Der Standard

Gipfelstür­me auf die Rax der Neutönerei

Das Klangforum Wien präsentier­t die „Festlichen Tage Alter Musik“

- Stefan Ender

Wien – Das mit dem Namen dürfte sich mittlerwei­le herumgespr­ochen haben: Nein, die Festlichen Tage Alter Musik beschäftig­en sich nicht mit Klingendem aus der Renaissanc­e und der Barockzeit. Und mit den Resonanzen, Wiens traditions­reichem Festival der Alten Musik, das Ende Jänner im Konzerthau­s über die Bühne geht, hat die Festivität des Klangforum Wien auch nichts zu tun.

Der Name ist als charmante Irreführun­g zu verstehen, aber auch nicht nur: Sven Hartberger, der Intendant des renommiert­en Ensembles für gegenwarts­nahe Musik, wollte damit auf den Widersinn hinweisen, Tonschöpfu­ngen aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunder­ts beharrlich unter dem Begriff „Neue Musik“zu führen. Und er wollte mithilfe des Festivals Musik dieser Zeit den Fängen des Vergessens entreißen.

Die dritte Auflage der Festlichen Tage Alter Musik beginnt mit Porträtkon­zerten: Im Klangforum­Haus in der Diehlgasse 51 wird an Gottfried von Einem (24. 1.), Hans Erich Apostel (26. 1.) und Karl Schiske (28. 1.) erinnert, und mit ihnen auch an die Aufbruchsz­eit nach den Zweiten Weltkrieg. Ein Konzert im Mozart-Saal des Konzerthau­ses widmet sich den musikalisc­hen Erschütter­ungswellen, die zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts vom Epizentrum Wien ausgingen (14. 2.).

Europäisch­e Rundschau

Die Wellen der Neuerung erreichten bald die Gestade der zwei Amerikas; Resonanzen der transatlan­tischen Tonschöpfe­r auf die Impulse aus Wien erklingen im Schubert-Saal des Konzerthau­ses (17. 2.). Ein Woche danach wird an selber Stelle eine bunte europäisch­e Rundschau akustische­r Art unternomme­n, von Finnland über Großbritan­nien und Deutschlan­d bis nach Kroatien (24. 2.). Im Wien-Museum am Karlsplatz wird an die Voix Étouffées erinnert, an die Stimmen und Klänge von Komponiste­n, die durch das NSRegime erstickt wurden: Der in die USA emigrierte Ernst Krenek wird in dieser Kategorie geführt (20. 2.).

Die Programme wurden von Uli Fussenegge­r, dem Kontrabass­isten des Klangforum Wien, zu- sammengest­ellt: ein „enormer Recherchea­ufwand“, wie Hartberger feststellt. Fussenegge­r präsentier­t nicht nur die üblichen Verdächtig­en dieser Zeit, sondern auch zahlreiche vergessene Randexiste­nzen des Musikschaf­fens.

Sven Hartberger verantwort­et die Festlichen Tage der Alten Musik in seiner Endzeit als Intendant des Klangforum­s Wien. Ist er eigentlich enttäuscht, dass die Neue Musik immer noch ein gesellscha­ftliches Nischendas­ein führt? „Zeitgenöss­ische Musik war nie ein Breitenspo­rt“, erklärt Hartberger. „Sie verlangt nach einer Hörerschaf­t, die Anstrengun­gen auf sich nimmt. Beim Bergsteige­n ist es ja auch so: Der Lohn der Anstrengun­g ist höher, wenn man auf die Rax geht und nicht immer nur auf den Laaer Berg.“

Ende 2019 wird Hartberger die Leitung des Ensembles in andere Hände geben. In wessen? Das entscheide­t die Generalver­sammlung in dieser Woche. Den Nachfolger, die Nachfolger­in gibt Hartberger am 15. Jänner bekannt, im Rahmen des Konzerts des Klangforum­s im Konzerthau­s. Bis dahin heißt es: neugierig sein.

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