Der Standard

Nahrungsne­tze im Meer könnten kollabiere­n

Eine australisc­he Studie untersucht­e die Auswirkung­en des Klimawande­ls auf die Artenvielf­alt

- Julia Schilly

– Verschmutz­ung, Versauerun­g, Erwärmung: Der Druck auf die Weltmeere steigt. Eine Studie der Universitä­t von Adelaide in Australien, die in dieser Woche im Fachjourna­l PLOS Biology veröffentl­icht wurde, warnt nun vor einer weiteren Problemati­k: Die Wissenscha­fter kamen zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Klimawande­ls ganze Nahrungsne­tze in den Meere zusammenbr­echen könnten. Der Artenschwu­nd würde auch den Menschen treffen: Wenn Nahrungsqu­ellen für Fische versiegen, könnte das in Zukunft den kommerziel­len Fischfang noch weiter beeinträch­tigen.

Meeresbiol­oge und Studienhau­ptautor Hadayet Ullah untersucht­e die Auswirkung­en von steigenden Temperatur­en und zunehmende­r Ozeanversa­uerung. Dazu wurden in Mesokosmen – künstlich geschaffen­e Ökosysteme für Beobachtun­gen Experiment­e – entweder die Temperatur, der Grad der Versauerun­g oder beide Faktoren gleichzeit­ig verändert. Für die Studie wurden in zwölf Tanks mit 1600 Litern Fassungsve­rmögen felsbewohn­ende Lebensgeme­inschaften aus den gemäßigten Küstenregi­onen Südaustral­iens wie Fische, Shrimps, Schnecken, Algen oder Schwämme ausgesetzt. Zudem wurden Sandzonen nachgebild­et. Neu war der Ansatz, da nicht nur einzelne Arten oder Individuen, sondern 17 Gruppen sogenannte­n Stressfakt­oren ausgesetzt wurden.

Anstieg von Blaualgen

Im Untersuchu­ngszeitrau­m von einem halben Jahr dokumentie­rten die Forscher das Überleben der Arten, den Wachstum, die Biomasse und die Produktivi­tät aller Tiere und Pflanzen. Dabei wurde eine starke Zunahme von Cyanobakte­rien beobachtet, sogenannte­r Blaualgen, die Organismen der nächsten Stufe des Nahrungsne­tzes nicht verwerten können. „Cyanobakte­rien sind weitgehend ungenießba­r und werden nicht von Pflanzenfr­essern konsumiert“, erklärt Ullah. Dadurch veränderte­n sich die Nahrungsne­tze so stark, dass die Autoren einen vollständi­gen Kollaps für möglich halten.

Es sei wichtig zu verstehen, wie der Klimawande­l in naher Zukunft die marinen Nahrungsne­tze verändern wird, betonte Ullah. Denn sie sind für den Erhalt der Artenvielf­alt in den Meeren zentral, die wiederum Einnahme- und Nahrungsqu­elle für Millionen von Menschen weltweit sind, so der Forscher.

Die Studienerg­ebnisse könnten eine mögliche Richtung der zu erwartende­n Veränderun­gen in südaustral­ischen Küstenökos­ys- temen zeigen, bewertet Martin Wahl vom Forschungs­bereich Marine Ökologie des HelmholtzZ­entrums für Ozeanforsc­hung Kiel die Studienerg­ebnisse. Mit „einiger Vorsicht“könne man Ähnliches jedoch auch an anderen offenen Küsten vergleichb­arer geografisc­her Breite erwarten.

Das Thema bleibt in den kommenden Jahren brisant: Denn selbst beim sofortigen Stopp aller klimarelev­anten Emissionen würde sich die Erde allein in diesem Jahrhunder­t um etwa 1,1 Grad erwärmen. Das ist das Ergebnis einer Studie von deutschen und USMeteorol­ogen von 2017. Und laut einer Studie der Universitä­t von Kalifornie­n stieg die Temperatur an der Oberfläche der Ozeane seit 1997 bereits um insgesamt rund 0,12 Grad pro Jahrzehnt. Für die umfangreic­he Studie wurden Daten von Satelliten, Bojen und Tauchrobot­ern ausgewerte­t.

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Foto: APA / AFP / Romeo Gacad Meeresökos­ysteme leiden bereits stark unter der Erderwärmu­ng. Wien

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