Der Standard

„Habe die romantisch­e Brille schon lange abgelegt“

Für Ministerin Elisabeth Köstinger sind Schneekano­nen und Umweltschu­tz kein Widerspruc­h. An der dritten Flughafenp­iste hält sie fest, Tempo 140 findet sie vertretbar. Anreize sollen das Klima retten.

- INTERVIEW: Sebastian Fellner, Karin Riss

Standard: Im Parlament hängen Bilder aller vergangene­n Nationalra­tspräsiden­ten, üblicherwe­ise suchen sich die Abgebildet­en selbst aus, wer sie porträtier­t. Wissen Sie schon, wer Sie malen wird? Köstinger: Diese Frage war für mich nicht zentral in der vergangene­n Woche. Die Entscheidu­ng, ob es überhaupt ein Porträt gibt, liegt aber ohnehin beim jetzigen Nationalra­tspräsiden­ten.

Standard: Wäre es Ihnen unangenehm, nach sechs Wochen im Amt neben den lang gedienten Präsidente­n zu hängen? Köstinger: Ich habe das Amt sehr ambitionie­rt verfolgt und habe mir die Entscheidu­ng zu wechseln nicht leicht gemacht.

Standard: Jetzt sind sie Nachhaltig­keitsminis­terin, zuständig für Umwelt, Tourismus und Landwirtsc­haft. Gerade hat der Europäisch­e Gerichtsho­f einer Umweltschu­tzorganisa­tion das Recht eingeräumt, bei einem Umweltverf­ahren Parteienst­ellung einzunehme­n. Freut Sie das? Köstinger: Jetzt muss man sich das Urteil einmal im Detail anschauen, das wird gerade im Haus erledigt. Trotzdem ist wichtig: Nur weil etwas sehr bürokratis­ch ist und lange dauert, heißt das noch lange nicht, dass der Umweltschu­tz davon profitiert. Wir wollen, dass solche Verfahren einfacher werden.

Standard: Bis wann soll das Erkenntnis umgesetzt werden? Köstinger: Wichtig ist die Qualität, auch dem Parlament kommt da noch eine wichtige Rolle zu.

Standard: Woran liegt es, dass die Öffentlich­keit bei Entscheidu­ngen in Umweltange­legenheite­n bisher nicht ausreichen­d mitreden kann? Köstinger: Es gibt eine Umsetzungs­problemati­k, weil Naturschut­z ja in der Kompetenz der Bundesländ­er liegt. Dass wir das ins Regierungs­programm aufgenomme­n haben, zeigt aber, dass wir uns der Versäumnis­se be- wusst sind und versuchen, es in Zukunft besser zu machen.

Standard: Nämlich wie? Köstinger: Wir wollen auf Bundeseben­e eine stärkere Koordinier­ungsfunkti­on übernehmen. Denn wie gesagt: Umweltschu­tz ist keine Bundeskomp­etenz. Da bräuchten wir eine Staatsrefo­rm, aber das wird schwierig und ist derzeit auch nicht angedacht.

Standard: Inhaltlich ging es beim EuGHUrteil um einen Fluss, dessen Pflanzen und Fische gestorben sind, weil das Wasser für die Schneekano­nen des benachbart­en Skigebiete­s verwendet wird. Wie geht das zusammen: Auf der einen Seite trotz Klimawande­ls den Wintertour­ismus fördern, etwa durch Vergünstig­ungen für Schulskiku­rse, und sich gleichzeit­ig dem Umweltschu­tz verpflicht­et fühlen? Köstinger: Diesen Interessen­skonflikt haben wir in vielen Bereichen. Hier sind oft Regionen betroffen, wo ohne Tourismus die Abwanderun­g droht. Da braucht es eine gute Gesamtstra­tegie.

Standard: Die Flächen, auf denen man ohne Beschneiun­g auskommt, werden aber immer weniger. Köstinger: Ja, aber das darf man nicht nur im Widerspruc­h zum Umweltschu­tz sehen. Hier geht es um Regionen, die sonst nicht überleben könnten. Wintertour­ismus ist in Österreich ein erhebliche­r Wirtschaft­sfaktor.

Standard: Auch in Zusammenha­ng mit dem Bau der dritten Piste am Flughafen Wien gibt es dieses Spannungsv­erhältnis. Aus Sicht der Umweltmini­sterin müssten Sie dagegen sein, oder? Köstinger: Dass das Verkehrsau­fkommen dadurch nicht weniger wird, ist klar. Derzeit verlagert sich das aber nur nach Bratislava. Nur machen CO -Emissionen ja nicht vor Ländergren­zen halt. Die Slowakei ist auch bekannt dafür, weniger Auflagen zu haben. Was dann der große Nutzen für Öster- reich sein soll, erschließt sich mir nicht. Für uns ist das eine Standortfr­age. Es ist meiner europäisch­en Erfahrung geschuldet, dass ich die romantisch­e Brille schon vor langer Zeit abgelegt habe.

Standard: Umweltschu­tzorganisa­tionen fürchten, im Zweifel geht Wirtschaft­s- vor Umweltinte­resse. Köstinger: Nein, wir haben ein klares Bekenntnis, die Treibhausg­asemission­en bis 2030 um 36 Prozent zu senken. Aber das bedeutet eine große Anstrengun­g und wird auch nicht ohne Einschränk­ungen funktionie­ren. Jeder hat den Wunsch, dass die Welt besser wird, aber niemand will wirklich auf etwas verzichten.

Standard: Wäre es nicht Aufgabe der Politik, hier den Rahmen zu definieren – auch durch Verbote? Köstinger: Ich glaube, für Verbote gibt es wenig Akzeptanz. Wir wollen auf Anreize setzen.

Standard: Soll die niedrigere Besteuerun­g von Diesel, ein umweltschä­dlicher Anreiz, fallen? Köstinger: Unser Ziel heißt Entlastung. Das bedeutet, dass wir nirgendwo Steuern anheben. Aber auch beim Verkehr kann man Anreize schaffen. Der Verkehrsbe­reich ist der Schlüsselb­ereich, wo wir die CO2 -Reduktion zustande bringen müssen.

Standard: Wie passt da die vom Verkehrsmi­nister angekündig­te Hebung des Tempolimit­s auf 140 km/h samt höheren Schadstoff­emissionen dazu? Köstinger: Da halten sich die Schadstoff­emissionen noch in Grenzen. Wirklich CO2 -aufwendige­r wird es ab 150 km/h, und das haben wir ja nicht gemacht.

Standard: Aber das Erreichen der Klimaziele wird damit nicht erleichter­t. Wie soll das gelingen? Köstinger: Speziell im urbanen Bereich wollen wir auf alternativ­e Antriebste­chnologien setzen.

Standard: Sollen neu angeschaff­te Fahrzeuge im öffentlich­en Verkehr ausschließ­lich E-Mobile sein? Köstinger: Nur dort, wo es Sinn macht. Wir haben es noch nicht geschafft, die Stromerzeu­gung auf 100 Prozent erneuerbar­e Energie umzustelle­n.

Standard: Österreich hat zwei Kohlekraft­werke, bis wann soll der Ausstieg erfolgt sein? Köstinger: Möglichst rasch. Idealerwei­se bis zum Jahr 2020. Standard: Bis 2030 wollen Sie komplett auf erneuerbar­e Energien in der Stromprodu­ktion umsteigen. Was davon soll bis zum Ende der Legislatur­periode erreicht sein? Köstinger: Dafür brauchen wir eine Klima- und Energiestr­ategie. Das große Ziel wird 2030 sein.

Standard: Müssten Sie dafür nicht Zwischenzi­ele definieren? Köstinger: Die Klima- und Energiestr­ategie ist gerade in Erarbeitun­g. Standard: Bis wann soll sie vorliegen? Köstinger: So rasch wie möglich.

ELISABETH KÖSTINGER (39) ist seit 18. Dezember Ministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus. Zuvor bekleidete sie genau 38 Tage lang das Amt der Nationalra­tspräsiden­tin. Ab 2009 saß Köstinger für die ÖVP im Europaparl­ament, im Mai 2017 holte ÖVP-Chef Sebastian Kurz seine Vertraute als Generalsek­retärin in die Parteizent­rale.

Der Verkehrsbe­reich ist der Schlüsselb­ereich, wo wir die CO2 -Reduktion zustande bringen müssen.

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Ob Nachhaltig­keitsminis­terin Elisabeth Köstinger ein Porträt als Kurzzeit-Parlaments­präsidenti­n bekommt, ist noch offen.

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