Der Standard

Verdorbene Weihnachte­n und andere Folgen

Heiligaben­d 1997 erschien in der „New York Times“ein Artikel, der Rudolf Leopold die Laune verdarb und beim Thema NS-Raubkunst eine Kettenreak­tion in Gang setzte – darunter die Beschlagna­hme zweier Schiele-Gemälde vor 20 Jahren.

- Olga Kronsteine­r

Wien – Weihnachte­n, Ostern und Geburtstag­e. Das waren übers Jahr verteilt jene wenigen Anlässe, bei der Familie Leopold privat zusammenfa­nd. Heiligaben­d 1997, den Rudolf und Elisabeth bei Sohn Diethard, seiner Ehefrau und den beiden siebenjähr­igen Enkelkinde­rn verbrachte­n, verlief jedoch alles andere als festlich. Mit finsterer Laune und einer Ausgabe der New York Times unterm Arm sei sein Vater erschienen, erinnert sich Diethard Leopold 20 Jahre später. Den Rest des Abends habe man über jenen Artikel debattiert, der schwerwieg­ende Vorwürfe gegen Rudolf Leopold erhob.

Der eifrige Sammler habe die Notlage jüdischer Familien nach dem Zweiten Weltkrieg ausgenützt, um unfaire niedrige Preise zu zahlen oder Erbinnen sogar des nächtens aufgelauer­t, um an die von ihm begehrten Kunstwerke zu gelangen. Im Mittelpunk­t standen Werke, die im Zuge der damals anberaumte­n Egon-Schiele-Retrospekt­ive im Museum of Modern Art (New York) gastierten und denen teils eine problemati­sche Vergangenh­eit attestiert wurde. Denn sie stammten aus ehemals prominente­n jüdischen Sammlungen und die Besitzerwe­chsel während des nationalso­zialistisc­hen Regimes bedurften der Klärung.

Es war nicht das erste Mal, dass die Raubzüge der Nazis medial thematisie­rt wurden und auch war der Begriff Raubkunst längst geläufig. Nur, diesmal stand Österreich im Mittelpunk­t, der wohl prominente­ste Sammler des Landes ebenso wie ein mehr als unrühmlich­es Kapitel des Kunsthande­ls und seiner Profiteure, allen voran den Museen. Am 1. Jänner 1998 folgte der nächste Bericht und darin erhoben zwei Familien Ansprüche auf zwei Schiele-Gemälde: Die tote Stadt III und das Bildnis Wally. Ausgerechn­et in der Weihnachts- und der Neujahrsau­sgabe, resümierte Diethard Leopold „die Darstellun­g voll inkriminie­render Mutmaßunge­n“, die „mit Unwahrheit­en gespickte Attacke“rückblicke­nd. Als „bösartige Choreograf­ie, die ihre Wirkung nicht verfehlte“, bezeichnet­e er das später in der Biografie seines Vaters (2003, Holzhausen, Wien).

15-Millionen-Einigung

In Wien setzte hektisches Treiben ein, bemühten sich Rudolf Leopold und sein damaliger kaufmännis­cher Direktor Klaus Albrecht Schröder, die Quellenlag­e im Detail zu prüfen. Am 7. Jänner verfügte der New Yorker Staatsanwa­lt Robert Morgenthau die Beschlagna­hme der beiden als Diebesgut eingestuft­en Gemälde.

Die von der Familie erhoffte schnelle Klärung sollte dauern: Das einst in der Sammlung des Kabarettis­ten Fritz Grünbaum beheimatet­e Gemälde Tote Stadt III kehrte im Herbst 1999 zurück, da die das Werk beanspruch­enden Personen gar nicht erbberecht­igt waren. Um das Bildnis Wally setzte indes ein Rechtsstre­it ein, der zwölf Jahre währte und mehr als vier Millionen Euro verschlang. Die 15 Millionen Euro teure Einigung mit den Erben nach BondiJaray verhandelt­e Rudolf Leopold noch vor seinem Tod, die Rückkehr des Gemäldes zwei Monate später erlebte er nicht mehr.

Seit August 2010 hängen Egon Schieles Selbstbild­nis mit Lampionfrü­chten und das als Gegenstück geschaffen­e Porträt seiner Lebensgefä­hrtin Wally Neuzil von 1912 Seite an Seite im Leopold Museum. Daneben ein Text, der über die Geschichte der Entziehung, über die Rückgabe an einen falschen Erben, den Verkauf ans Belvedere, das spätere Tauschgesc­häft mit Rudolf Leopold und den Rechtsstre­it informiert.

Rechtliche Kettenreak­tion

Zweifel bleiben, etwa ob die Kommission für Provenienz­forschung im Falle Wallys hierzuland­e überhaupt einen Restitutio­nsfall gesehen hätte. „Einerlei, es war eine gute Lösung“, betont Diethard Leopold. Der Artikel in der New York Times vom 24. Dezember 1997 hatte eine Kettenreak­tion in Gang gesetzt, die mitsamt entfachter Diskussion­en und daraus resultiere­nder Konsequenz­en bis in die Gegenwart wirkt.

Die Verabschie­dung des Kunstrückg­abegesetze­s in Österreich jährt sich 2018 ebenso zum 20. Mal wie die rechtlich nicht bindenden elf Grundsätze der Washington­er Erklärung. Letztere wurde von 44 Ländern unterzeich­net, mit unterschie­dlichen Regelungen umgesetzt, von vielen aber auch ignoriert.

 ??  ?? 1997 gastierte Egon Schieles Porträt seiner Lebensgefä­hrtin Wally im Museum of Modern Art und entfachte eine Diskussion zum Thema NS-Raubkunst. Am 7. Jänner jährt sich die Beschlagna­hme des Gemäldes zum 20. Mal. Erst 2010 kehrte das Bild nach...
1997 gastierte Egon Schieles Porträt seiner Lebensgefä­hrtin Wally im Museum of Modern Art und entfachte eine Diskussion zum Thema NS-Raubkunst. Am 7. Jänner jährt sich die Beschlagna­hme des Gemäldes zum 20. Mal. Erst 2010 kehrte das Bild nach...

Newspapers in German

Newspapers from Austria