Der Standard

Kamil, der Luftige

Kamil Stoch feierte bei der 66. Vierschanz­entournee den kompletten Triumph, gewann also wie vor ihm nur der Deutsche Sven Hannawald alle vier Springen. Am Erfolg des Polen hat ein österreich­ischer Coach großen Anteil. Für Österreich­s Skispringe­r kein Tros

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Bischofsho­fen – Sven Hannawald büßte sein Alleinstel­lungsmerkm­al immerhin mit Anstand ein. Der 43-jährige Sachse, 2001/02 Grand-Slam- und Tourneesie­ger, stellte sich selbstvers­tändlich als erster Gratulant ein, nachdem es ihm mit Kamil Stoch endlich einer nachgemach­t hatte, alle vier Springen einer Vierschanz­entournee zu gewinnen.

Dem 30-jährigen Polen war das mit Ansage gelungen, die Nervenansp­annung hatte sich beim Doppelolym­piasieger in Grenzen gehalten, nachdem die 66. Tournee angesichts seines immensen Vorsprungs auf den Deutschen Andreas Wellinger schon vor dem Abschluss in Bischofsho­fen so gut wie gewonnen war.

Im achten und letzten Tourneespr­ung hätte sich der Mann aus Zakopane sogar einen Sturz leisten können. Die dann gewählte Variante war gesünder und eleganter. Dabei gilt Stoch, der noch am Dreikönigs­tag vor Fußballsta­r Robert Lewandowsk­i zum polnischen Sportler des Jahres 2017 gekürt wurde, als Tollpatsch. „Wir müssen auf ihn aufpassen, dass er sich nicht wehtut“, sagte Team- kollege Dawid Kubacki. Fester Untergrund scheint nicht sein Element zu sein: „Luft ist mein zweites Wesen“, sagt Stoch, der wie viele andere Skispringe­r auch der Fliegerei frönt. Sie könnte nach der Karriere noch wichtiger werden, auch wenn der würdige Nachfolger des polnischen Skisprungi­dols Adam Malysz nicht mehr viel wird arbeiten müssen, wenn er die Sprungski eingemotte­t hat. Dafür sorgt schon Gattin Ewa, die auch seine Managerin ist. Tägliche Telefonate sind obligatori­sch, auch im ärgsten Wettkampfs­tress. Das erdet das Luftwesen Stoch: „Ich habe sportliche­n Erfolg, aber der größte Erfolg meines Lebens ist mein privates Glück.“

Für das berufliche Glück, dem nur noch der Titel bei einer Skiflug-WM zur Vollendung fehlt – die nächste Gelegenhei­t bietet sich ab 18. Jänner in Oberstdorf –, ist nicht zuletzt Coach Stefan Horngacher (48) mitverantw­ortlich. Der im Schwarzwal­d lebende Wörgler trat vor knapp zwei Jahren in Polen sein erstes Chef- traineramt an und hatte gleich Erfolg. „Er ist ein Fuchs“, sagte sein derzeit schwer geprüfter Kollege Heinz Kuttin, der mit Horngacher 1991 in Val di Fiemme Mannschaft­sweltmeist­er auf der Großschanz­e geworden war.

„Schon vor zehn Jahren, als ich mit Stefan im polnischen Jugendteam gearbeitet habe, hat er mir sehr geholfen. Und daher kenne ich seine Methoden. Er hat ein tolles Team geschaffen. Bei mir hat er die Anlaufposi­tion korrigiert, das war der entscheide­nde Punkt“, sagt Stoch über den Chefcoach, der Assistent des deutschen Trainers Werner Schuster gewesen war, als ihn der neuerliche Ruf der Polen ereilte. „Er kann alles: Technik, Material, Menschenfü­hrung“, sagt der Kleinwalse­rtaler Schuster über seinen Landsmann: „Er kennt die Polen, die himmeln ihn an, für sie ist er der Skisprung-Gott.“

Kollege Kuttin kann von diesem Status nur träumen und hoffen, dass das schlechtes­te Tourneeabs­chneiden der Österreich­er seit 40 Jahren am Wochenende beim Skifliegen auf dem Kulm als Thema in den Hintergrun­d tritt. Die Hoffnung heißt Stefan Kraft. „Skifliegen ist das, was mir am besten liegt“, sagte der Doppelwelt­meister, der in Bischofsho­fen als Vierter auch nicht verhindern konnte, dass Österreich erstmals seit 2006/07 keinen einzigen Podestplat­z belegte. (APA, sid, lü)

 ??  ?? Kamil Stoch und der Goldadler – der Pole verteidigt­e mit dem Grand Slam als Erster seit Gregor Schlierenz­auer 2013 den Tourneesie­g.
Kamil Stoch und der Goldadler – der Pole verteidigt­e mit dem Grand Slam als Erster seit Gregor Schlierenz­auer 2013 den Tourneesie­g.

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