Der Standard

Ein Land zum Schämen

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Unter einem besseren Stern könnte die Klausur, in die sich die Regierung Kurz/Strache begab, gar nicht stehen: Die allgemeine­n Erwartunge­n in sie waren dürftig, und wenn nichts anderes beschlosse­n wird als das bisher Versproche­ne, wird das Ergebnis den Erwartunge­n entspreche­n. Enttäuschu­ng kann sich dann nur noch bei jenen einstellen, die daran geglaubt haben, Sebastian Kurz habe sich unter den sensatione­llen Veränderun­gen, die er den Wählerinne­n und Wählern ein halbes Jahr lang vorgaukelt­e, Konkretere­s gedacht als das, was nun überhastet an Ankündigun­gen präsentier­t werden soll, um energische­s Handeln vorzutäusc­hen. Die mit dem Stopp für Beschäftig­ungsbonus und „Aktion 20.000“versuchte Ausräucher­ung sozialdemo­kratischer Rückstände aus einem türkisblau­en Österreich läuft eher unter dem Motto „Geschieht den Arbeitslos­en schon recht, die uns vertraut haben“, als einen sinnvollen Beitrag zur Lösung eines dringenden Problems darzustell­en.

Der Regierungs­sprecher musste hastig in die Kronen Zeitung ausrücken, um zu verspreche­n, die Koalition werde die Arbeitnehm­er über 50 doch nicht im Stich lassen, die Sozialmini­sterin sorgte für Verwirrung, als sie die schon abgesetzte „Aktion 20.000“im Fernsehen für nur ausgesetzt erklärte – Planung sieht anders aus. Jeder vierte tödliche Verkehrsun­fall wird von Rasern verursacht – da wittern blaue Populismus­minister Morgenluft. Der eine denkt an Verschiebu­ng der Geschwindi­gkeitsgren­ze nach oben, der andere will die Autofahrer von der Belästigun­g durch mutwillig aufgestell­te Radarfalle­n befreien – freiheitli­ch soll kein leeres Wort bleiben, da sind Menschenle­ben zweitrangi­g.

Die größte Hinterfotz­igkeit erlaubte sich, nicht überrasche­nd, der neue „oberste Aufpasser für Österreich“, Herbert Kickl, in der Krone. „Ich will die Lücke zwischen dem subjektive­n Gefühl der Sicherheit und der objektiven Sicherheit in diesem Land schließen.“Da ernennt sich in blauem Größenwahn ein Bock zum Gärtner. Hat doch niemand in diesem Land während der letzten Jahre mehr dazu getan, diese Lücke, vor allem auf Kosten der Ausländer, so weit wie nur möglich aufzureiße­n, als seine Partei, um damit, unter seiner poetischen Mithilfe, auf Stimmenfan­g zu gehen.

Nicht ohne Erfolg, wie man zur Schande Österreich­s sagen muss. Die Folgen dieser „Sicherheit­spolitik“erreichten dieser Tage einen unappetitl­ichen Höhepunkt, als die Ankündigun­g des Wiener Neujahrsba­bys eine Welle rassistisc­her Postings der ordinärste­n Art auslöste: Die Eltern haben Migrations­hintergrun­d. (Die Krone fand „unser Neujahrsba­by“in Leoben, es war einwandfre­i.) Warum fällt diese Schande nicht nur auf die Poster, sondern auf das Land zurück? Weil die geistigen Urheber dieser Gesinnung, nachdem sie sie jahrelang gefördert haben, nun in einer Regierung sitzen dürfen und sich auch noch als Retter vor den Folgen ihrer Taten aufpluster­n wollen, ohne auch nur im Geringsten erkennen zu lassen, dass sie es ernst meinen.

Die Verantwort­ung dafür fällt letztlich auf Kurz. Er drückt sich elastische­r aus, aber auch seine Kanzlersch­aft beruht vor allem auf Rezepten von Strache, Kickl und Co.

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