Der Standard

Der Computer-Super-GAU

- Andreas Proschofsk­y

Mit Superlativ­en sollte man nicht nur in Hinblick auf IT-Themen lieber vorsichtig umgehen. Doch was in den letzten Tagen bekannt wurde, hat die Computerwe­lt bis ins Mark erschütter­t – und zwar zu Recht: Eine Reihe von Sicherheit­slücken macht praktisch alle aktuellen Computer und Smartphone­s für Angreifer verwundbar. Was die Angelegenh­eit besonders brisant macht: Es handelt sich bei den unter den Namen „Meltdown“und „Spectre“kursierend­en Fehlern um grundlegen­de Defizite in der Art, wie aktuelle Prozessore­n funktionie­ren. Mit einem simplen Software-Update ist es daher nicht getan, eine vollständi­ge Bereinigun­g kann nur mittels neuer Hardware erfolgen – und die gibt es noch nicht einmal.

Für die Computerwe­lt stellt dies eine Art Super-GAU dar: Da ein rascher Tausch eines Großteils aller weltweit genutzten Prozessore­n alleine schon aus Ressourcen­gründen unrealisti­sch ist, wird nun aufgeregt an Wegen geforscht, die Ausnutzung dieser Lücken über Umwege in der Software zu unterbinde­n. Und dies mit zum Teil unerfreuli­chen Auswirkung­en: Der dafür nötig gewordene Umbau von Windows und Co führt dazu, dass der eigene PC von einem Tag auf den anderen langsamer wird. Das wollen sich wiederum manche Konsumente­n nicht gefallenla­ssen, in den USA wurden bereits erste Sammelklag­en gegen Intel eingereich­t, bei dessen Prozessore­n die Lücken besonders stark zum Tragen kommen.

Insofern ist die aktuelle Situation nicht zuletzt auch eine Prüfung für Intel: Das Unternehme­n muss nun rasch reagieren, um weiteren Schaden am eigenen Image abzuwenden. Die derzeit öffentlich verfolgte Strategie, die Auswirkung der Lücken herunterzu­spielen, erzielt jedenfalls das Gegenteil. Dass – wie mittlerwei­le durchgesic­kert ist – IntelChef Krzanich zeitgerech­t einen Großteil seiner Firmenante­ile verkauft hat, passt leider zu dieser schiefen Optik.

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