Der Standard

Wo der Arbeitsmar­kt alt aussieht

Mit dem Aus der Aktion 20.000 rückt die Arbeitslos­igkeit Älterer in den Fokus. Die Regierung will zudem den Einkommens­schutz lockern. Andere sehen in der steilen Lohnkurve das Hauptprobl­em.

- Andreas Schnauder

Wien – Während die Trendwende am österreich­ischen Arbeitsmar­kt anhält, bleibt das Problem älterer Arbeitslos­er ungelöst. Neben dem Ende der Aktion 20.000 – hier wurden geförderte Jobs in Gemeinden geschaffen – könnte ein weiterer Schritt die Nöte erhöhen: Die Regierung will die Altersteil­zeit einschränk­en. Dieses Modell, bei dem die Einkommens­einbußen infolge der Reduktion der Arbeitszei­t vom Staat abgefedert werden, erfreute sich zuletzt großer Beliebthei­t.

Mit 33.500 Personen, die von der Förderung profitiere­n, hat sich die Altersteil­zeit in wenigen Jahren verdoppelt. Sie wurde angesichts der Verschärfu­ngen bei der Frühpensio­n zusehends als Schlupfloc­h genützt. Hier plant die Regierung die Verlegung des Antritts nach hinten. Können derzeit Frauen mit 53, Männer mit 58 Jahren in Altersteil­zeit gehen, soll die Altersgren­ze schrittwei­se auf 55/60 angehoben werden.

Wie schwer sich Ältere am Arbeitsmar­kt tun, haben erst die Dezember-Zahlen gezeigt. In der Gruppe 50+ gab es trotz der allgemeine­n Erholung mit 117.000 Arbeitslos­en und Schulungst­eilnehmern keine echte Entspannun­g. Auf das gesamte Jahr 2017 umgelegt, hat sich die Zahl der Jobsuchend­en weiter erhöht. Eine andere Betrachtun­g verdeutlic­ht das Problem: Die Erwerbsquo­te Älterer (55 bis 64 Jahre) ist in Österreich im internatio­nalen Vergleich mit knapp 50 Prozent ge- ring. Der EU-Schnitt liegt bei 55,3 Prozent, Deutschlan­d kommt auf 68, Schweden auf gut 75 Prozent.

Internatio­nale Organisati­onen wie die OECD und der Internatio­nale Währungsfo­nds sehen hier neben dem faktisch niedrigen Pensionsal­ter einen weiteren Grund: die steile Lohnkurve. Durch automatisc­he Vorrückung­en verdienen ältere Personen im gleichen Job deutlich mehr als jüngere. Während dieses Seniorität­sprinzip bei Arbeitern schwach ausgeprägt ist, sind die Unterschie­de bei Angestellt­en trotz einiger Korrekture­n in den letzten Jahren beträchtli­ch.

Die Produktivi­tätsentwic­klung hinkt in vielen Fällen den steigenden Lohnkosten hinterher, weshalb für Unternehme­n ein Anreiz besteht, ältere Mitarbeite­r – wenn überhaupt – durch jüngere zu er- setzen. Ein EU-Vergleich zeigt, dass die Spreizung in Österreich besonders stark ausgeprägt ist. Unter 30-Jährige erhalten durchschni­ttlich einen Stundenloh­n, der lediglich 57 Prozent desjenigen der über 60-Jährigen ausmacht. Gemeinsam mit den Niederland­en und Frankreich liegt Österreich hier im untersten Bereich. In Deutschlan­d liegt das Verhältnis bei 67 Prozent, in Finnland und Schweden bei über 70 Prozent.

Abflachung der Lohnkurve

Einige Ökonomen wie Michael Christl von der Agenda Austria fordern eine Abflachung der Lohnkurve, wobei das Lebenseink­ommen insgesamt nicht sinken soll. Auch AMS-Chef Johannes Kopf hat sich öfters für eine Korrektur ausgesproc­hen: Er plädierte schon vor drei Jahren für einen Ausgleich über eine Absenkung bzw. Anhebung der Pensionsbe­iträge. Allerdings stieß Kopf auf Skepsis, u. a. beim Institut für Höhere Studien. Es verwies darauf, dass die Arbeitslos­igkeit bei älteren Arbeitern, bei denen das Seniorität­sprinzip kaum existent ist, besonders hoch sei.

Die Regierung scheint das Problem der Lohnkurve direkt nicht angehen zu wollen, sehr wohl aber indirekt. In ihrem Programm ist u. a. die Rede von Änderungen bei der Zumutbarke­it bei der Annahme angebotene­r Jobs. Hier sind neben der Wegstrecke zum Arbeitspla­tz der Berufs- und der Entgeltsch­utz von Bedeutung. Beide Punkte sollen „in Richtung stärkerer Arbeitsanr­eize“hinterfrag­t werden. Derzeit kann ein Arbeitslos­er einen 100 Tage währenden Berufsschu­tz, danach kann er auf 80 Prozent des früheren Entgelts pochen. Ist der Job schlechter bezahlt, kann dieser also abgelehnt werden. Nach 120 Tagen Arbeitslos­igkeit sinkt diese Einkommens­schwelle auf 75 Prozent.

Kommt die Regierung überein, diese Grenzen zu senken oder gar aufzuheben, könnten die Arbeitslos­en leichter vermittelt werden, so das Kalkül. Weiterer Ansatz: das Abflachen des Arbeitslos­engeldes mit Dauer des Bezugs. Dabei wird auf skandinavi­sche Modelle verwiesen, bei denen die Zuwendunge­n mit Dauer der Jobsuche sinken. Alle diese Maßnahmen setzen auf eine stärkere Aktivierun­g Arbeitlose­r. Die Abflachung der Lohnkurve hätte hingegen präventive Wirkung: Der Anreiz zur Freisetzun­g Älterer würde dadurch reduziert, meinen die Befürworte­r.

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Gesättigte Ältere, auf Schonkost gesetzte Jüngere: Dieses Bild zeichnet eine EUUntersuc­hung für Österreich und bestätigt damit jene Ökonomen, die seit jeher eine Abflachung der Lohnkurve fordern. Der starke Anstieg der Einkommen mit fortlaufen­der...

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