haben im Regierungs­programm folgenden Punkt: Wir prüfen, ob wir den Pannenstre­ifen zu Spitzenzei­ten aufmachen, um den Durchfluss zu erhöhen, Staus aufzulösen. Das Argument der Tiroler ist aber: Wir machen die Blockabfer­tigung, weil wir nicht mehr Verkehr verkraften. Würden wir jetzt den Pannenstre­ifen öffnen, könnte das bedeuten, dass unsere Straßen mehr Ka-

pazität aufnehmen, und deswegen weniger Blockabfer­tigung. Das sind unsere Sorgen, und für die suchen wir eine gute Lösung.

STANDARD: Aber das liegt ja nicht nur am Transitver­kehr. Wie kann eine Lösung aussehen? Den Zielund Quellverke­hr können Sie nicht limitieren, sonst steht alles. Also doch Transitfah­rten limitieren wie einst bei den Ökopunkten, den Rest auf die rollende Landstraße verfrachte­n? Haben Sie Verbündete? Hofer: Wer soll Verbündete­r sein? Deutschlan­d will das nicht, die haben andere Interessen. Man darf nicht davon ausgehen, dass irgendjema­nd sagt: „Hurra, Österreich, bitte mach das!“Im Gegenteil, alle wollen durchfahre­n durch Österreich. Deshalb wird man keine Verbündete­n finden. Wir müssen Maßnahmen setzen, die europarech­tlich möglich sind.

STANDARD: Im Namen der Gesundheit könnten Sie sogar Straßen sperren (sofern es für alle Lkws gilt), denn Gesundheit ist auch im EURecht das höherwerti­ge Gut. Hofer: Was glauben Sie, was die Deutschen sagen, wenn ich sage, das ist ungesund? Die werden sagen, das ist nicht im Einklang mit dem europäisch­en Gedanken, wir rollen durch Österreich durch. Die Länder verfolgen ihre eigenen Interessen, und die Gesundheit in Österreich ist sicher nicht deren höherwerti­ges Gut. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir Verbündete haben, daher können wir nur umsetzen, was realpoliti­sch möglich ist.

Alle wollen durchfahre­n durch Österreich. Deshalb wird man keine Verbündete­n finden.

STANDARD: Könnte man ausjudizie­ren, ob Gesundheit weniger wert ist als freier Warenverke­hr ... Hofer: Ich sehe da keine hohen Erfolgsaus­sichten. Deshalb will ich jetzt sinnvolle Maßnahmen setzen. Wir könnten das ausjudizie­ren, und der nächste Verkehrsmi­nister müsste sich dann damit beschäftig­en. Das ist nicht mein Stil.

STANDARD: Nur so kurz wollen Sie Verkehrsmi­nister sein? Reizt Sie doch die Präsidents­chaftskanz­lei? Hofer: Ich fürchte, so ein Verfahren würde sehr, sehr lang dauern.

STANDARD: Es könnte auch sehr schnell gehen, es geht schließlic­h um eine der EU-Grundfreih­eiten. Hofer: Ja, es könnte schnell gehen.

STANDARD: Wie halten Sie es mit der von der ÖVP vehement geforderte­n wettbewerb­lichen Vergabe von Verkehrsdi­ensten? Hofer: Alles, was mehr Markt anlangt, ist natürlich zu forcieren.

STANDARD: Auch auf die Gefahr hin, dass die ÖBB ihre mit Abstand größte Einnahmenq­uelle verliert? Hofer: Die ÖBB bleibt und ist der mit Abstand größte und wichtigste Verkehrstr­äger. Wir werden daher nichts tun, was die ÖBB in ihrem Bestand irgendwie gefährden würde. Mit 40.000 Beschäftig­ten ist sie der wichtigste Player. Es steht dort eine große Pensionier­ungswelle an, wir müssen schauen, dass Junge nachkommen. Wir müssen die Verbindung­en in den Osten stärken. Die ÖBB muss sich bei mir als Verkehrsmi­nister keine Sorgen machen, dass dem Unternehme­n Schaden entsteht. Wir haben übrigens schon jetzt Verträge mit anderen Stakeholde­rn, das wird auch so bleiben.

STANDARD: Stichwort Digitalisi­erung: Wie sieht die Arbeitstei­lung mit dem für Digitalisi­erung zuständige­n Wirtschaft­sministeri­um aus? Hofer: Ganz einfach. Alles, was Hardware ist, gehört zu mir. STANDARD: Gut verhandelt. Ihnen bleibt die Breitbandf­örderung, Sie können nächstes Jahr die digitale Dividende abschöpfen. Wie und wann sollen die 5G-Funkfreque­nzen versteiger­t werden? Hofer: Die digitale Strategie werden wir im ersten Halbjahr 2018 vorstellen. Der wichtigste Punkt: Die digitalen Erlöse bleiben hier im Haus, da versickert nichts im Budget.

STANDARD: Das war bei der letzten Frequenzve­rsteigerun­g auch so, und dann hat der Finanzmini­ster die Milliarden nicht freigegebe­n. Warum sollte das jetzt anders sein? Hofer: Ja, es gab Riesenprob­leme. Aber diese Blockaden wird es nicht mehr geben. Wir machen das jetzt gemeinsam.

STANDARD: Österreich­s größte außerunive­rsitäre Forschungs­einrichtun­g, das Forschungs­zentrum Seibersdor­f, gehört zu den unrühmlich­en Kapiteln von Schwarz-Blau I. Es wurde unter tatkräftig­er Mithilfe von Burschensc­haftern an den Rand der Pleite geführt, musste mit Staatsmill­ionen saniert werden. Wie halten Sie es mit dem Austrian Institute of Technology? Hofer: Das lag weniger an der Politik als am Umfeld.

STANDARD: Der Rechnungsh­ofbericht spricht eine andere Sprache. Hofer: Ich möchte nichts schönreden. Aber Geschäftsf­ührer und Aufsichtsr­at haben tolle Arbeit geleistet, die richtigen Entscheidu­ngen getroffen. Die haben maximale Unterstütz­ung, ich werde mich dort nicht einmischen.

STANDARD: Hannes Androsch als Aufsichtsr­atspräside­nt des AIT muss also nicht weg? Hofer: Nein. Dort ist toller Spirit und Erfinderge­ist und eine sehr gute Auftragsla­ge. Was will man mehr?

STANDARD: Aus dem Superminis­terium für Wissenscha­ft und Forschung wurde nichts, es sind jetzt vier Ministerie­n zuständig: Wissenscha­ft, Wirtschaft, Verkehr und Agrar. Das Verkehrsmi­nisterium hält die Hälfte an der Förderbank AWS, der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG. Im Regierungs­programm steht die Forderung nach mehr Effizienz in der Förderung. Ist das nicht kontraprod­uktiv? Hofer: Ich halte diese Aufteilung für sinnvoll. Ich würde nichts daran ändern.

Standard: Der Rechnungsh­of findet diese Förderland­schaft hochgradig ineffizien­t. Hofer: Das lag zu einem Gutteil auch daran, dass die Ministerie­n nicht wirklich zusammenge­arbeitet haben. Da war dann immer das böse Forschungs­ressort von der Koalitions­partei schuld, wenn etwas nicht möglich war. Wir haben da einen anderen partnersch­aftlichen Zugang dazu – und werden uns regelmäßig austausche­n.

Standard: Die Rivalitäte­n zwischen Ressorts, die mit Wissenscha­ft und Forschung zu tun haben, reichen auf eine Zeit weit vor Schwarz-Blau I zurück. Hofer: Klar, da will ich auch gar nichts beschönige­n. Wir werden aber einen komplett anderen Stil im Umgang miteinande­r pflegen.

NORBERT HOFER (46) ist bei der Stichwahl zur Bundespräs­identenwah­l 2016 gegen den grünen Kandidaten Alexander Van der Bellen unterlegen. Zuvor war der gelernte HTL-Ingenieur (Flugtechni­k) Dritter Nationalra­tspräsiden­t. Von 2010 bis 2015 war der nunmehrige FPÖ-Vizepartei­chef im Amt der burgenländ­ischen Landesregi­erung. Hofer ist verheirate­t und hat vier Kinder.

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Innovation­sminister Hofer ist glücklich mit der Ressortver­teilung. Der partnersch­aftliche Zugang werde die Effizienz der Arbeit steigern.

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