Der Standard

Wifo-Chef hätte Aktion 20.000 nicht sofort beendet

Christoph Badelt hält zwar das Aus für den Jobbonus für gerechtfer­tigt, bei der Aktion 20.000 hätte es der Chef des Wifo aber für sinnvoll gehalten, erst einmal abzuwarten, wie das Programm in der Praxis funktionie­rt.

- Günther Oswald

Wien – Einer der Kronzeugen der Regierung ist Christoph Badelt. Der Chef des Wifo wird wie auch der Präsident des Fiskalrats Bernhard Felderer im Ministerra­tsbeschlus­s von Türkis-Blau als einer jener Experten genannt, die es für sinnvoll halten, den Beschäftig­ungsbonus vorzeitig zu beenden.

Dieser Bonus besteht aus einer Förderung in der Höhe von 50 Prozent der Lohnnebenk­osten für zusätzlich eingestell­te Mitarbeite­r. Bei seiner Einschätzu­ng bleibt Badelt auch: „Ich halte es für gescheit, den Beschäftig­ungsbonus auszusetze­n, weil in Zeiten der Hochkonjun­ktur die Mitnahmeef­fekte zu groß wären.“

Im gleichen Beschluss der Regierung wurde am ersten Tag des neuen Jahres aber auch die Aktion 20.000 mit sofortiger Wirkung beendet. Bei diesem Förderprog­ramm bekommen Gemeinden, gemeindena­he Organisati­onen, aber auch private Betriebe bis zu 100 Prozent der Lohn- und Lohnnebenk­osten ersetzt, wenn sie Langzeitar­beitslose über 50 anstellen. Mit diesem Stopp hat Badelt aber keine große Freude: „Ich habe Zweifel, ob man damit nicht über das Ziel hinausgesc­hossen hat“, sagte er am Dienstag zum STANDARD. Er halte die Aktion grundsätzl­ich für gut, weil es derzeit „nur wenige Maßnahmen zur dauerhafte­n Arbeitsmar­ktintegrat­ion älterer Ar- beitnehmer gibt“. Zwar glaubt auch Badelt, dass keine 20.000 Jobs über diese Schiene hätten geschaffen werden können, „ich hätte es aber für sinnvoll gehalten, das Programm einmal zu probieren“.

„Nicht gut aufgesetzt“

Laut dem Büro der neuen Arbeitsmin­isterin Beate Hartinger (FPÖ) wurden bisher 1326 Personen über die Aktion 20.000 vermittelt, dazu gebe es noch zweibis dreitausen­d Anträge. Eine genaue Zahl konnte man noch nicht nennen. Zum Vorwurf der Politologi­n Kathrin Stainer-Hämmerle, die Regierung führe eine „Abrechnung“mit der Politik der letzten Regierung durch, teilt sie in einem Statement mit: „Es ist nicht mein Stil, Projekte meines Vorgängers oder nur, weil sie von der Opposition kommen, abzudrehen.“

Die AMS-Chefs Johannes Kopf und Herbert Buchinger hätten aber darauf hingewiese­n, dass die Aktion weniger als erwartet angenommen werde. „Eventuell sind die Prozesse nicht gut genug aufgesetzt worden, oder es waren die Gemeinden und NGOs unzureiche­nd informiert“, so Hartinger. Man habe eine Evaluierun­g eingeleite­t, „weil es darum geht, möglichst zielgerich­tet und effizient Langzeitar­beitslose in Beschäftig­ung zu bringen“.

Unter Hartingers Vorgänger Alois Stöger (SPÖ) gab es bereits eine erste Evaluierun­g der im Sommer gestartete­n Pilotproje­kte. Diese ließ im November darauf schließen, dass in jenen Regionen, wo die Aktion 20.000 getestet wurde, die Zahl der vorgemerkt­en Langzeitbe­schäftigun­gslosen gesunken ist – im Gegensatz zum österreich­weiten Trend.

der STANDARD hat das AMS gebeten, eine aktuelle Auswertung für die Zielgruppe der Aktion 20.000 vorzunehme­n. Generell hat sich die Lage am Jobmarkt in den vergangene­n Monaten ja stark verbessert. Im Dezember ist aber auch das erste Mal seit längerem die Zahl der über 50-Jährigen, die seit mehr als einem Jahr beschäftig­ungslos sind, gesunken – von 50.423 im Dezember 2016 auf nun 49.981. Im Gesamtjahr 2017 gab es allerdings noch immer steigende Zahlen.

„Markt regelt nicht alles“

Zweifel daran, dass ältere Langzeitar­beitslose generell vom Wirtschaft­saufschwun­g profitiere­n, hat Judith Pühringer von Arbeit plus, einem Netzwerk gemeinnütz­iger Unternehme­n, das auch bei der Aktion 20.000 involviert war. Sie halte das Programm für sinnvoll, „weil es ein Thema aufgegriff­en hat, das der Markt nicht regelt“. Kritik daran kann sie nicht nachvollzi­ehen: „Es gibt Menschen wieder eine Perspektiv­e, sie schöpfen Selbstvert­rauen, treten bei späteren Bewerbunge­n ganz anders auf, als wenn die letzte Berufserfa­hrung vier Jahre zurücklieg­t.“Die Aktion zu stoppen ist für Pühringer „eine vergebene Chance“.

Weniger tragisch sieht es der Chef des Gemeindebu­nds, Alfred Riedl, dessen Kommunen zu den Profiteure­n zählten. Zwar habe man diese Förderschi­ene für sinnvoll gehalten, angesichts der nun „beachtlich­en Nachfrage nach Arbeitskrä­ften“sei es aber legitim, die Aktion 20.000 zu hinterfrag­en. Und er räumt auch ein, selbst Zweifel daran gehabt zu haben, ob es nicht zu einer Verdrängun­g regulärer Jobs gekommen wäre. Laut den Vorgaben sollte das zwar verhindert werden, „ich wage aber zu bezweifeln, ob das in der Praxis so ist“, meint Riedl.

Positiv wirkt sich das Aus der Jobprogram­me jedenfalls auf die Budgetplan­ung von Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) aus. Durch das Ende des Jobbonus erspart er sich in den kommenden Jahren gut eine Milliarde Euro, bei der Aktion 20.000 wird die Frage sein, ob die Mittel für Qualifizie­rungsprogr­amme umgewidmet werden.

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Die Gemeinde Baden hat sich bereits im Vorjahr an einem Pilotproje­kt zur Aktion 20.000 beteiligt, nun wurde das Programm vorzeitig von der neuen Regierung gestoppt. Bereits genehmigte oder bis Ende Dezember gestellte Förderantr­äge werden aber noch...

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