Der Standard

Israel darf die FPÖ nicht für koscher erklären

Sosehr FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Israel auch umwirbt, darf der jüdische Staat die antisemiti­sche Vergangenh­eit und Gegenwart der Partei nicht übersehen. Was heute die Muslime sind, können morgen wieder die Juden sein.

- Amir Peretz

Es ist selten, dass ein Opposition­smitglied einem Regierungs­chef applaudier­t. Im Fall von mir und Benjamin Netanjahu, die wir so ziemlich bei jedem Thema politische Gegner waren, ist das noch seltener.

Aber es gibt eine Entscheidu­ng von Netanjahu, mit der ich voll übereinsti­mme: Es ist richtig, alle Treffen mit der Freiheitli­chen Partei auf Ministereb­ene zu suspendier­en. Als Vorsitzend­er der israelisch-österreich­ischen Freundscha­ftsgruppe in der Knesset habe ich diese Entscheidu­ng auch auf die parlamenta­rische Ebene ausgeweite­t.

Wir werden weiterhin mit der ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz Beziehunge­n pflegen und gemeinsame Interessen verfolgen, ebenso mit den Sozialdemo­kraten und allen anderen Parlaments­fraktionen. Aber die Österreich­er verdie- nen eine Erklärung unserer Entscheidu­ng, mit Mitglieder­n der FPÖ nicht zusammenzu­arbeiten.

Der historisch­e Hintergrun­d der Partei ist wohlbekann­t. Seit Mitte der 1950er-Jahre wurde sie von einem ehemaligen NSMinister und einem SSOffizier geführt. Jörg Haider, ihr flamboyant­er Chef ab 1986, war ein enger Partner von Holocaustl­eugnern und arabischen Diktatoren; er hat seine antisemiti­schen Haltungen nie versteckt. Nach der Nationalra­tswahl 1999 hat Schimon Peres Österreich gewarnt, dass die Beteiligun­g Haiders in der Koalition das Land „aus der Staatenfam­ilie ausschließ­en wird“. Als sich die FPÖ an der Regierung beteiligte, wurde Haider von Israel zu einer Persona non grata erklärt, ebenso von zahlreiche­n anderen Staaten, die eine klare rote Linie gegen die Rückkehr von Antisemite­n in eine Position der Macht in Österreich gezogen haben.

Parteichef Heinz-Christian Strache hat in den vergangene­n Jahren versucht, sich von der Nazivergan­genheit der FPÖ zu distanzier­en. Das ist das Mindeste, was die Partei tun muss, um national und internatio­nal ein legitimer Mitspieler zu werden. Aber hat dieses Verspreche­n Substanz, oder ist es nur vom Wunsch nach besserer PR motiviert?

Die traurige Wahrheit ist, dass es zahlreiche Gründe gibt, das Verhalten der Partei bis heute für problemati­sch oder gar empörend zu halten. Im Juli dieses Jahres sprach der damalige FPÖ-Abgeordnet­e Johannes Hübner von „sogenannte­n Holocaust-Überlebend­en“, und Strache selbst hat noch vor ein paar Jahren offensicht­lich antisemiti­sche Karikature­n verwendet. Das Mauthausen-Komitee hat eine Liste von 60 antisemiti­schen und xenophoben Ausfällen von FPÖ-Mitglieder­n zusammenge­stellt und dokumentie­rt. Anti- semitische Aussagen von Parteifunk­tionären sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Das sollte niemanden überrasche­n. 20 der 51 FPÖ-Abgeordnet­en im Nationalra­t, einschließ­lich Strache selbst, waren einst Mitglieder von nationalis­tischen Burschensc­haften, die Juden und andere sogenannte „unreine Österreich­er“nicht aufnehmen. Solche faulen Wurzeln können keine guten Früchte hervorbrin­gen.

Flüchtling­e als Volksfeind­e

Während Strache weiterhin darauf beharrt, kein Antisemit zu sein und nie einer gewesen zu sein, kann er nicht verbergen, dass die Partei ihre Wahlkämpfe auf der Basis von Anti-Ausländer-Stimmungen führt und Minderheit­en sowie Flüchtling­e als neue Volksfeind­e darstellt.

Von der Israelitis­chen Kultusgeme­inde bis zum World Jewish Congress erschallt die Warnung: Heute tritt die FPÖ zwar gegen Muslime auf, aber morgen können es die Juden sein. Wir Israelis haben nicht die Absicht, uns mit Antisemite­n zu verbünden und als Feigenblat­t für ihren Hass gegen andere Minderheit­en zu dienen.

Wir werden weiterhin gerne mit dem österreich­ischen Volk und seinen Vertretern zusammenar­beiten. Aber was Straches Partei betrifft, blicken wir durch. Angesichts der Bemühungen der FPÖ, sich bei Israel einzuschme­icheln, bloß um den Hass auf andere ethnische und religiöse Minderheit­en zu legitimier­en, muss Israel das letzte Land sein, das der FPÖ den Koscher-Stempel aufdrückt.

AMIR PERETZ ist ein ehemaliger israelisch­er Verteidigu­ngsministe­r, Vizepremie­r und Chef der Arbeitspar­tei. Er ist Vorsitzend­er der israelisch-österreich­ischen Freundscha­ftsgruppe in der Knesset, dem israelisch­en Parlament.

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Heinz-Christian Strache bei einem Besuch in der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem im April 2016. Israel darf sich davon nicht täuschen lassen, warnt ein führender Knesset-Abgeordnet­er.
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Foto: Reuters Ex-Vizepremie­r Amir Peretz: eine Partei mit faulen Wurzeln.

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