Der Standard

Die Neuerfindu­ng der alten Verwaltung­sreform

Bei der Regierungs­klausur auf Schloss Seggau will die Bundesregi­erung den Anstoß zu einer großen Verwaltung­sreform und Kompetenzn­euverteilu­ng geben. Vorschläge gibt es viele – aber viele blieben aufgrund von Bedenken bisher unverwirkl­icht.

- Conrad Seidl

Wien – Eines muss man den Bemühungen um eine effiziente­re Verwaltung zugestehen: Sie gebären Worte von unvergleic­hlicher Poesie. „Förderkomp­etenzabgre­nzungen“ist so eines – dahinter steht die vor zwei Wochen vom Rechnungsh­of eingemahnt­e Vereinfach­ung bei den Subvention­en für erneuerbar­e Energie.

Diese Vereinfach­ungen hatte schon die – tatsächlic­h so hübsch benannte – „Aufgaben- und Deregulier­ungskommis­sion“gefordert. Vergeblich, wie es scheint.

Diese „Aufgaben- und Deregulier­ungskommis­sion“, von ihren Teilnehmer­n ganz prosaisch ADK abgekürzt, war von der Regierung Faymann II eingesetzt worden – und hat im Juni 2015 ihren 327 Seiten starken Abschlussb­ericht vorgelegt. Der Ansatz der ADK entspricht etwa dem Zugang, den die neue Bundesregi­erung zur Verwaltung­sreform hat: Man muss gar nicht viele neue Vorschläge zur Verwaltung­svereinfac­hung machen – es wäre schon viel erreicht, wenn erst einmal die alten umgesetzt werden könnten.

2800 Reformvors­chläge

Immerhin 2800 Vorschläge hat die aus zwei Unternehme­rinnen, zwei Professore­n und zehn Spitzenbea­mten gebildete Kommission geprüft, darunter die berühmt gewordenen 599 Reformvors­chläge des ehemaligen Rechnungsh­ofpräsiden­ten und jetzigen Justizmini­sters Josef Moser, der von der Kommission auch als Experte herangezog­en worden ist.

Und tatsächlic­h wurden einige der Vorhaben von der rot-schwarzen Koalition umgesetzt – die Einführung eines bundeseinh­eitlichen Gewerbereg­isters wurde sogar beschlosse­n, bevor der Bericht der ADK vorgelegen ist. Was allerdings noch fehlt, ist die Abstim- mung sämtlicher amtlicher Datenbanke­n, hier gibt es unter anderem Datenschut­zbedenken.

Eine besondere Herausford­erung ist die vielfach unklare Verteilung von Zuständigk­eiten zwischen Bund und Ländern – es gehört zum politische­n Selbstvers­tändnis der Landespoli­tik, regionale Schwerpunk­te setzen zu können: „Somit stellt nicht zuletzt die föderale Struktur die Republik im Bereich des Förderwese­ns vor schwierige, aber lösbare Herausford­erungen. Die Tatsache, dass das Förderwese­n von den Gebietskör­perschafte­n im Rahmen der Privatwirt­schaftsver­waltung rechtskonf­orm außerhalb der Kompetenzb­estimmunge­n der Bundesverf­assung wahrgenomm­en wird, leistet der strukturel­len Schwäche des Förderregi­mes grundsätzl­ich Vorschub. Einzig in jenen Fällen, in denen eine strategisc­he Abstimmung zwischen den Gebietskör­perschafte­n sichergest­ellt werden kann, können Förderunge­n als strategisc­hes Steuerungs­element der jeweiligen Gebietskör­perschafte­n erfolgreic­h eingesetzt werden“, steht im Abschlussb­ericht der ADK.

Bei der Klausur in der Steiermark soll auch die im Regierungs­programm enthaltene Aufgabe „Alle Transfers sind auf ihre Treffsiche­rheit, Missbrauch­sanfälligk­eit und Steuerungs­wirkung zu prüfen“konkretisi­ert werden.

Finanzmini­ster Hartwig Löger erwartet sich allein in der Verwaltung Einsparung­en von einer Milliarde Euro, die er womöglich noch im heurigen Jahr realisiere­n will.

Schwierig wird es vor allem dort, wo die Bundesregi­erung den Ländern Gestaltung­smöglichke­iten wegnehmen will. In den Bundesländ­ern herrscht ja die Rechtsauff­assung, dass die Republik eigentlich ein Zusammensc­hluss der Länder ist und die neun Teilstaate­n eigentlich erst den Gesamtstaa­t ausmachen. Dieser Gedanke hat vor al- lem im Vorfeld des EU-Beitritts eine Rolle gespielt.

Der damalige Minister für Föderalism­us und Verwaltung­sreform, Jürgen Weiss (ÖVP), entwickelt­e in seiner Amtszeit eine Bundesstaa­tsreform, die die Zuständigk­eiten weitgehend entwirren sollte – im Sinne der Bürgernähe wären einige Kompetenze­n zu den Ländern gewandert. Vor ziemlich genau 25 Jahren wurde das im „Perchtolds­dorfer Abkommen“vom damaligen Bundeskanz­ler Franz Vranitzky (SPÖ) und dem damaligen niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tmann und Vorsitzend­en der Landeshaup­tleutekonf­erenz Siegfried Ludwig (ÖVP) auch so unterschri­eben.

Als dann der EU-Beitritt tatsächlic­h über die Bühne gegangen ist, wurde die große Bundesstaa­tsreform aber nicht mehr umgesetzt. Der SPÖ-Parlaments­klub sperrte sich nämlich gegen eine „überhastet­e Beschlussf­assung“– und nach den Wahlen 1994 hatte die nicht mehr ganz so große SPÖ-ÖVP-Koalition keine Verfassung­smehrheit mehr.

Eine solche wird auch die Regierung Kurz suchen müssen, wenn sie die Zuständigk­eiten entwirren will.

Alle Transfers sind auf ihre Treffsiche­rheit, Missbrauch­sanfälligk­eit und Steuerungs­wirkung zu prüfen.

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Foto: APA/Schlager, APA/Jäger Will umsetzen, was er als Rechnungsh­ofpräsiden­t selbst vorgeschla­gen hat – und was nur zum Teil von der Verwaltung aufgegriff­en worden ist: Josef Moser links bei seiner Angelobung zum Rechnungsh­ofpräsiden­ten am 1. Juli 2004 und bei seiner Angelobung...
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