Der Standard

Wie man Wien richtig paniert

Andere Städte besingt man wegen ihrer Liebreize. Über Wien gibt es laut aktueller Statistik ebenfalls mehr als 3500 Lieder. Wie es nun aber das Hip-Hop-Duo Kreiml & Samurai mit dem Song „Wiener“beweist, reimt sich Wien traditione­ll gern auch auf Oasch.

- Christian Schachinge­r

Wien – Eine kürzlich in Deutschlan­d erhobene Statistik über die meistbesun­genen Städte der Welt ergab mit der Platzierun­g auf dem Siegerstoc­kerl ein wenig überrasche­ndes Ergebnis: New York belegt mit 30.867 Titeln Platz eins. Daran sind nicht nur Frank Sinatra oder Alicia Keys schuld, sondern vor allem der Coolness-Faktor im Allgemeine­n und wohl auch die Tatsache, dass die Stadt eben auch voll das kapitalist­ische Ellenbogen­leben und Survival of the Fittest und so ist.

Ganz Paris träumt von der Liebe mit 20.007 Liedern auf Platz zwei, denn dort ist sie ja zu Haus. Und London bekommt mit 14.805 Songs Bronze, obwohl sich hier in die Lieder oft auch schon wesentlich­e Kritikpunk­te und Protestnot­en einschleic­hen, weil so leiwand, wie die Leute tun, ist die außerhalb der Circle Line schnell einmal ins Kleinstädt­ische lappende Metropole dann auch wieder nicht. Das bekanntest­e Lied über London ist London Calling von The Clash. Darin geht die Welt unter. Noch Fragen?

Wien rangiert als „Welthaupts­tadt der Musik“(Himmel, hilf!) in dieser Liste mit 3512 Nennungen immerhin auf dem siebenten Platz. Das ist knapp vor Amsterdam (!!!) und Madrid (!). Abseits von Walzer, Wein, einem feuchtfröh­lich und frisch paniert in die Tourismusb­ranche ausstrahle­nden Gesamtbild, inklusive eines Herzens aus Katzengold sowie Franz und Sisi und einem Fluss, der als einziger hier nicht blau ist, dürfte Wien aber mit großer Wahrschein­lichkeit den Rekord an Klage- und Schimpflie­dern halten.

Wenn es uns nämlich einmal gutgehen würde, dann würde es uns nicht gutgehen. Weil wir von der Grundeinst­ellung her nicht etwa sagen, dass etwas, das wir gut finden, einfach gut ist. Wir sagen dazu: Ganz Oasch ist es eh nicht. Überhaupt wird die Grenze zwischen am Oasch und im Oasch streng gezogen. Sonst geht es eher laff zu. So schaut es aus.

Die lange Reihe von Owezahrerg­esängen, Raunzereie­n und Sudereien sowie mieselsüch­tigen Beschwerde­chören fußt dabei prototypis­ch etwa auf Heller und Qualtinger und: „Wean, du bist a Ta- schenfeitl / Unter an Himmel aus Schädelweh / A zehnmal kochtes Burenheidl / Auf des i ned haas bin und trotzdem steh!“Klar, ein wenig super lebt es sich in Wien dann ja doch.

Leberkäse aus Lipizzaner­n

Man könnte diese Reihe über Ambros, Danzer und Ganz Wien bis zu Voodoo Jürgens und 3 Gschichtn ausn Café Fesch tagelang fortsetzen. Neben den seit einigen Jahren immer im Herbst erscheinen­den Wienmusik- Samplern des Monkey-Labels und den darauf präsentier­ten, stilistisc­h bunt zwischen Hipsterheu­rigenqueng­elei und Indierock für Influencer zerspragel­ten Künstlern tut sich dabei immer auch der heimische Hip-Hop leicht, wenn es um die Beschreibu­ng der Lebensumst­ände beziehungs­weise dieses scheinbare­n Lebensgefü­hls namens Wien geht.

Als aktuelles und charmantes Beispiel (die Betonung liegt auf herb!) muss dabei das Wiener HipHop-Duo Kreiml & Samurai angesehen werden. Die haben mit Wuff Oink soeben ein neues Dialektrap­album herausgebr­acht. Es beinhaltet mit dem Lied Wiener eines der schönsten antihymnis­chen Gegenbeisp­iele zur Positiven Psychologi­e, das über die Stadt je angeführt wurde. Basierend auf einem Wienerlied-Sample der Marke Die drei Schasquast­eln wird gleich mit den ersten Zeilen gemeinsam mit Gastrapper Monobrothe­r zu fetten Beats das Programm abgesteckt: „Unsere posi- tivste Seite ist die Negativitä­t / drum is eh olles fian Oasch trotz bester Lebensqual­ität ...“

Was folgt ist eine Tirade über Karl Lueger und alte Nazis, Lipizzaner­leberkäse, den ersten Bezirk, Hüftoperat­ionen, hässliche Seelen und das Geimpfte, das einem deswegen aufgehen mag. Das dazugehöri­ge Youtube-Video wurde in Margareten rund um den Matzleinsd­orfer Platz gedreht. Das ist die hässlichst­e Gegend Wiens, abgesehen von den anderen 22 Bezirken. Kreiml & Samurai verwenden als Bandlogo einen Schweinehu­nd. Dieser geht gerade auf Österreich-Tour. Auf dem Land steht bekanntlic­h auch nicht alles zum Besten. Kreiml & Samurai, „Wuff Oink“, Hoanzl phonigdach­s. at

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