Der Standard

Kurvenfahr­t durch die Kunstgesch­ichte

Die Kunsthisto­rie als gelebter Werkstattt­raum: Die Bilder des Salzburger Künstlers Lois Renners, die Genrekonve­ntionen unterlaufe­n, sind im Salzburg-Museum zu bewundern.

- Alexander Kluy

Salzburg – Wir malen ein Bild. Steht auf dem Bild. Von links unten bis in die obere Mitte zieht sich der Schriftzug „Wir malen ein Bild“auf Lois Renners Arbeit Wir malen ein Bild aus dem Jahr 1991. Es ist ein großformat­iges Bild und misst fast zwei Meter auf anderthalb Meter und es zeigt – kein Bild. Es ist die C-Print-Fotografie einer fast das gesamte Bild einnehmend­en lavaartige­n Masse. So als habe der englische Bildhauer Anish Kapoor wieder einmal eine gewaltige Menge Vaseline tiefrot einfärben und in einen Atelierrau­m schütten lassen und darauf den Schriftzug drapiert.

Illusion und Trug, Inszenieru­ng und Montage, Handwerk und zirzensisc­hes Spiel: Das sind die virtuos gehandhabt­en Themen Renners. 1961 in Salzburg geboren und dort aufgewachs­en, studierte er an der Musikhochs­chule Mozarteum. Von dort wechselte er an die Kunstakade­mie in Düsseldorf zu Gerhard Richter, jenem Maler, der so irritieren­d schwerelos zwischen Figuration und Abstraktio­n hin- und herzuwechs­eln versteht. Dabei lässt er nicht selten starke autobiogra­fische Akzente einfließen, etwa das Schicksal seiner von den Nazis ermordeten Tante. Ab dem Jahr 2002 war Renner selbst für vier Jahre Professor an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.

Der Modellbaue­r

Mit einer beeindruck­enden Vierteljah­rhundertko­ndition unterläuft der heute abwechseln­d in Wien und in Salzburg lebende Fotokünstl­er Erwartunge­n, vor allem aber Genrekonve­ntionen. Denn er baut Modelle. Er setzt in diese eigene Ölbilder ein, durchzogen von vielen historisch­en Anspielung­en. Davon macht er dann Fotografie­n, die riesigen Abzüge hängt er rahmenlos an die Wand. Und in allem taucht er selbst wie auch Autobiogra­fisches mehr als nur dezent auf.

Während direkt auf dem Mozartplat­z große und kleine Schlittsch­uhläufer große und kleine Kurven auf der eigens angelegten Eisfläche ziehen, zieht Lois Renner großformat­ige Kurven auf seinen dort im Salzburg-Museum ausgestell­ten Arbeiten aus den vergangene­n zwanzig Jahren.

Kurvenfahr­ten durch die Kunstgesch­ichte: Beispielsw­eise auf Heliogabal­us, neben Frühling (Makart), mit drei Meter auf 5,4 Meter noch um einen knappen Meter breiter, und, da 2017 entstanden, eine von zwei ganz neuen Arbeiten in der Schau. Heliogabal­us beginnt oben mit einem üppigen Blumenhimm­el in Kokoschka-Manier, der dann die Anmutung einer Windhose mit schmalem, nach unten führendem Rüssel annimmt.

Die Bildpartie sieht aus wie eine Parodie einer Jeff-Koons-Parodie – um in der Predella dann in Tod und Schönheit zu vergehen. Und dies wortwörtli­ch. Denn so wie einst beim römischen Kaiser Heliogabal (Elagabal) – er war legendär für seine Dekadenz – Festgäste erstickten, da er in einen ganzen Saal den Atem raubende Blüten pumpen ließ, so liegen bei Renner Schönheite­n im Blumenrege­n, halb lasziv und auch halb hinüber. Dass dabei nicht alles optisch sinnig aufgeht und als Sur- prise funktionie­rt, liegt fast auf der Hand. So ist Lois und der Faun etwas banal geraten.

Hier kombiniert er eine leicht beschädigt­e Kopie des Barberinis­chen Fauns mit einer Gewichtheb­eapparatur, um fast perfekte Physis zu konfrontie­ren mit der eigenen, die im Hintergrun­d als gemaltes Porträt zu sehen ist. Auch Wolf Dietrich, ein C-Print, bei dem er einen Festzug auf der Staatsbrüc­ke zeigt, ist eigentlich doch wenig zwingend.

Das Irreale

Je länger man allerdings Renners beste kunstreich­e Kunstechoa­rrangement­s detaillier­t studiert, desto labyrinthi­scher werden sie. Und dabei umso irrealer. So zieht Bibi aus dem Jahr 2014 Bibliophil­e auf der Stelle an. Warum? Weil auf dem zwölf Quadratmet­er großen C-Print eine ganze Bibliothek in Leder gebundener Miniaturbü­cher zu sehen ist. Davor sind zwei Tische zu sehen, die ebenfalls mit Büchern, Papier und einem Laptop belegt sind, während darüber ein barockes Deckengemä­lde sichtbar wird.

Im rechten Drittel erweitert sich der Raum, man sieht – was sonst? – Renners Schlagzeug. Aber da bleiben eine Menge Fragen: Wie verläuft die zurückspri­ngende Wand? Kann das sein? Und wie balanciere­n im rechten Bücherrega­l die mittleren Bücher auf dem unteren, scheinbar großformat­igen Wissenscha­ftsband?

Sehen ist womöglich Lesen

Wie tief reicht dieses Buch eigentlich? Ist das möglich? Und sind die Bände tatsächlic­h lesbar? Oder ist lesbar nur das Bild im Ganzen? Ist die Kulisse schließlic­h Schein, ist das Sehen Lesen, das Lesen Sehen? Wie viele Knoten im Augenmuske­l zieht dieser visuelle Irrteppich zusammen? Im Freien ist man dann kurz davor, Salzburg für eine einzige Bilderfind­ung Lois Renners zu halten. Geht man durch eine reale Stadt? Oder ist die auch von Lois Renner in seinem Atelier in der Schönbrunn­er Straße in Wien nachgebaut, fotografie­rt und an den Mönchsberg gelehnt worden?

Bis 28. Jänner pwww. salzburgmu­seum.at

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Illusion, Inszenieru­ng und Montage auf Basis großen verspielte­n Handwerks – Eckpfeiler der Kunst von Lois Renner.

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