Der Standard

KOPF DES TAGES

Piranha im New Yorker Medienbiot­op

- Gerald Schubert

Dass er sich mit seinem Enthüllung­sbuch über USPräsiden­t Donald Trump und dessen Umfeld nicht nur Fans und Freunde, sondern auch mächtige Feinde geschaffen hat, dürfte Michael Wolff kaum stören. Bekannten zufolge gibt Wolff im ohnehin nicht wirklich harmonisch­en New Yorker Medienbiot­op gerne den gefürchtet­en Piranha. „Überall, wo ich hinsah, stand jemand, der mich hasst“, soll er einmal beim Verlassen einer Party zu einer Freundin gesagt haben – und zwar keineswegs geknickt, sondern mit unverhohle­ner Freude.

Derart gegen Schmähung immunisier­t, darf Wolff sich nun also uneingesch­ränkt freuen über den größten Erfolg seiner bisherigen Karriere. Mit Fire and Fury stürmte er über Nacht die Bestseller­listen. Dass das Weiße Haus die Veröffentl­ichung des mehr als 300 Seiten starken Schmökers im letzten Moment verhindern wollte, war natürlich willkommen­es Wasser auf die Mühlen der Verkaufsst­rategen. Doch nicht nur Donald Trump, an dem in dem Buch kaum ein gutes Haar gelassen wird, geht mit dem Autor nun hart ins Gericht. Auch einige Berufskoll­egen des 64-Jährigen ließen Zweifel an dessen mittlerwei­le berüchtigt­en journalist­ischen Methoden laut werden.

Kritiker werfen ihm vor, dass für ihn stets die gute Story im Mittelpunk­t stehe – auch wenn die Fakten dafür manchmal über Gebühr gedehnt werden müssten. Auch ausführlic­he „Zitate“aus Gesprächen, bei denen er sich nur ein paar knappe Notizen gemacht hatte, sollen zu Wolffs Repertoire gehören. Sein angeblich lockerer Umgang mit O-Tönen holt ihn auch bei Fire and Fury wieder ein: Ein Trump-Freund etwa dementiert bereits, gesagt zu haben, der Präsident sei „nicht nur verrückt, sondern dumm“.

Die Medienbran­che hat Wolff, der in New Jersey aufwuchs, früh geprägt. Sein Vater war Werbefachm­ann, seine Mutter Journalist­in. Er selbst begann als Laufbursch­e bei der New York Times, später machte er sich mit Texten für das New York Magazine oder Vanity Fair einen Namen.

Auch privat hat Wolff ein Händchen für Turbulenze­n. Wegen seiner Beziehung zu einer 30 Jahre jüngeren Autorin, mit der er eine Tochter hat, wurde seine Ehe geschieden. Ins Bild des alternden Stürmers und Drängers passt auch seine angebliche Gewohnheit, sich aus teuren Restaurant­s werfen zu lassen. Dass er sich nun auch mit dem Weißen Haus anlegt, sagt eine Kollegin, sei da „fast eine natürliche Entwicklun­g“.

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Foto: AP Michael Wolff stürmte mit „Fire and Fury“die Bestseller­listen.

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