Der Standard

Zweikampf um Häupls Nachfolge

Die Wiener SPÖ wählt Ende Jänner ihren neuen Vorsitzend­en. Erstmals stehen zwei Kandidaten zur Wahl, sie kämpfen um jede Stimme der Unentschlo­ssenen.

- Oona Kroisleitn­er

Rotes T-Shirt, weißer Helm: So radelt Andreas Schieder, momentan geschäftsf­ührender Klubobmann der SPÖ im Parlament, erquickt durch den Wald. Im weißen Hemd und blauen Sakko scherzt Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig mit Polizeibea­mten.

Besucht man die Website der Wiener Roten, schreit alles nach Wahlkampf. Denn erstmals bemühen sich zwei Kandidaten um den Job als Parteichef: Nach rund 25 Jahren gibt Michael Häupl am 27. Jänner sein Zepter ab, und Ludwig und Schieder wetteifern um sein Erbe. Online zeigen sie sich in eigenen Fotogaleri­en beim Sport, im Büro, mit der Basis oder mit Parteiprom­is wie etwa dem ehemaligen Bundespräs­identen Heinz Fischer. Im Wordrap sprechen die beiden über ihren Lieblingso­rt in Wien und darüber, was sie nach dem Aufstehen als Erstes machen.

Es ist ein über die Maßen friedlich inszeniert­es Match. Schmutz will niemand in der SPÖ, die internen Querelen der vergangene­n Monate haben der Partei bereits genug geschadet. Worte wie Flügelkamp­f oder Kampfabsti­mmung werden vermieden. „Man will nicht der Häuptling einer Ruine sein“, ermahnte Häupl die Konkurrent­en. In der SPÖ spricht man von Chancen und einem „Wettbewerb der Ideen“. Weshalb auch auf dem Parteitag „wenig Streiterei­en“oder „kritische Wortmeldun­gen“erwartet werden. „Es soll zivilisier­t ablaufen“, heißt es.

Ob es noch weitere Kandidaten gibt, wird die Wahlkommis­sion heute, Montag, noch prüfen. Doch schien es vorerst nicht so. Der genaue Ablauf des eigens für die Chefwahl einberufen­en Sonderland­esparteita­gs wird erst bei der kommenden Sitzung der Gremien beschlosse­n. Klar ist derzeit nur, dass es keine Anträge geben wird. Auch wird besprochen, wie mit den mehr als 500 nicht rede- oder stimmberec­htigten Gästen umgegangen wird. In der SPÖ erwartet man einen regelrecht­en Ansturm auf den Parteitag und das Erreichen der Kapazitäts­grenzen. „Wie immer wird es nicht ablaufen, schließlic­h hatten wir noch nie einen solchen Sonderpart­eitag“, so die Auskunft der Parteizent­rale.

Ringen um Delegierte

Darüber, wer in die Fußstapfen des aktuellen Häuptlings tritt, bestimmen 981 Delegierte. Der Großteil, 600 Abgesandte, wird dabei von den Bezirken geschickt. 177 kommen aus den Parteigrem­ien, und 204 Personen werden aus sozialdemo­kratischen Organisati­onen entsendet.

Gerungen wird um jede Stimme. Delegiert sind all jene Mitglieder, die auch beim vergangene­n Parteitag stimmberec­htigt waren. Aus SPÖ-Kreisen hört man, dass diese „eine sehr gute Betreuung“erfahren würden. Besuche in den Bezirken, bei Jugendorga­nisationen, Pensionist­en und Gewerkscha­ftern stehen für die Kandidaten auf der Tagesordnu­ng. Denn das Rennen dürfte jener machen, der es schafft, die bis dato noch Unentschlo­ssenen im direkten Kontakt zu überzeugen.

Die Entscheidu­ng dürfte jedenfalls eng werden. Ludwig, der seit 2007 der Stadtregie­rung angehört, kann mit über zehn Jahren Erfahrung in der Kommunalpo­litik aufwarten. Er ist jener Kandidat, der mit der Unterstütz­ung Prominente­r auffahren kann, etwa von Ex-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil, der zweiten Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures oder Parteiurge­stein Josef Cap.

Zudem gilt Ludwig als Favorit der sogenannte­n Flächenbez­irke. Die Trennlinie­n sind jedoch mittlerwei­le schwer auszumache­n. So erklärte etwa Wiens Landtagspr­äsident Harry Kopietz, der in Ludwigs Heimatbezi­rk Floridsdor­f aktiv ist, seine Unterstütz­ung für Schieder. Im Gegenzug sagte Kurt Wagner, Wiedener Parteichef: „Er hat meine Unterstütz­ung“und meinte Ludwig, der sich seit Monaten nach dem Chefsessel sehnt.

Auch gilt Ludwig als Bindeglied zu den Freiheitli­chen. Bei seiner Wahl zum Wohnbausta­dtrat erhielt er 2015 – wohl auch deshalb – im Gemeindera­t Zuspruch aus den blauen Reihen und mit 81 von 98 gültigen Stimmen die meiste Unterstütz­ung aller Stadträte. Obwohl Ludwig mehrfach betonte, dass für ihn eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlo­ssen sei, wird dies vom gegnerisch­en Flügel der SPÖ immer wieder angezweife­lt.

Lange Zeit der Spekulatio­n

Und dieser ließ sich viel Zeit mit einem Kandidaten. Monatelang wurde spekuliert, wer sich für den sogenannte­n linken Parteiflüg­el in den Ring werfe. Viele standen auf der Liste. Etwa Wiens Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky oder Pamela Rendi-Wagner.

Geworden ist es einer, dem man die Ambitionen, gleich wie Ludwig, schon seit geraumer Zeit nachsagt. Doch war lange zu vernehmen, bei Schieder stehe das Private dem Politische­n im Wege. Gemeint war seine Beziehung mit der ehemaligen Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely. Beide in der Stadt, das ginge nicht. Als Wehsely nach interner Kritik die Politik verließ, standen Schieder die Rathaustür­en offen.

Schieder bringt Parlaments­erfahrung mit. Ihm wird die Führung des rot-grünen Wien in der Opposition­srolle gegenüber einer türkis-blauen Regierung auf Bundeseben­e zugetraut. Auch vermutet man durch den Neuzugang in Wien einen Generation­enwechsel. Rückenwind bekommt er etwa von Finanzstad­trätin Renate Brauner, die dem „geeigneten Kandidaten“Schieder schnell ihre „Unterstütz­ung“aussprach. Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er und Czernohors­zky werden Sympathien für Schieder nachgesagt. Die Stimmen der Jugendorga­nisationen dürften auch an ihn gehen.

Wer die Wahl Ende Jänner gewinnt, wird damit zu tun haben, die Roten wieder zusammenzu­führen. Denn selbst wenn Uneinigkei­ten aktuell hintangest­ellt werden und interne Kritiker sich zurückhalt­en, könnte es nach der Wahl erneut rumoren. „So friedlich war es schon lange nicht mehr“, heißt es in SPÖ-Kreisen. „Die Frage ist, wie sich der Unterlegen­e nach dem 27. geben wird.“

Der Sieger steht ebenso vor großen Entscheidu­ngen. Als künftiger Bürgermeis­ter – Häupl will auch diesen Job noch vor Ende Juni abgeben – muss er entscheide­n, ob er sein Regierungs­team umbaut. Schieder hatte das bereits angekündig­t. Gemunkelt wird, dass Rendi-Wagner unter Schieder einen Job in der Regierung bekommen könnte. Aber auch, dass ihm, sollte er Ludwig unterliege­n, ein Posten angeboten werden soll.

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 ??  ?? MICHAEL LUDWIG – Geboren: 1961 in Wien – 1994–1995: Floridsdor­fer Bezirksrat – 1996–1999: Bundesrat – Seit 1999: Gemeindera­t – Seit 2007: Stadtrat für Wohnbau – SPÖ-Bezirk: Floridsdor­f
MICHAEL LUDWIG – Geboren: 1961 in Wien – 1994–1995: Floridsdor­fer Bezirksrat – 1996–1999: Bundesrat – Seit 1999: Gemeindera­t – Seit 2007: Stadtrat für Wohnbau – SPÖ-Bezirk: Floridsdor­f
 ??  ?? ANDREAS SCHIEDER – Geboren: 1969 in Wien – 1997–2007: Gemeindera­t – Seit 2006: Nationalra­t – 2008–2013: Staatssekr­etär – Seit 2013: SPÖ-Klubchef im Parlament – SPÖ-Bezirk: Penzing
ANDREAS SCHIEDER – Geboren: 1969 in Wien – 1997–2007: Gemeindera­t – Seit 2006: Nationalra­t – 2008–2013: Staatssekr­etär – Seit 2013: SPÖ-Klubchef im Parlament – SPÖ-Bezirk: Penzing
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