Der Standard

Türkis-blaue Testwahlen

- Conrad Seidl

Vier Bundesländ­er wählen noch im Frühjahr einen neuen Landtag – so etwas hat man früher ein „Superwahlj­ahr“genannt. Aber Österreich ist seit den Landtagswa­hlen vom Frühjahr 2015 nicht mehr aus dem Wahlkampfm­odus herausgeko­mmen: Von der Wien-Wahl im Herbst jenes Jahres ging es ohne Übergang in das lange Bundespräs­identenwah­ljahr 2016 – und kaum war Alexander Van der Bellen endlich im Amt, kam erst der damalige Kanzler Christian Kern mit seinem Wahlprogra­mm „Plan A“und dann die ÖVP mit ihrem Kanzlerkan­didaten Sebastian Kurz. Langer Wahlkampf, neuer Kanzler.

Für dessen mehr oder weniger neue Volksparte­i und deren Koalitions­partner FPÖ werden die vier Landtagswa­hlen zu einem Reigen von Testwahlen.

Zwar wird, wie in solchen Fällen üblich, von der Reife der Wählerinne­n und Wähler gesprochen werden, die sehr wohl zwischen Bundes- und Landeseben­e zu unterschei­den wüssten. Wahr ist aber, dass sich jede Ankündigun­g der Regierungs­parteien auf Bundeseben­e massiv auf die Wahlchance­n ihrer Landesorga­nisationen auswirkt.

Dies umso mehr, als im Regierungs­programm vielfach steht, was man alles „gemeinsam mit den Bundesländ­ern“umsetzen will – was verklausul­iert heißt, dass der Bund die Länder auf Linie bringen und entmachten will. ie von Kurz im Vorjahr überrumpel­ten Landespart­eiorganisa­tionen der ÖVP haben denn auch vorsichtig versucht, sich wieder von der türkisen Bundespart­ei zu emanzipier­en – das beginnt damit, dass die Parteifarb­e nicht durchgehen­d übernommen wird. Sollte die Bundesregi­erung bei ihrer Klausur diese Woche konkretere Vorschläge zur Verwaltung­svereinfac­hung auf Kosten des Einflusses der Landespoli­tik machen, könnte es durchaus auch Wahlparole­n „gegen Wien“geben.

Ob das bei den Wählern gut ankommen würde, ist schwer abzusehen: Einerseits genießen die Landespoli­tiker den (mit viel Eigen-PR aufgebaute­n) Ruf, bürgernähe­r zu sein als die Bundesregi­erung. Anderersei­ts sind die Wähler an Streit nicht interessie­rt – die neue Regierung hat ja vor allem deshalb einen Startbonus in den Umfragen, weil sie (noch) nicht zerstritte­n wirkt. Und sie signalisie­rt derzeit einen Schwung, der den jeweiligen Landespart­eien Rückenwind verschaffe­n könnte.

Aber solcher Reformschw­ung ist nicht allen Wählern geheuer – nicht dem schwarzen, konservati­ven Kern der türkisen Wählerscha­ft, der nicht unbedingt experiment­ierfreudig ist. Und schon gar nicht den in der Wolle gefärbten Blauen, die sich in Opposition­szeiten daran gewöhnt haben, „die da oben“kritisch zu sehen: Schon einmal, in den Jahren 2000 bis 2006, haben sich potenziell­e FPÖ-Wähler enttäuscht davon gezeigt, dass die vielgeprie­senen Reformen der Bundesregi­erung nicht bei ihnen ankommen, sondern allenfalls noch persönlich­e Nachteile bringen. Umso spannender wird, welche Botschafte­n die Regierung bei ihrer Klausur aussenden wird. Und wen sie erreichen.

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