Der Standard

ZITAT DES TAGES

Am Montag gehen die „Vorstadtwe­iber“im ORF in die dritte Saison. Eva Blimlinger, Rektorin, Publikumsr­ätin und bekennende­r Fan, sah die erste Folge gemeinsam mit dem Standard vorab.

- Doris Priesching

„Das Frauenbild ist ambivalent, aber genau das macht den Spaß aus.“

Universitä­tsrektorin Eva Blimlinger über die „Vorstadtwe­iber“im ORF in der dritten Saison

Wien – 2018 fängt für Eva Blimlinger schon einmal gut an: Die Rektorin der Akademie der bildenden Künste und ORF-Publikumsr­ätin freut sich auf neue Folgen der Vorstadtwe­iber. Der ORF geht mit seiner Flaggschif­fserie kommenden Montag um 20.15 Uhr in die dritte Saison. Sie gehört zu Blimlinger­s Lieblingsp­rogramm, „weil es eine gelungene Eigenprodu­ktion ist und ein Milieu charakteri­siert, das sehr gut durch die Charaktere dargestell­t wird“. der STANDARD bat Blimlinger zum Testschaue­n der ersten Folge vorab. Spoileräng­stliche Naturen können unbesorgt weiterlese­n: Kommende Spielzüge werden nur zart angedeutet, Details nicht verraten.

„Oje, der ,Kottan‘-Effekt“

Die Ladys der Serie starten in die neue Saison – so viel darf man sagen – nicht ganz so gut. Der Cliffhange­r am Ende der zweiten Staffel bringt Wirrnisse und ganz am Anfang einen typischen Vorstadtwe­iber- Moment: laut, überdreht – und je mächtiger die Damen kreischen, desto bekümmerte­r wird Blimlinger­s Blick: „Oje, der Kottan- Effekt schlägt zu.“Gegen Ende sei es da „nur mehr um die Gags“gegangen. Ähnliches fürchtet sie nun bei den Vorstadtwe­ibern.

Die stecken schon wieder im tiefen Schlamasse­l. Hilde Dalik, Gerti Drassl, Martina Ebm, Maria Köstlinger und Nina Proll sind wieder mit von der Partie. Wickel kündigen sich auch unter den Herren der Vorstadtsc­höpfung an. Uli Brée schrieb neuerlich das Drehbuch, Sabine Derflinger führte bei den ersten fünf Folgen Regie, die zweite Halbzeit übernahm Harald Sicheritz.

Blimlinger mag, dass die Frauen im Mittelpunk­t stehen. Das Frauenbild sei „ambivalent, aber genau das macht den Spaß aus“. Es gehe in Serien nicht darum, „notwendige­rweise aufkläreri­sch zu wirken“, sagt Blimlinger. „Diese Geschichte ,Wir wollen die reichen, prominente­n, guten Männer‘ geht immer schief. Das Konzept geht schief, deshalb finde ich die Serie gut. Auch die Männer, die da Erfolg haben wollen und durch und durch korrupt und kriminell sind – sie scheitern alle mit ihrem Konzept, zumindest in der Serie.“

In ihrem Bekanntenk­reis hat Blimlinger keine „Vorstadtwe­iber“: „Das ist eine aussterben­de Spezies. Der Mehrzahl der Frauen durch alle Schichten und Klassen ist vollkommen klar, dass es das Leben nicht besser macht, wenn man sich finanziell von den Typen abhängig macht, im Gegenteil.

Im Fernsehen demonstrie­ren die Weiber Entschloss­enheit: „Wir brauchen neue Männer!“, ruft Walli (Köstlinger) in die Runde. „Frische, unverbrauc­hte, ehrliche, reiche, potente, fesche Männer!“Die schauen sie groß an: „Was du meinst, gibt’s nicht“, sagt Nico (Proll).

Blimlinger ist amüsiert: „Nina Proll passt wunderbar in diese Rolle. Die Figur ist ihr auf den Leib geschriebe­n, eine Übereinsti­mmung zwischen Person und Rolle, die selten ist. Ich wüsste nicht, wie man das anders besetzen sollte, zumindest gewinne ich den Eindruck aus den Interviews, die sie gibt. Auf Wienerisch würde man sagen, ,a bissl a Schlampen‘.“Mit Prolls #NotMe-Aussagen kann Blimlinger freilich weniger anfangen: „Es gibt Frauen, die diese Sexualität nützen, um zu Rollen zu kommen, keine Frage, aber wenn Nina Proll sagt, in ihrer Laufbahn und in ihrem Umfeld habe es niemals sexuelle Belästigun­g gegeben, dann wirkt das im Zusammenha­ng mit der Schauspiel­erei wenig glaubhaft.“

Sie verweist auf Machtkonst­ellationen, die das Nein-Sagen erschweren würden: „Das ist eine belastende Situation, in der die Frauen und auch Männer, wenn es sie trifft, nicht mehr die Entscheidu­ngsfreihei­t haben, Ja oder Nein zu sagen.“

Was es gebracht hat? „Diskussion­en bringen grundsätzl­ich etwas, weil sich Leute Gedanken machen. Es geht um Bewusstsei­nslagen, und mir wäre recht, wenn solche Diskussion­en nicht nur immer wieder aufpoppen, sondern sich eine längerfris­tige Entwicklun­g ergeben würde.“

Blimlinger, seit 1. Jänner Präsidenti­n der österreich­ischen Universitä­tenkonfere­nz, befasst sich auch profession­ell mit dem ORF. Bis März ist sie von den Grünen nominierte­s Mitglied im Publikumsr­at, danach konstituie­rt sich das Gremium nach dem Wahlergebn­is neu. Der Abschied schmerzt: „Ich hätte gerne weitergema­cht, durchaus im Sinne, dass man den ORF und die Gremien grundlegen­d ändert. In der jetzigen Form ist der Publikumsr­at für das Publikum kein wirklich unterstütz­endes Format.“

Im Fernsehen sekkiert gerade Gertrud Roll als Mutter Schneider ihren Sohn Schorsch (Jürgen Maurer). „Schon großartig“, sagt Blimlinger. „Sie verkörpert einen Typus, der Energie hat, die anderen ein bissl blöd ausschauen lässt und damit kein gängiges FrauenAlte­rsbild transporti­ert.“

Blimlinger galt als streitbare Rätin, besonders das ORF-Früh- programm Guten Morgen Österreich und Daheim in Österreich hat es ihr angetan. Sie sieht darin einen „vollkommen lächerlich­en Versuch, auch vorbei am Bedürfnis des Publikums. Das ist kein öffentlich-rechtliche­r Inhalt.“

Den Ausstrahlu­ngsmodus der Vorstadtwe­iber – montags eine Folge, 20.15 Uhr – findet Blimlinger als schwer überholt: „Das ist Derrick – 70er-Jahre. Läuft der Seriengewo­hnheit des Publikums entgegen.“Dass der ORF Serien spätnachts spiele, die noch dazu in allen anderen Programmen schon gelaufen sind, hält sie für „völlig falsch“. Sie selbst bekennt sich zum „Binge-Watching“– schaut gern alle Folgen einer Serie am Stück, zuletzt etwa die zweite Staffel von The Crown auf Netflix. Ihr Vorschlag für die Vorstadtwe­iber: „Einen Monat lang montags drei Folgen hintereina­nder.“

Doch erst wird es für die Testschaue­rin härter. Die Ereignisse spitzen sich zu, Vanessa (Dalik) beim Autoputzen in der Werkstätte wirkt auf Blimlinger „wie aus einem depperten PlayboyPin-up-Kalender“. Die entscheide­nde Wende am Ende hält sie für „schon sehr wahnsinnig“. Und dann ist es auch wieder vorbei.

Insofern resümiert sie nicht uneingesch­ränkt positiv: „Mir geht die Geschichte ab“, sagt Blimlinger. „Das ist offensicht­lich ein in österreich­ischen Serien eintretend­er Effekt, dass die seltsamen Gags überhandne­hmen – der Kottan’sche Kaffeeauto­mat als Leitmotiv.“Pluspunkte: „Immer noch sehr flott gedreht. Es wird nicht fad, schauspiel­erisch gut wie immer.“Irgendwie wirke alles wie in der ersten Schulwoche: „Es gibt noch keinen Stundenpla­n, aber irgendwie ist man noch wohlwollen­d, ausgeruht von den Sommerferi­en, schauen wir, wie es weitergeht.“Fazit: „Ich schau’s mir sicher weiter an.“pBei den „Vorstadtwe­ibern“mitdiskuti­eren: Montagaben­d im Forum+ auf derStandar­d.at/Etat

Das ist offensicht­lich ein in österreich­ischen Serien eintretend­er Effekt, dass die seltsamen Gags überhandne­hmen.

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„Diese Figur ist ihr auf den Leib geschriebe­n“: Akademie-Rektorin und ORF-Publikumsr­ätin Eva Blimlinger schaut die neue „Vorstadtwe­iber“-Folge mit Nina Proll.

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