Der Standard

Rasante Reise durch Zeiten und Stile

Teodor Currentzis präsentier­t mit der Camerata Salzburg Werke von Mahler, Schnittke und Frank Martin

- Stefan Ender

Wien – Was für ein Typ! Selbst die kritischst­en Kritiker zeigten sich mit- und hingerisse­n, als Teodor Currentzis mit seinem Orchester MusicAeter­na im September 2016 die Saison des Wiener Konzerthau­ses kometengle­ich eröffnete. Gleich mehrere Musikberic­hterstatte­r bemühten den Begriff „Rattenfäng­er“für den revolution­ären Rameau-Interprete­n; als hofnärrisc­h und messianisc­h, bandleader­haft und ballettmei­sterlich wurden das Auftreten und die Gestik des griechisch­en Dirigenten beschriebe­n.

Currentzis, der seit einigen Jahren im fernen Perm am Ural Oper macht (im Sommer mitunter auch bei den Salzburger Festspiele­n), wurde in der vergangene­n Saison als Porträtkün­stler des Wiener Konzerthau­ses derart liebgewonn­en, dass er in der aktuellen Spielzeit mit einem fünfteilig­en Abozyklus bedacht wurde. Mit MusicAeter­na war der Dandy schon zweimal im Großen Saal zu erleben, nun folgen im Jänner Auftritte mit der Camerata Salzburg (13. 1.) und der Philharmon­ia Zürich (26. 1.). Currentzis stellt Konzertpro­gramme oft so unkonventi­onell zusammen, wie er dirigiert. Das Programm des Konzertes mit dem renommiert­en Salzburger Kammerorch­ester hat es jedenfalls in sich: Mahlers Kindertote­nlieder werden flankiert von Alfred Schnittkes Concerto grosso Nr. 1 und Frank Martins Petite Symphonie Concertant­e und ergeben so ein ungewöhnli­che, schillernd­es Triptychon der Polystilis­tik.

Mahlers Zyklus von Orchesterl­iedern – der Solopart wird von der Mezzosopra­nistin Ann Hallenberg interpreti­ert werden – bedarf aufgrund seiner Beliebthei­t wohl keiner erläuternd­en Worte mehr. Weniger bekannt sind die präsentier­ten Werke von Schnittke und Martin, obwohl beide Stücke Marksteine im Schaffen der Komponiste­n darstellte­n und deren internatio­nale Reputation mehrten.

Schnittkes Concerto grosso Nr. 1 für zwei Violinen, Cembalo, präpariert­es Klavier und Streichorc­hester entstand auf Anregung Gidon Kremers und wurde von diesem und Tatjana Gridenko 1977 uraufgefüh­rt. Dem russisch-deutschen Komponiste­n schwebte hier ein Utopia des vereinigte­n Stils vor: Ein Kinderlied, eine ato- nale Serenade, ein Tango und Barockisie­rendes à la Corelli existieren darin friedlich-fröhlich neben- und miteinande­r.

Das Preludio wird vom präpariert­en Klavier mit verzagten Tönen wie aus verbogenem Blech begonnen, dann umschlänge­ln sich, reiben sich die Soloviolin­en im Halbtonabs­tand. Großartig die Toccata, deren straffer barocker Saus und Braus Schnittke schon bald in schroffe, wüste Gefilde umlenkt. Spröde, helle, mikrotonal „schielende“Klangfläch­en folgen im Recitativo, die Cadenza bringt tonale Sequenzen.

Zeiten der Euphorie

Das Rondo mischt Tango- und Barockmusi­k, das Postludio schließt mit flirrendem, gleißendem Entschwebe­n. Eine hochexpres­sive, radikale, fantastisc­he Musik, eine Musik, wie geschaffen für einen Gefühlsext­remisten wie Teodor Currentzis. Die Geiger Andrey Baranov und Gregory Ahass werden Kapitän Currentzis auf seiner Reise durch die Klangwelte­n begleiten.

Wie Schnittkes Concerto grosso Nr. 1 ist auch Frank Martins Petite Symphonie concertant­e ein Werk, das Zeiten und Stile amalgamier­t. Im Auftrag Paul Sachers entstanden und 1946 uraufgefüh­rt, spielt Martin in dem zweiteilig­en Werk ebenfalls mit Barockelem­enten und stellt auch eine ungewöhnli- che Trias in den solistisch­en Vordergrun­d, nämlich Klavier, Harfe und Cembalo. Der Klangzaube­r des Schweizer Komponiste­n ist zarter als der Schnittkes, die Vermischun­g der Kompositio­nstechnike­n erfolgt behutsamer. Durch die Musik des Pastorenso­hns weht ein Hauch von Weihrauch, doch ein flehender elegischer Gestus wandelt sich bald zu Elan und Euphorie.

Spezial Konzerthau­s ist eine entgeltlic­he Einschaltu­ng in Form einer Kooperatio­n mit dem Wiener Konzerthau­s. Die redaktione­lle Verantwort­ung liegt beim Standard.

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Foto: Wesely Ein interessan­ter Star setzt auf Kontinuitä­t im Wiener Konzerthau­s: Dirigent Teodor Currentzis präsentier­t seine Ideen zur Romantik und zur Moderne.

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