„ÖBB wichtigster Player“
Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) will mehr Wettbewerb auf der Schiene, aber der ÖBB den Nah- und Regionalverkehr nicht wegnehmen. Am Transitgipfel im Jänner wird er nicht teilnehmen.
Infrastrukturminister Norbert Hofer (FP) will die ÖBB nicht gefährden und erklärt sein Fernbleiben beim EU-Transitgipfel.
STANDARD: Was passiert mit den VW-Auto-Besitzern, die das Software-Update verweigert haben? Hofer: Das wird uns noch beschäftigen. Ich habe den Eindruck, dass jedem klar war, dass nicht stimmt, was die Autohersteller an Verbrauchs- und Abgasdaten vorgelegt haben. Es ist ein massiver Schaden.
STANDARD: Das deutsche Kraftfahrtbundesamt hat ersten VW-AmarokModellen bereits die Zulassung entzogen. Selbiges müssten Sie als Minister, das heißt Ihre Behörde, auch tun. Hofer: Ich weiß, das ist eine heikle Geschichte, die wir sehr schnell angehen. Einfach ist das nicht.
STANDARD: Was ist mit den Abgastests, die den Mitgliedsstaaten von der EU-Kommission dringend anempfohlen wurden? Wie viele Tests werden Sie durchführen? Hofer: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Wir werden uns nach den Feiertagen mit den Verantwortlichen im Haus zusammensetzen und die bestmögliche Lösung suchen. Es ist eine Gratwanderung. Wir müssen versuchen, maximalen Schaden abwenden.
STANDARD: Von wem? VW bleibt, um es vornehm auszudrücken, mit der Abgasschummelei unbehelligt. Denen passiert nichts, Betrug lohnt sich in Europa, hat keine Folgen. Hofer: Der Schaden ist enorm. Es wurden Milliarden vernichtet.
STANDARD: Die Verbraucher bekommen keinen Schadenersatz? Hofer: Natürlich stehen wir auf der Seite der Kunden. Deswegen auch dieser Gipfel gleich nach Weihnachten. Wir wollen schauen, wie wir insgesamt mehr Ehrlichkeit erreichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass VW nicht allein ist.
STANDARD: Das wohl nicht. Aber bei VW wissen wir ziemlich genau, wie professionell getrickst wurde. Man könnte die Autohersteller zum Beispiel zu einer Aufrüstung der Abgasreinigungssysteme vergattern. Das würde pro Fahrzeug 1500 Euro kosten, und so bekämen auch jene Schadensbehebung, die nicht klagen können, weil sie keine Rechtsschutzversicherung haben. Hofer: Man kann mit Software einiges machen, aber die Gesetze der Physik können wir nicht außer Kraft setzen. Ich habe früher Triebwerke konstruiert, und ich kann Ihnen sagen, die Gesetze der Physik kann man nicht außer Kraft setzen. Deshalb auch dieser Gipfel mit den Beamten im Haus.
STANDARD: Eine Ihrer ersten Dienstreisen wird Sie zum Transitgipfel führen. Bayern hat sich bei der EU-Kommission ja beschwert, dass Tirol mit der Lkw-Blockabfertigung den freien Warenverkehr behindert. Was wollen Sie dort anbieten? Hofer: Das ist eine Fehlinformation. Es war nie geplant, dass ich dort hinfahre, auch mein Vorgänger (Jörg Leichtfried, SPÖ, Anm.) wäre nicht hingefahren. Das wird auf Beamtenebene verhandelt. Am 8. Jänner ist ja die zweite Angelobung im Bundesrat. Ich habe mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter in dieser Sache bereits telefoniert. Wir müssen weitergehende Lösungen für Tirol finden, weil alle im Regierungsprogramm festgeschriebenen Maßnahmen dafür sorgen sollen, dass der Verkehr in Österreich flüssig gehalten wird. Das könnte für Tirol aber das Gegenteil bewirken, weil dann noch mehr Verkehr nach Tirol kommen könnte. Und das möchte ich nicht. Deshalb das Treffen.
STANDARD: Was heißt noch mehr Verkehr? Alle Verkehrszahlen zei- gen, dass sich der Transitverkehr auf der Brennerautobahn seit 2007 nicht dramatisch erhöht hat. Der Rekord von 35 Millionen Nettotonnen aus dem Jahr 2007 wurde nie mehr erreicht, aber Luft- und Lärmbelastung für die Bewohner sind groß, hinzu kommt der hausgemachte Quell- und Zielverkehr.
Hofer: Um zu erklären, warum diese Sorge besteht: Wir haben im Regierungsprogramm folgenden Punkt: Wir prüfen, ob wir den Pannenstreifen zu Spitzenzeiten aufmachen, um den Durchfluss zu erhöhen, Staus aufzulösen. Das Argument der Tiroler ist aber: Wir machen die Blockabfertigung, weil wir nicht mehr Verkehr verkraften. Würden wir jetzt den Pannenstreifen öffnen, könnte das bedeuten, dass unsere Straßen mehr Ka-
pazität aufnehmen, und deswegen weniger Blockabfertigung. Das sind unsere Sorgen, und für die suchen wir eine gute Lösung.
STANDARD: Aber das liegt ja nicht nur am Transitverkehr. Wie kann eine Lösung aussehen? Den Zielund Quellverkehr können Sie nicht limitieren, sonst steht alles. Also doch Transitfahrten limitieren wie einst bei den Ökopunkten, den Rest auf die rollende Landstraße verfrachten? Haben Sie Verbündete? Hofer: Wer soll Verbündeter sein? Deutschland will das nicht, die haben andere Interessen. Man darf nicht davon ausgehen, dass irgendjemand sagt: „Hurra, Österreich, bitte mach das!“Im Gegenteil, alle wollen durchfahren durch Österreich. Deshalb wird man keine Verbündeten finden. Wir müssen Maßnahmen setzen, die europarechtlich möglich sind.
STANDARD: Im Namen der Gesundheit könnten Sie sogar Straßen sperren (sofern es für alle Lkws gilt), denn Gesundheit ist auch im EURecht das höherwertige Gut. Hofer: Was glauben Sie, was die Deutschen sagen, wenn ich sage, das ist ungesund? Die werden sagen, das ist nicht im Einklang mit dem europäischen Gedanken, wir rollen durch Österreich durch. Die Länder verfolgen ihre eigenen Interessen, und die Gesundheit in Österreich ist sicher nicht deren höherwertiges Gut. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir Verbündete haben, daher können wir nur umsetzen, was realpolitisch möglich ist.
Alle wollen durchfahren durch Österreich. Deshalb wird man keine Verbündeten finden.
STANDARD: Könnte man ausjudizieren, ob Gesundheit weniger wert ist als freier Warenverkehr ... Hofer: Ich sehe da keine hohen Erfolgsaussichten. Deshalb will ich jetzt sinnvolle Maßnahmen setzen. Wir könnten das ausjudizieren, und der nächste Verkehrsminister müsste sich dann damit beschäftigen. Das ist nicht mein Stil.
STANDARD: Nur so kurz wollen Sie Verkehrsminister sein? Reizt Sie doch die Präsidentschaftskanzlei? Hofer: Ich fürchte, so ein Verfahren würde sehr, sehr lang dauern.
STANDARD: Es könnte auch sehr schnell gehen, es geht schließlich um eine der EU-Grundfreiheiten. Hofer: Ja, es könnte schnell gehen.
STANDARD: Wie halten Sie es mit der von der ÖVP vehement geforderten wettbewerblichen Vergabe von Verkehrsdiensten? Hofer: Alles, was mehr Markt anlangt, ist natürlich zu forcieren.
STANDARD: Auch auf die Gefahr hin, dass die ÖBB ihre mit Abstand größte Einnahmenquelle verliert? Hofer: Die ÖBB bleibt und ist der mit Abstand größte und wichtigste Verkehrsträger. Wir werden daher nichts tun, was die ÖBB in ihrem Bestand irgendwie gefährden würde. Mit 40.000 Beschäftigten ist sie der wichtigste Player. Es steht dort eine große Pensionierungswelle an, wir müssen schauen, dass Junge nachkommen. Wir müssen die Verbindungen in den Osten stärken. Die ÖBB muss sich bei mir als Verkehrsminister keine Sorgen machen, dass dem Unternehmen Schaden entsteht. Wir haben übrigens schon jetzt Verträge mit anderen Stakeholdern, das wird auch so bleiben.
STANDARD: Stichwort Digitalisierung: Wie sieht die Arbeitsteilung mit dem für Digitalisierung zuständigen Wirtschaftsministerium aus? Hofer: Ganz einfach. Alles, was Hardware ist, gehört zu mir. STANDARD: Gut verhandelt. Ihnen bleibt die Breitbandförderung, Sie können nächstes Jahr die digitale Dividende abschöpfen. Wie und wann sollen die 5G-Funkfrequenzen versteigert werden? Hofer: Die digitale Strategie werden wir im ersten Halbjahr 2018 vorstellen. Der wichtigste Punkt: Die digitalen Erlöse bleiben hier im Haus, da versickert nichts im Budget.
STANDARD: Das war bei der letzten Frequenzversteigerung auch so, und dann hat der Finanzminister die Milliarden nicht freigegeben. Warum sollte das jetzt anders sein? Hofer: Ja, es gab Riesenprobleme. Aber diese Blockaden wird es nicht mehr geben. Wir machen das jetzt gemeinsam.
STANDARD: Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung, das Forschungszentrum Seibersdorf, gehört zu den unrühmlichen Kapiteln von Schwarz-Blau I. Es wurde unter tatkräftiger Mithilfe von Burschenschaftern an den Rand der Pleite geführt, musste mit Staatsmillionen saniert werden. Wie halten Sie es mit dem Austrian Institute of Technology? Hofer: Das lag weniger an der Politik als am Umfeld.
STANDARD: Der Rechnungshofbericht spricht eine andere Sprache. Hofer: Ich möchte nichts schönreden. Aber Geschäftsführer und Aufsichtsrat haben tolle Arbeit geleistet, die richtigen Entscheidungen getroffen. Die haben maximale Unterstützung, ich werde mich dort nicht einmischen.
STANDARD: Hannes Androsch als Aufsichtsratspräsident des AIT muss also nicht weg? Hofer: Nein. Dort ist toller Spirit und Erfindergeist und eine sehr gute Auftragslage. Was will man mehr?
STANDARD: Aus dem Superministerium für Wissenschaft und Forschung wurde nichts, es sind jetzt vier Ministerien zuständig: Wissenschaft, Wirtschaft, Verkehr und Agrar. Das Verkehrsministerium hält die Hälfte an der Förderbank AWS, der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Im Regierungsprogramm steht die Forderung nach mehr Effizienz in der Förderung. Ist das nicht kontraproduktiv? Hofer: Ich halte diese Aufteilung für sinnvoll. Ich würde nichts daran ändern.
Standard: Der Rechnungshof findet diese Förderlandschaft hochgradig ineffizient. Hofer: Das lag zu einem Gutteil auch daran, dass die Ministerien nicht wirklich zusammengearbeitet haben. Da war dann immer das böse Forschungsressort von der Koalitionspartei schuld, wenn etwas nicht möglich war. Wir haben da einen anderen partnerschaftlichen Zugang dazu – und werden uns regelmäßig austauschen.
Standard: Die Rivalitäten zwischen Ressorts, die mit Wissenschaft und Forschung zu tun haben, reichen auf eine Zeit weit vor Schwarz-Blau I zurück. Hofer: Klar, da will ich auch gar nichts beschönigen. Wir werden aber einen komplett anderen Stil im Umgang miteinander pflegen.
NORBERT HOFER (46) ist bei der Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl 2016 gegen den grünen Kandidaten Alexander Van der Bellen unterlegen. Zuvor war der gelernte HTL-Ingenieur (Flugtechnik) Dritter Nationalratspräsident. Von 2010 bis 2015 war der nunmehrige FPÖ-Vizeparteichef im Amt der burgenländischen Landesregierung. Hofer ist verheiratet und hat vier Kinder.