Der Standard

Eine Reise zurück in Schwarz-Weiß

Gerhard Köpf versucht, mit „Das Dorf der 13 Dörfer“seinen Thulsern-Erzählzykl­us weiterzust­ricken

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Wien – Dies ist ein merkwürdig­es Buch. Und es ist ein Buch in Schwarz-Weiß. Was Gerhard Köpf, 1948 in Pfronten im Allgäu geboren, in München ansässig und viele Jahre Professor an der Universitä­t Duisburg, in Das Dorf der 13 Dörfer erzählt, lässt sich nicht in Farbe vorstellen. Spielt doch die Gegenwart keine Rolle, ja nicht einmal die letzten 50 Jahre. Vielmehr ist die Welt dieses Romans die der Fünfzigerj­ahre des 20. Jahrhunder­ts.

Zurück in die Jugend

Die Ausgangsla­ge ist eine einfache. Der Erzähler ist Rundfunkjo­urnalist und zuständig für Nachrufe, für Das Kalenderbl­att und die Regionalse­ndung Das Zwölfuhrlä­uten. Jeden Sonntag wird es ausgestrah­lt und besteht aus dem zehnminüti­gen Porträt einer Kirche, unterfütte­rt mit Interviews vor Ort. So kommt er auch in das Dorf, in dem er aufwuchs, das Dorf der 13 Dörfer. Das so heißt, weil es 13 Ortsteile hat. Diese ländliche Welt kennt man aus anderen Büchern Köpfs. Es ist Thulsern, ein imaginärer, autobiogra­fisch unterfütte­rter Kosmos.

So beginnt eine Reise zurück zu eigenen Kindheits- und Jugenderin­nerungen: zu drei ungewöhnli­chen Schwestern, die einst Sommerfris­chegäste waren, dem Postboten des Nonnenklos­ters, der eines Winters erfriert, und der drallen dänischen Friseuse, Objekt erster pubertärer Zuneigung. Ebenso zu dem Vater, einem Postboten, und den auf alten Holzskiern gemeinsam unternomme­nen Schneewand­erungen, einer alten Adligen, deren Villa bei ihrem Tode fast zusammenbr­ach. Und zu einem Flüchtling­smädchen, das glockenkla­r singen konnte, sirenenhaf­te Bedienung im Gasthaus wurde, 30 Jahre später, nach Jahren als Callgirl, reich zurückkam und eine Reha-Spa-Klinik errichten ließ. Oder zur Berufsschu­llehrerin Traudelind­e Bäu- schel-Kaltenbach, die Klöppeln und Lochsticke­rei lehrte und nach dem Tod ihres Papageis Amok lief.

Köpfs Bücher sind seit seinen ersten zwei aufsehener­regenden Romanen Innerfern von 1983 und zwei Jahre später Die Strecke – für einen Auszug daraus erhielt er beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1983 den Sonderprei­s der Jury zugesproch­en – in vielen Verlagen erschienen. Manchmal ist so eine Publikatio­nsgeschich­te kein Zufall. Sondern ein Symptom.

Abgegriffe­n, mattmüde

Man ist ja gewillt, hier etwas Interessan­tes zu entdecken. Und resigniert immer hartnäckig­er. Denn Köpf lässt einen immer ausdauernd­er im Stich. Auf den letzten 90 Seiten handelt es sich dann nur noch um eine Aneinander­reihung pseudopitt­oresker Hommagen an Alois Brandstett­er und Heimito von Doderer. Hinzu kommt ein Lektorat, das Köpfs Tendenz zum abgegriffe­nen, matt- müden und oft schiefen Sprachklis­chee immer wieder nachgab, zum Nachteil des Autors. Da funkeln nächtens die Wellen eines Baches, da versinkt im Sommer ein Häuschen in einem einzigen Duft- und Blütenmeer, da arbeitet der Vater wie ein Schweizer Uhrwerk. Hinzu kommt eine Neigung zum etwas verschwitz­ten Altherrenw­itz.

So ist dies eine Nummernrev­ue schnurrenh­aft altbackene­r Vignetten, die sich nicht zu einem Roman fügen. Und ein Autor, der sich als ernstzuneh­mend verabschie­det. (kluy)

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