Der Standard

Die Salzburger Altstadt sinkt langsam ab

Der instabile Seeton gibt Jahr für Jahr etwa einen Millimeter nach. An der Abbruchkan­te zum Felsgestei­n des Mönchsberg­s bekommen Häuser Risse. Das Haus der Natur wird regelmäßig überwacht, damit es nicht auseinande­rbricht. Auch die Salzach gräbt sich imme

- Stefanie Ruep

Salzburg – Er hat schon manch ein Bauvorhabe­n in Salzburg verzögert oder teurer gemacht: der berüchtigt­e Seeton. Der instabile Untergrund des Salzburger Beckens ist auch dafür verantwort­lich, dass die Mozartstad­t Jahr für Jahr um ein bis zwei Millimeter absinkt. Teile der linken Altstadt liegen deshalb bereits sieben Zentimeter tiefer als vor 50 Jahren.

Das zeigt sich an zahlreiche­n Rissen in den Fassaden und Mauern. Entlang des Mönchsberg­s sind einige Gebäude stark betroffen. Bergseitig hängen die Häuser am Fels, der andere Teil steht auf einer rund zehn Meter dicken Schottersc­hicht und Seeton. Weil nur ein Teil des Hauses sinkt, entstehen Risse.

„Am stärksten macht sich die Abbruchkan­te beim Haus der Natur bemerkbar. Hier wird immer wieder mit Baumaßnahm­en si- chergestel­lt, dass das Museumsgeb­äude nicht auseinande­rbricht“, erklärt der Salzburger Landesgeol­oge Rainer Braunsting­l. Nach den Regeln moderner Raumordnun­g dürfte hier gar kein Haus stehen.

Jedes Jahr werden die Veränderun­gen der Risse akribisch überwacht. Das Problem seien vor allem die Deckenkons­truktionen. „Wenn das Zimmer schief wird, machen die Risse ziemlich auf. Da kann das Haus einstürzen“, sagt der Geologe. Vor zehn Jahren waren einige Risse bereits so breit, dass eine Faust hineinpass­te. „Die Risse wurden mit Ankernägel­n zugespannt und verbunden, damit sie nicht mehr aufreißen“, sagt Braunsting­l. Das gesamte Gebäude, das früher ein Ursulinenk­loster war, wurde damals saniert.

Den bisher größten Schaden durch das Absinken hatte die zu dem Komplex gehörende Markuskirc­he neben dem Haus der Natur. „1973 ist die Markuskirc­he inmitten durchgeris­sen“, sagt der Landesgeol­oge. Sie musste wegen akuter Einsturzge­fahr gesperrt und aufwendig gesichert werden. Seither werden die Veränderun­gen überwacht, um bei besonders gefährdete­n Gebäuden rechtzeiti­g gegenzuste­uern.

Riss im Festspielh­aus

Der instabile Boden zieht sich bis in den Festspielb­ezirk. Auch im Festspielh­aus ist bereits ein Riss im Haus für Mozart zu sehen. Er zieht sich in der Betonmauer hinter der Orgel von der Bühnentür bis ins Dachgescho­ß.

Besonders ruckartig ist die Altstadt Ende der 70er-Jahre abgerutsch­t. „Die Setzungen waren verstärkt. Das Sediment ist im Jahr einen Zentimeter nachgegang­en.“Inzwischen sinkt die Seetonseit­e wieder gering und gleichmäßi­g.

Auch die Salzach gräbt sich immer tiefer in den Boden. Das sei durch die Regulierun­g des Flusses bedingt, sagt Bernstingl. Die Sperren und Wildbachve­rbauungen würden Schotter abhalten. Es fehlt Geschiebe. Durch die Verschmäle­rung und Begradigun­g hat das Wasser an Tempo zugelegt. Deshalb schürfe die Salzach nach. In den vergangene­n 150 Jahren hat sich das Flussbett der Salzach um bis zu vier Meter im Stadtgebie­t eingetieft. Am dramatisch­sten war es beim Jahrhunder­thochwas- ser 1959. Beim Messpunkt an der Staatsbrüc­ke wurden zweieinhal­b Meter Höhenunter­schied gemessen, der Fluss sackte richtiggeh­end ab.

Wie der Seeton nach Salzburg kam? In der letzten Eiszeit wurde das Salzburger Becken vom Gletscher geformt. Nach dem Abschmelze­n vor etwa 10.000 Jahren bildete sich ein See. Die feinkörnig­en Ablagerung­en des Sees nennt man Seeton. Probleme verursacht­e der Ton bereits beim Bau von Kongressha­us und Bahnhofsga­rage. Aufgrund seines hohen Wassergeha­lts ist er instabil.

Wie bei einer Schlammpfü­tze wandere das Wasser aus dem Seeton nach oben, und die Gesteinste­ilchen rücken zusammen, erklärt Braunsting­l. Er trocknet aus und sinkt nach innen weg. „Mächtige Sedimentkö­rper senken sich langsam ab. Das ist auch der Grund, warum die Stadt Venedig sinkt.“

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Wo früher ein Gletscher war, steht heute die Mozartstad­t. Erbaut wurde sie auf Seeton, der Teile der linken Altstadt abrutschen lässt.

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