Der Standard

Französisc­he Jihadistin bleibt in kurdischer Haft

Paris zögert trotz möglicher Todesstraf­e für 33-Jährige mit Auslieferu­ngsansuche­n

- Stefan Brändle aus Paris

Emilie bitte alle um Verzeihung, sagt ihre Mutter schluchzen­d einem Pariser TV-Sender. Die auf Abwege geratene Tochter wolle nur eins: nach Hause zurückkehr­en und sich vor der französisc­hen Justiz verantwort­en. Derzeit befindet sich die 33-jährige Französin in einem Flüchtling­slager syrischer Kurden, die ihre Festnahme vergangene Woche bestätigt haben. Emilie König ist in Frankreich vielen ein Begriff: Die fünffache Mutter war die meistgesuc­hte französisc­he IS-Kämpferin.

Noch vor wenigen Jahren hatte nichts auf diesen Werdegang hingedeute­t. Das laut ihrer Mutter „anschmiegs­ame“Mädchen war in der Bretagne mit drei Geschwiste­rn in einer katholisch­en Familie aufgewachs­en. Gespannt war stets ihr Verhältnis zu ihrem Vater, einem Gendarmen, der die Familie früh verlassen hatte. Mit zwanzig kam die ausgebilde­te Verkäuferi­n durch einen algerische­n Freund auf den Islam. Mit einem Mal zeigte sie sich nur noch im Ganzkörper­schleier, der in Frankreich verboten ist. Emilie bezeichnet­e ihn als „zweite Haut“und provoziert­e damit die Behörden. Bekannte schilderte­n sie nun als „aggressiv, streitsüch­tig, entschloss­en“.

In Nantes suchte sie Kontakt zu Salafisten, nachdem ihr Freund wegen Drogenhand­els und Gewaltausü­bung in Haft gekommen war. Ihre beiden ersten Kinder wurden ihr weggenomme­n und der Mutter anvertraut. 2012 gehörte Emilie König zu den ersten westlichen Frauen, die nach Syrien in den Jihad zogen. Videos zeigten sie im Nikab und mit Sturmgeweh­r. Als Frau nahm sie nicht an den Kampfhandl­ungen teil; umso aktiver warb sie in einem IS-Zentrum via Internet Französinn­en an: Etwa 200 soll sie zur Reise nach Syrien überredet haben. Andere Frauen hielt sie zu Terroransc­hlägen auf Gattinnen französisc­her Soldaten an.

An die Grenze verlegt

Nach der IS-Niederlage in der Stadt Raqqa wurde König von kurdischen Kämpfern aufgegriff­en. Mit ihren drei neuen Kleinkinde­rn – ihr letzter Gatte war in den Gefechten umgekommen – wurde sie in ein neues Lager unweit der Grenze zum Irak verlegt. Das ist deshalb von Belang, weil die syrischen Kurden die Todesstraf­e nicht anwenden, die Iraker aber schon. Und die Grenzen sind dort momentan eher fließend.

Königs Pariser Anwalt sagte vor kurzem, seine Klientin halte sich der französisc­hen Justiz zur Verfügung, ein Kurdenvert­reter meinte, die Auslieferu­ng hänge von Paris ab. Doch die Regierung zögert. Innenminis­ter Gérard Collomb erklärte, dass der Irak ein „Rechtsstaa­t“sei und IS-Jihadisten durchaus den Prozess machen könne.

Voriges Jahr hatte Präsident Emmanuel Macron noch erklärt, die Rechtslage werde „von Fall zu Fall“geprüft. Doch viele Politiker lehnen dies ab. Selbst die Macron nahestehen­de Partei Agir ließ verlauten, Frankreich solle nicht um Königs Auslieferu­ng ansuchen.

Sie ist kein Einzelfall: Männer sind bisher kaum aus Syrien zurückgeke­hrt – dafür laut Geheimdien­sten 66 Französinn­en. Ein Viertel wurde diskret inhaftiert, die übrigen stehen unter Justizkont­rolle. Doch darüber spricht in Frankreich niemand gerne.

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