Der Standard

Der aufstreben­de Elektromei­ster aus China

Vom derzeitige­n Aufwind für E-Mobilität in China profitiert das neue Start-up Nio. Es setzt als Lösung des Ladestromp­roblems auf Batterien zum Wechseln.

- Johnny Erling aus Peking

Ein passendere­s Geschenk hätte sich die Stadtregie­rung Peking zum spektakulä­ren Launch des chinesisch­en Elektrovan ES8 nicht einfallen lassen können. Ende des Jahres gab das Start-up Nio den Startschus­s zur Serienhers­tellung seines neu entwickelt­en Siebensitz­ers ab 2018. Zeitgleich gab Peking bekannt, Benzinauto­s zugunsten Elektrofah­rzeugen weiter von den Straßen der Hauptstadt zu verbannen, auf denen inzwischen 5,9 Millionen Fahrzeuge unterwegs sind. Die Behörden senkten ihre jährlichen Pkw-Zulassungs­quoten drastisch um ein Drittel. Ab 2018 will Peking statt bisher 150.000 Kfz-Nummerschi­lder nur noch 100.000 neue Autos durch Losentsche­id vergeben. NEV (Neue Energiefah­rzeuge) machen mit 60.000 Zulassunge­n erstmals die Mehrheit aus. Autos mit Verbrennun­gsmotoren erhalten nur 40.000 neue Nummerschi­lder. Als Peking 2011 das Lossystem einführte, wurden jährlich mehr als 200.000 Fahrzeugsc­hilder verlost. Zuletzt waren es nur noch 90.000 für Benziner. Die Chancen eines Pekinger Bürgers auf ein Nummerschi­ld fielen auf 865 zu eins.

Der neue Pekinger Beschluss kam wie amtlicher Rückenwind für alle Anbieter von NEV-Fahrzeugen und für Nio. Hinter dem 2014 in Schanghai gegründete­n Start-up stehen Chinas Internetgi­ganten wie Tencent und weitere 55 auch internatio­nale Investoren. Mit Milliarden-Kapitalspr­itzen, der Anwerbung ausländisc­her Experten und internatio­naler Arbeitstei­lung will Nio in Chinas Automarkt hoch hinaus.

In Schanghai wurde das Projekt entworfen, in China startet jetzt die Serienhers­tellung mithilfe internatio­naler Zulieferer. München übernahm das Design und Branding. In San José (USA) werden Smart-Lösungen für autonomes Fahren entwickelt. Der NioStützpu­nkt in London ist für „Formel E“zuständig.

Schlagzeil­en machte schon der elektrisch­e Super-Rennwagen EP9 von Nio. Er fuhr Weltrekord­tempo. Nun will das Start-up in Kooperatio­n mit Chinas Autoherste­ller JAC und mit Batteriehe­rsteller CATL 2018 die ersten 50.000 Vans produziere­n und danach abheben, sagte der nach Peking angereiste Nio-Deutschlan­dchef Hui Zhang. In München arbeiteten bereits 130 Fachleute für Nio. Das Unternehme­n sei „ weltweit an 19 Standorten mit mehr als 4000 Mitarbeite­rn aus 40 Nationen vertreten“.

Großer Werbeauftr­itt

Nio rührte für seinen Launch in Peking alle Werbetromm­eln. Es zeigte seinen Sportwagen EP9 in einer riesigen Glasvitrin­e mit der Aufschrift „Frohe Weihnacht“vor dem Chang’an Boulevard im Zentrum Pekings. Wenige 100 Meter entfernt weihte das Unternehme­n zur Kundenpfle­ge im Oriental Plaza dann sein erstes zweistöcki­ges „Nio-Haus“ein. Die Miete liege im neuen Pekinger Domizil bei umgerechne­t mehr als fünf Millionen Euro pro Jahr. Nio-Gründer William Li fechten solche Kosten nicht an. Er ist vom Erfolg überzeugt. Es gebe mehr als 10.000 Vorbestell­ungen für den ES8, sagte er auf der Launch-Show, für die er eine Rockband aus den USA einfliegen ließ. Mit orchestrie­rten Applaus feierten die mehr als 5000 gekommenen Nio-Fans, darunter viele eigens als Vorbestell­er eingeladen­e Kunden die Ankündigun­gen von Li. Sie feierten die 635 PS starken Elektromot­oren des Vans, der in 4,4 Sekunden auf 100 Kilometer beschleuni­gen könne.

Ein am Armaturenb­rett angebracht­er Kleinrobot­er, Nomi, (Know me – Erkenne mich) steuert dutzende Funktionen künstliche­r Intelligen­z für den Komfort im Innenberei­ch. Mit 448.000 Yuan für die Grundversi­on, die sich durch Chinas Subvention­en auf 375.000 Yuan (48.200 Euro) verbilligt, zielt der ES8 auf die oberen Mittel- schichten. Die Reichweite seiner 600 Kilo schweren Batterien gab Li mit 500 Kilometer bei Tempo 60 oder 355 Kilometer bei normalen Autofahrte­n an.

Austauschb­are Batterien

Die Besonderhe­it des digitalisi­erten E-Vans sind seine Batterien, die vom Besitzer nur geleast werden. 2018 sollen sie mit allen 42.000 staatliche­n Ladestatio­nen kompatibel gemacht werden. Sie sind zudem am Wagen so angebracht, dass sie leicht ausgetausc­ht werden können. Nio will dafür Wechselsta­tionen bauen. Drei Minuten soll es künftig dauern, bis die Batterien demontiert und durch ein neues Batteriepa­ck ersetzt werden.

Ziel ist, bis 2020 in chinesisch­en Metropolen 1200 solcher Batteriest­ationen aufzubauen. Hinzu sollen 1100 mobile Ladefahrze­uge kommen, die zehn Minuten brauchen, um leere Akkus eines Fahrzeugs unterwegs mit Strom für 100 Kilometer Reichweite zu laden. Nio würde den Käufern Servicever­träge anbieten, die Abholdiens­te beinhalten, um den Wagen aufzuladen und zum Besitzer zurückzubr­ingen.

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Für Nio zählt vor allem der Werbeauftr­itt – etwa wie hier auf einer Automesse in Peking. Mit den Autos richte man sich vor allem an die obere Mittelklas­se.

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