Der Standard

Kinder an der Macht

- Stefan Weiss

„Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch“, richtete Erich Kästner einst einer Schulklass­e aus. Herbert Grönemeyer setzte da 1986 noch eins drauf, wenn er sang: „Kinder an die Macht!“

So weit wollte Alexander Van der Bellen bei seiner ersten Neujahrsan­sprache als Bundespräs­ident der Republik Österreich nicht gehen. Die nette Rasselband­e, die da in der Hofburg angetreten war, um ein wenig mit der Tradition des steifen Neujahrsma­hnens und Österreich­lobens zu brechen, griff nicht nach der Macht im Staat, sondern schüchtern nach der Hand des Präsidente­n.

„Wir Erwachsene“, so Van der Bellen, „sollten ein bisschen von euch Kindern lernen. Wir brauchen eure Neugier, eure Freude, eure Fähigkeit, neue Freundscha­ften zu schließen und ohne Vorurteile aufeinande­r zuzugehen.“

Schöne Worte, dachte man, wenn nicht die geopolitis­che Realität des abgelaufen­en Jahres zur selben Stunde schon wieder übergriffi­g geworden wäre. Schon in der Sandkiste hat es nämlich immer auch jene gegeben, die mit dem Schauferl nicht Brücken gebaut, sondern dem nächstlieb­sten Kontrahent­en eins übergebrat­en haben.

Nordkoreas Kim Jong-un etwa erinnerte in seiner Neujahrsbo­tschaft verlässlic­h daran, dass sein Atomwaffen­knopf auch 2018 am Spiel-, Pardon, Arbeitstis­ch bereitsteh­e. Kollege Donald Trump – der Beweis, dass die dunkle Seite der Kindsköpfi­gkeit nicht nur im Stalinismu­s, sondern auch im Kapitalism­us triumphier­en kann – boxte zur Feier des Tages auf Iran und Pakistan hin.

Apropos Sport: Kim Jong-un will 2018 zu Olympia nach Südkorea, Trump wohl auch im neuen Jahr mehr Golf spielen als arbeiten. Das gibt Hoffnung. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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