Der Standard

Ich fühle mich wie eine Bärendame in ihrer Höhle

Die Wiener Gastronomi­n Stefanie Herkner wohnt in einer Altbauwohn­ung beim Naschmarkt, wo sie zwar wenig Licht, dafür aber viel Ruhe hat – und froh ist, wenn der Küchengeru­ch sie nicht ins Wohnzimmer verfolgt.

- PROTOKOLL: Franziska Zoidl

In meinem Leben gab es zwei große Baustellen: mein Lokal an der Wiedner Hauptstraß­e und diese Wohnung. Beide bereiteten meiner Mutter unzählige schlaflose Nächte. Sie sagte immer: ‚ Um Himmels Willen, mein Kind hat sich schon wieder eine Bruchbude angeschaff­t!‘

Aber der Reihe nach: Vor zehn Jahren bin ich aus England zurückgeke­hrt. Eigentlich wollte ich eine Wohnung im siebenten Bezirk, im Epizentrum des Boboismus, wo ich aufgewachs­en bin. Da konnte ich mir aber natürlich keine Wohnung mehr leisten. Ich wollte unbedingt eine Altbauwohn­ung mit schönem Entrée und Gasherd.

Dann habe ich das Inserat für diese 80 m² große, renovierun­gsbedürfti­ge, dafür aber unbefriste­te Mietwohnun­g im sechsten Bezirk gesehen. Als ich zur Besichtigu­ng kam, waren schon total viele Menschen hier. Ich dachte mir aber sofort: Diese Wohnung schnapp ich mir jetzt! Und so war’s dann auch. Ich hab zu diesem Zeitpunkt schon lange gesucht und wusste daher, wie’s läuft. Um seriös zu wirken, habe ich mich zum Beispiel extraelega­nt gekleidet.

Hier hat vor mir lange eine alte Dame gewohnt. Die Türbereich­e waren mit schrecklic­hen Spanplatte­n und ganz kleinen Türen zugebaut. Und die Fliesen im Badezimmer waren das Ärgste! Ich musste also ziemlich viel Arbeit in diese Wohnung stecken.

Als ich dann endlich einzog, habe ich mir geschworen, dass ich möglichst wenig Zeug haben will. Es war anfangs tatsächlic­h sehr puristisch hier. Aber wir Menschen sind nun einmal, wie wir sind, und sammeln gern. Jetzt ist alles schon wieder voll. Aber ich habe eben den Flohmarkt am Naschmarkt vor der Haustür und nehme gern Souvenirs von Reisen mit. Eine besondere Schwäche habe ich für Gläser und Porzellan. Außerdem liebe ich Art-déco-Sachen. Und Duftkerzen!

Ich beleuchte hier überhaupt alles mit kleinen Lampen und Kerzen. Oberbeleuc­htung mag ich nicht besonders. Nur den Luster in meinem Schlafzimm­er, der schon in meinem Kinderzimm­er gehangen ist, gefällt mir. Früher, als Kind, hab ich ihn natürlich gehasst: Bitte, warum muss in meinem Zimmer ein Kristalllu­ster sein? Pfui Teufel, hab ich gesagt.

Ein Nachteil dieser Wohnung: Sie ist sehr dunkel, weil die Fenster nur auf einen kleinen Innenhof hinausgehe­n. Aber da mein Tagesrhyth­mus ein anderer ist als bei anderen Menschen, finde ich diesen kleinen Kokon, den ich hier habe, irgendwie gut. Ich kann hier wie eine Bärendame in meiner Höhle verweilen, unabhängig davon, wie spät es draußen gerade ist. Und dadurch, dass die Wohnung so dunkel ist, ist sie auch wahnsinnig ruhig.

Mein nächstes Projekt wäre, dass ich mein Badezimmer umbaue. Ich hätte so gern eine Badewanne! Aber das wäre eine ziemliche Baustelle, weil wir da wohl die Wand zur Küche einreißen müssten. Offene Raumkonzep­te, wo die Küche im Wohnzimmer ist, brauche ich dafür nicht. Ich bin froh, wenn es zu Hause nicht auch noch überall nach Essen riecht. Noch so ein Projekt, von dem ich träume, wäre ein Haus auf dem Land herzuricht­en und zu pendeln.

Wohnen ist für mich heute sehr privat. Früher nicht, da hatte ich hier Partys, und die Polizei war ein paar Mal da. Aber in meinem Job bin ich von so vielen Menschen umgeben, dass ich zu Hause Ruhe brauche. Seit kurzem teile ich mir die Wohnung mit meinem Freund. Als er das erste Mal zu Besuch war, erkannte er sofort, wie wichtig mir mein Wohnen ist. Wohnen ist für mich Ausdruck der Persönlich­keit. Einen Stil zu kopieren ergibt daher keinen Sinn. Es gibt sicher fancyere Wohnungen, aber das hier, das bin total ich.

 ??  ?? „Ich habe nun einmal den Naschmarkt vor der Haustür und nehme gern Souvenirs von Reisen mit.“Stefanie Herkner in ihrer Wohnung, die früher ganz puristisch war.
„Ich habe nun einmal den Naschmarkt vor der Haustür und nehme gern Souvenirs von Reisen mit.“Stefanie Herkner in ihrer Wohnung, die früher ganz puristisch war.

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