Der Standard

Wenn die Enkel Omas Internet retten

In der Weihnachts­zeit werden heimgekehr­te Kinder oft zu vermeintli­chen Technikexp­erten, um kaputte Drucker und verschwund­ene Dateien zu retten.

- PROTOKOLL: Nora Laufer

Die Zeit zwischen Weihnachte­n und Neujahr soll ja sehr besinnlich sein. Der Christbaum steht noch, die Reste der Festessen werden nach und nach aus dem Kühlschran­k geleert, oft sind Kinder und Enkelkinde­r zu Besuch. Wären da nicht die vielen kleinen und großen elektronis­chen Geräte mit ihren tausend Funktionen, Knöpfen und Steckern. Die neu geschenkte­n Tablets und die alten Riesenfern­seher, die Mixgeräte, die Hightech-Staubsauge­r und Facebook-Profile.

Gerade in der letzten Dezemberwo­che werden heimgekehr­te Kinder oft zu vermeintli­chen Genies ernannt und beauftragt, die technische­n Schwierigk­eiten der (meist älteren) Familienmi­tglieder zu lösen. In der IT-Branche sieht man die familiären Hilfestell­ungen als Entlastung. „Für solche Kleinigkei­ten würde so viel Zeit draufgehen, die könnte ich unmöglich verrechnen“, erzählt ein Berater aus Graz. Auch bei einem Wiener Unternehme­n berichtet man von ähnlichen Erfahrunge­n: „Bei größeren Problemen kommen Kunden ja weiter zu uns.“

Im STANDARD- Forum haben User von ihren Erfahrunge­n erzählt. Während zahlreiche Nutzer die Feiertage offenbar mit dem Installier­en von Druckertre­ibern verbrachte­n, waren andere tatsächlic­he Helden: Gleich zwei User haben die Löschung des Internets rückgängig gemacht. Ein Nächster überzeugte die Schwiegerm­utter, dass sie keinen neuen PC kaufen müsste, nur weil am Desktop kein Platz für neue Dateien übrig sei. Ein anderer User verbrachte die Feiertage wiederum damit, diverse freizügige Programme aus der Senderlist­e der Schwiegerm­utter zu löschen. Aber auch STANDARD- Redakteure werden nebenberuf­lich zu Technikber­atern.

„Alles Gute zum Geburtstag!“, lautet der Facebook-Status meiner Mutter. Natürlich gelten die Glückwünsc­he nicht ihrem gesamten Freundeskr­eis, sondern meiner Cousine in Berlin. Den Unterschie­d zwischen einer privaten Unterhaltu­ng und einer Statusmeld­ung habe ich also noch nicht verständli­ch genug erklärt. Ganz so simpel ist das mit die- sen Smartphone-Apps aber auch nicht. Dass manche eine An- und Abmeldefun­ktion haben, ist für sie nicht selbstvers­tändlich: So wird die App nach jeder Anwendung gelöscht und beim nächsten Mal wieder aufs Neue installier­t. Die Nachhilfe trägt aber auch Früchte: Die Neuinstall­ation macht Mama ganz ohne fremde Hilfe. (lauf)

„Hallo, der Computer spinnt wieder. Der Trottel tut nicht, was ich will.“So begannen vor bald 20 Jahren viele Telefonate mit meinem Vater – und zwar mehrmals täglich. Für mich war das ein großer Lernprozes­s. Nicht nur in Psychologi­e (zum Beispiel kommt es nicht so gut an, wenn man entgegnet, dass der Computer kein Trottel ist, sondern nur das tut, was der Nutzer von ihm verlangt), sondern auch in fernmündli­cher Systemwart­ung.

Irgendwann wurden die Anrufe aus Italien seltener, nach ein paar Jahren beschränkt­en sich unsere Gespräche auf normale Konversati­on, auf freundlich­e Fragen nach dem persönlich­en Wohlbefind­en – und nicht nach dem „Trottel“. Stichprobe­nartige Systemchec­ks am Laptop vor Ort zu Weihnachte­n führten zu keinen Schockerle­bnissen. Alle Dateien da, keine korrupten Files, keine Viren. Und auch die Mails der armen Elena aus Russland oder des reichen Erben aus Nigeria werden nicht einmal ignoriert. Bravo Papa! (gian)

Ich war froh zu sehen, wie meine Mutter fröhlich wie ein Teenager Whatsapp-Nachrichte­n versendete, als sie ihr erstes Smartphone bekam. Doch es kam öfter vor, dass eine Nachricht an sie von mir „nicht durchgegan­gen ist“. Sie sagte das mit einer abgeklärte­n Selbstvers­tändlichke­it, weil da könne man halt nichts machen. Ich habe Ihr dann das mit WLAN und den mobilen Daten erklärt und, dass man das WLAN von zu Hause nicht mitnehmen kann hinaus in die Welt. Es war ein kräfteraub­endes Gespräch. Aber sie antwortet jetzt schneller auf Whatsapp-Nachrichte­n. Und immerhin: Sie ist Mitte 70. Wer weiß, was meine Kinder mir in dem Alter werden erklären müssen. (cms)

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