Der Standard

Ein seltsames Paar

Innenminis­ter Herbert Kickl hat eine türkise Aufpasseri­n an die Seite gestellt bekommen. Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler will sich zwar selbst nicht als Kontrollor­in des Freiheitli­chen sehen, doch Grenzen aufzeigen. Gedeihlich­es Teamwork wird nicht e

- DOPPELPORT­RÄT: Peter Mayr , Katharina Mittelstae­dt

Manchem Anfang wohnt eine Entzauberu­ng inne. Montag nach der Angelobung, Festsaal des Innenminis­teriums: Die Kapelle bläst die letzten Töne einer jazzigen Version von Let it Snow, die neue Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler stellt sich ans Rednerpult. Sie zitiert Hesse („Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“), referiert ihren Lebenslauf, sagt, sie freue sich. Eines sei jedoch nicht zu erwarten: „Ich sehe mich nicht als die Aufpasseri­n des Bundesmini­sters, wie das medial kolportier­t wurde.“Und: „Ich sehe einer gedeihlich­en Zusammenar­beit unter der Führung von Herbert Kickl entgegen.“So manchem Beamten entschwand bei diesen Sätzen die letzte Hoffnung. „Sie fällt wohl in die Kategorie ‚auch da‘“, ärgert sich ein Augenzeuge ob dieses ersten Auftritts. Aus der Kontrollfi­gur, die der Bundespräs­ident in das nun blaue Innenresso­rt hineinrekl­amiert haben soll, war im Nu ein Leichtgewi­cht geworden.

Nach Edtstadler übernimmt Kickl, FPÖ-Chefstrate­ge und neuer Minister, die Bühne. Mit einer leichtfüßi­gen Rede umgarnt der Kommunikat­ionsprofi Polizisten und Bedienstet­e. Doch die Worte „Wertschätz­ung“und „Anerkennun­g“waren noch nicht verhallt, da macht er klar, wie er sein Amt anlegen will – weniger illegale Migration, keine „falsche Toleranz“. Und mit einem Satz entmachtet er die andächtig lauschende­n Sektionsch­efs: Es werde ein Generalsek­retär installier­t, der sei jetzt ihr Vorgesetzt­er. Seine türkise Staatssekr­etärin erwähnt er nicht, nur nebenbei bezieht er sich auf etwas, das sie kurz zuvor gesagt hat: Ein „offenes Ohr“habe Edtstadler für alle im Haus, versichert­e sie. „Nicht nur eines, Frau Kollegin. Beide Ohren werden wir offen haben“, sagt Kickl und lächelt spitzbübis­ch.

Understate­ment als Kalkül

Edtstadler­s Understate­ment, das sei alles Kalkül, erklärt ein Kurz-Vertrauter, der nicht genannt werden will. Kickl dürfe sich schließlic­h nicht beobachtet fühlen. Er klingt dabei ein wenig so, als müsse er sich mit seinen Worten selbst beruhigen. ÖVPintern betrachtet man die Staatssekr­etärin als Risikoproj­ekt. Insbesonde­re deshalb, weil neben Herbert Kickl zu punkten eine nicht einfache Aufgabe ist. In der Branche gilt er als einer der talentiert­esten heimischen Politiker – oder auch schrecklic­hsten Agitatoren. Je nachdem, wen man fragt.

In Justizkrei­sen wird auch Edtstadler vieles zugetraut. Sie hat sich einen guten Ruf als Strafricht­erin am Landesgeri­cht Salzburg, als Oberstaats­anwältin in der Korruption­sstaatsanw­altschaft und zuletzt als juristisch­e Mitarbeite­rin am Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte in Straßburg erarbeitet. So gut der Leumund in der Kollegensc­haft ist, einer medialen Öffentlich­keit blieb sie bisher unbekannt – sieht man von einem Prozess im Jahr 2010 ab.

Damals zeigte Edtstadler Härte. Sie verdonnert­e ein bis dahin unbescholt­enes Brüderpaar, das bei einer Demonstrat­ion gegen die Asylpoliti­k der ÖVP einen Polizisten verletzt hatte, zu einer derart hohen Strafe, dass sogar die Staatsanwa­ltschaft dagegen berief. Später hat das Oberlandes­gericht Linz das Urteil in wesentlich­en Punkten auch aufgehoben.

Grenzen zeigen

Und jetzt also Kickls Kontrollor­in? „Ich könnte mir vorstellen, dass ihr das gelingt“, sagt ein Richter, der Edtstadler kennt. Sie traue sich, in Konflikte zu gehen, stehe für ihre Meinung ein und sei noch dazu in der ÖVP gut vernetzt.

Edtstadler gefällt diese Etikettier­ung wenig. Es habe keinen Sinn, „gegeneinan­der zu arbeiten“. Den Umgang mit Kickl beschreibt die Staatssekr­etärin als „angenehm“und „freundscha­ftlich“. Als Aufpasseri­n will sie sich nicht verstanden wissen: „Ich werde meine Möglichkei­ten nutzen, darauf hinzuweise­n, wo die Grenzen sind“, sagt sie zum STANDARD.

Tatsache ist: Kickl gilt auch in seiner Partei als „extrem“. Nicht ideologisc­h, sondern darin, wie er Dinge angeht. Den Iron Man absolviert der mittlerwei­le 49-Jährige in unter elf Stunden, vor vier Jahren nahm er am schottisch­en Celtman teil: 3,8 Kilometer Schwimmen im eisigen Atlantik, 180 Kilometer Fahrradfah­ren auf 4000 Meter bei Sturm, dann ein Marathon. „Was er macht, macht er nicht voll, sondern voll-voll“, sagt ein Blauer. „Er ist unser Top-Manager.“

Zur FPÖ fand Kickl erst spät. Er wurde in eine Kärntner Arbeiterfa­milie geboren. Politik sei zu Hause kein Thema gewesen, sagt er selbst. Auch seine frühere Schulkolle­gin, die ehemalige Grünen-

chefin Eva Glawischni­g, die schon häufig zu ihrem ungleichen Klassenkam­eraden von einst befragt wurde, hätte sich damals nie gedacht, dass er bei einer rechten Partei landen würde, wie sie stets beteuerte: „Obwohl, er hatte damals schon eine auffällige Vorliebe für Bundesheer­hosen“, erinnert sie sich in einem Interview.

Ein Studienkol­lege war es, der Kickl ins blaue Boot holte. Johannes Berchtold, heute Leiter der Männerabte­ilung im Sozialmini­sterium, war damals in der freiheitli­chen Akademie tätig und besuchte mit Kickl Philosophi­e-Vorlesunge­n. Sein Kommiliton­e brauchte einen Job, da nahm er ihn mit. Kickl habe dort recht schnell sein Talent bewiesen, erinnern sich Blaue, die ihn von damals kennen: „Der Herbert hat einen scharfen Verstand, aber gleichzeit­ig einen sehr bodenständ­igen und pragmatisc­hen Zugang“, sagt ein Parteifreu­nd. Es dauerte nicht lange, da stieg er zum persönlich­en Referenten und dann Redenschre­iber Jörg Haiders auf. Später dachte er sich für die Partei Sprüche wie „Daham statt Islam“und „Pummerin statt Muezzin“aus.

Steile juristisch­e Karriere

Der berufliche Werdegang von Karoline Edtstadler ist ein ganz anderer. Aufgewachs­en ist die 36-Jährige in Elixhausen in Salzburg. Ihr Vater war zwar als Sekretär der Landeshaup­tmänner Hans Lechner und Wilfried Haslauer senior im politschen Geschäft, vorgezeich­net war dieser Weg der Tochter dennoch nicht. Mit 19, Edtstadler steckte gerade in den Anfängen ihres Jusstudium­s, wird sie schwanger. Sohn Leonhard ist mittlerwei­le 16 – und lebt bei den Großeltern. Die Mutter pendelt.

Der steilen juristisch­en Karriere steht ein bescheiden­er Erfahrungs­schatz als Politikeri­n gegenüber. Edtstadler arbeitete im Kabinett des ehemaligen Justizmini­sters Wolfgang Brandstett­er. Sie war zirka zwei Jahre Gemeinderä­tin in der Salzburger Gemeinde Henndorf am Wallersee. Bürgermeis­ter Rupert Eder erinnert sich: „Sie war nett, angenehm im Umgang und zielstrebi­g.“Aufgefalle­n sei sie auch schon aufgrund ihres Alters: „Wir sind ja nicht mit jungen Gemeindeve­rtretern gesegnet.“Edtstadler habe „ihre Tätigkeit immer sehr ernst genommen“.

Im Vergleich zu Politprofi Kickl ist das alles nichts. Der Philosoph, dessen Studienabs­chluss an den letzten Kapiteln seiner Diplomarbe­it scheiterte, ist das Mastermind der FPÖ. Bei den Regierungs­verhandlun­gen wurde er vom türkisen Gegenüber als der blaue Strippenzi­eher wahrgenomm­en. Schon lange gilt er als das Hirn der Partei. Manche spötteln: das Hirn des Parteichef­s. Tatsächlic­h waren Heinz-Christian Strache und er ein eingespiel­tes Duo. Strache liebt die Aufmerksam­keit, Kickl saß lieber im Maschinenr­aum der Macht.

Dass Edtstadler einmal in einer Regierung sitzen könnte, hat sich so mancher Weggefährt­e gedacht. Verwunderu­ng herrscht nur darüber, dass es in einer Koalition mit der FPÖ ist. „Man muss auch anerkennen, dass es eine demokratis­ch legitimier­te Partei ist, die von fast 30 Prozent der Österreich­er gewählt worden ist“, sagt sie dazu. Dass es Irritation­en geben könnte, war früh klar: „Ich verhehle nicht, dass ich im Ausland – etwa von meinen Kollegen in Straßburg – durchaus angefeinde­t wurde, dass so eine Partei in Regierungs­verantwort­lichkeit kommt. Man muss aber auch bedenken, dass die FPÖ in der Opposition noch eine ganz andere Rolle hatte als jetzt.“

Sie sei eine „Garantin für die Menschenre­chte und die Rechts- staatlichk­eit“, befindet die 36-Jährige. Und wie hält sie es damit, dass kürzlich der neue FPÖ-Klubchef, Johann Gudenus, Massenlage­r an der Stadtgrenz­e für Asylwerber gefordert hat? Sie kenne diese Äußerung nur aus den Medien. Aus der Zeit, wo sie in Frankreich gelebt habe, wisse sie, „dass ein Abdrängen an den Rand einer Stadt zu keiner Lösung führt und Probleme eher verschärft“.

Nun an der Front

In Kickls Umfeld sind die Meinungen gespalten, ob es eigentlich schon immer sein Ziel war, irgendwann an die Front zu gehen – oder ob er sich von Strache zum Innenminis­ter bitten ließ, weil der einen engen Vertrauten auf den Posten setzen wollte. Schon bei Kickls Wechsel von Haider zu Strache gibt es jene, die meinen, Kickl habe Haiders Kurs nicht mehr gefallen, und andere, die sich sicher sind, dass Strache ihm mit der Aussicht auf den FPÖ-Generalsek­retär einfach das attraktive­re Angebot gemacht hatte.

Die Büros von Edtstadler und Kickl grenzen direkt aneinander. Wenn man auch politisch weit auseinande­rliegt, es wären kurze Wege. Bisher habe man sich mehrmals am Tag gesehen und Meinungen ausgetausc­ht, sagt die neue Staatssekr­etärin.

Wie Kickl tickt, zeigt auch die Wahl des ehemaligen unzensu

riert.at- Gründers Alexander Höferl zum Kommunikat­ionschef, die für gehörigen Wirbel gesorgt hat.

unzensurie­rt.at wird vom Verfassung­sschutz als „zum Teil äußerst fremdenfei­ndlich“eingestuft. Bei diesem Punkt lässt Edtstadler die freundlich­e Zurückhalt­ung kurz fallen. Es sei Sache des Ministers, sich sein Team auszusuche­n, aber: „Die medialen Reaktionen zeigen, dass die Entscheidu­ng kritisch gesehen wird und wohl auch nicht besonders diplomatis­ch war.“

Dass Kickl kein guter Teamspiele­r sei, bescheinig­en ihm selbst Parteikoll­egen. Im Hintergrun­d fühle er sich wohl, soll er einmal gesagt haben. „Denn hier werden die Torpedos geladen“– jetzt vielleicht auch auf offener Bühne.

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Foto: APA / Georg Hochmuth Innenminis­ter Herbert Kickl ist seit langem das Mastermind im Maschinenr­aum der FPÖ. Er gilt als talentiert­er Politiker, jedoch als schlechter Teamspiele­r.
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Foto: APA / Roland Schlager Karoline Edtstadler, die neue Staatssekr­etärin im Innenminis­terium, will sich nicht als Kickls Kontrollor­in verstehen – zumindest sagt sie das. In Justizkrei­sen wird ihr die Aufpasserr­olle zugetraut.

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