Hoffen auf einen polemikfreien Wahlkampf
Italien drohen im Frühjahr „deutsche Verhältnisse“
Einen fairen Wahlkampf wünsche er sich; einen, in dem kein Hass und keine Ängste geschürt werden; einen, der ohne Illusionsbildung auskommt. Italiens interimistisch agierender Ministerpräsident Paolo Gentiloni sprach vielen Landsleuten aus dem Herzen, als er am gestrigen Donnerstag in Rom eine Pressekonferenz gab und damit de facto einen Schlusspunkt setzte unter die fünfjährige Legislaturperiode. Die Auflösung des Parlaments durch Staatspräsident Sergio Mattarella und die Ausrufung der Neuwahlen war da nur noch eine Formalität.
Schon der Freitag vor Weihnachten war für die Senatorinnen und Senatoren der Tag des Abschieds und der letzten Gruppenselfies gewesen: Die kleine Kammer hatte soeben den Staatshaushalt 2018 genehmigt und damit das letzte politische Geschäft der 17. Legislaturperiode abgehakt. Für die Abgeordnetenkammer war schon am Donnerstag der Zeitpunkt für „Addio“(Lebewohl) oder „Arrivederci“(auf Wiedersehen) gewesen.
Die fünfjährige Legislaturperiode, die im Frühling 2013 eröffnet worden war, hatte dem Land insgesamt drei sozialdemokratisch geführte Exekutiven beschert: Zuerst die Regierung von Enrico Letta, dann jene von Matteo Renzi und schließlich – nachdem dieser ein Referendum über eine Verfassungsreform in den Sand gesetzt hatte – jene von Gentiloni.
Allianzen notwendig
Während die 315 Senatoren und die 630 Abgeordneten nun für mehrere Monate – viele auch für immer – in die Ferien gehen, wird die Regierung Gentiloni weiterarbeiten: Staatspräsident Mattarella wird den Ministerpräsidenten formal darum ersuchen, für die laufenden Geschäfte zur Verfügung zu stehen.
Eines der ersten Geschäfte, die erledigt werden müssen, ist die Bestimmung des Wahltermins in Absprache mit dem Staatspräsidenten. Als wahrscheinlichster Termin gilt der 4. März, der spätestmögliche ist der 20. Mai.
Aufgrund aktueller Umfragen ( siehe Grafik) ist davon auszugehen, dass bei den anstehenden Wahlen keine einzelne Partei und nicht einmal eine Wahlkoalition eine regierungsfähige Mehrheit erhalten wird.
„Ich habe vor Wahlen noch nie so viel Unsicherheit erlebt – nicht nur, was den möglichen Sieger anbelangt, sondern auch bezüglich der Zukunft unseres Landes“, betonte der Politveteran Fabrizio Cicchitto am Tag, als im Parlament der Vorhang fiel. Der 77-Jährige ist mit inzwischen sieben Amtszeiten einer der erfahrensten Abgeordneten und hat schon zahlreiche Regierungsbildungen miterlebt.
Monatelange Verhandlungen
Tatsächlich drohen „deutsche Verhältnisse“mit vielleicht monatelangen Koalitionsverhandlungen zwischen Parteien, die nur wenige Gemeinsamkeiten aufweisen. Möglicherweise werden erneute Wahlen erforderlich sein. Wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wird in Italien Gentiloni auch nach den Wahlen geschäftsführender Premier bleiben, bis eine neue Regierung stehen wird – irgendwann einmal.