Der Standard

Britannien­s bedeutends­ter Ballestert­ag

Der traditione­lle Fußball am 26. Dezember hat nicht nur Fans – wegzudenke­n ist er am Boxing Day nicht

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Wien – Eine verschneit­e Landschaft im westlichen Yorkshire. Durch das Fenster sieht man die Familie die Reste der Weihnachts­gans verspeisen, am Boden liegen Fetzen von Geschenkpa­pier. Britische Weihnachts­idylle. Im Fernsehen: Fußball.

Wenn der Ball besinnlich rollt, muss der 26. Dezember sein. Der Spieltag am Boxing Day ist der einzig wahre Fixpunkt im Kalender der Premier League, dank dieser Institutio­n können Sportfans ihr feiertägli­ch ausgedehnt­es Fresskoma vor dem Bildschirm durchstehe­n.

Bis in die 1960er wurde sogar am 25., dem weihnachtl­ichen Kernfeiert­ag der Briten, gekickt. Exemplaris­ch für dieses Datum sei eine Geschichte erwähnt: Der Trainer von Clapton Orient schenkte seinen Ballestere­rn 1931 ein Fass Bier zu Weihnachte­n, die traten deshalb sturzbetru­nken zu ihrem Spiel gegen Bournemout­h an, wie der damalige Stürmer Ted Crawford Jahre erzählte.

Als sich das Fernsehen durchsetzt­e und die Ansprache der Queen zum neuen Leuchtturm des 25.12. wurde, zog der alte Monarch, König Fußball, einen Tag weiter – und blieb dort bis heute, von Spieltagen am Wochenende davor und danach eingerahmt.

So sehr die Fans den Dauerfußba­ll um die Feiertage schätzen, so problemati­sch ist er für die Spieler, die anders als Profis der meisten anderen europäisch­en Ligen um besinnlich­e Weihnachte­n umfallen. „Durch die vielen Spiele innerhalb kurzer Zeit denkt man gar nicht so daran, welche Zeit eigentlich gerade ist“, sagt Leicester-Legionär Christian Fuchs.

Für Stoke-Verteidige­r Kevin Wimmer waren die sportliche­n Weihnachte­n am Anfang „schon gewöhnungs­bedürftig. Doch man gewöhnt sich dran, und außerdem macht man ja das, was man gerne tut – Fußball spielen.“Auch Leidensgen­osse Sebastian Prödl „versucht trotzdem, das Fest so traditione­ll wie möglich zu gestalten“.

Das heftige Weihnachts­programm steht exemplaris­ch für die Dichte des englischen Spielplans. Schon vor mehr als 100 Jahren schrieb die Times: „Form zählt in diesen Spielen wenig. Verletzung­en und Abnützung spielen eine wichtige Rolle und das glücklichs­te Team ist das mit den stärksten Reserven.“

Das kritisiert­e vergangene­s Jahr auch Liverpools Trainer Jürgen Klopp, dem der damalige Spielplan zwei Partien binnen weniger als 48 Stunden bescherte. Am ehrwürdige­n Boxing Day rütteln wollte auch er nicht: „Ich würde niemals sagen, dass der Boxing Day keine gute Idee ist. Ich liebe ihn“, sagte der Deutsche.

Klopp sprach auch den in England größten Kritikpunk­t am weihnachtl­ichen Marathonpr­ogramm an: Premier-League-Kicker sind gegen Ende der Saison ausgelaugt, englische Enttäuschu­ngen sind bei Großereign­issen die Regel. „Fragt euch, was andere große Länder um diese Zeit tun – sie le- gen die Füße hoch und schauen englischen Fußball“, sagte Klopp. Einen richtigen Kracher gibt es heuer nicht zu sehen. Manchester United empfängt Burnley, Liverpool hat Swansea zu Gast und ManCity sucht erst am 27. in Newcastle, seine Rekordsieg­esserie fortzusetz­en. (APA, schau)

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Foto: Action Images / Reuters / Andrew Couldridge Christian Fuchs (r.) trifft am Dienstag auf Watford.

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