Nadja Heigl liebt den Gatsch
Die 21-jährige Nadja Heigl ist die beste Querfeldeinradsportlerin des Landes. Mit Enthusiasmus und familiärer Unterstützung nähert sich Österreichs einzige Weltcup-Starterin der Weltklasse an, eine Medaille bei der U23-WM im Februar scheint nicht unmöglic
St. Pölten – „Ich bin über meine Familie zum Sport gekommen“, sagt Nadja Heigl. Auch Vater und Bruder von Österreichs bester Querfeldeinfahrerin sind im Radsport aktiv. Will er auch im Winter unterwegs sein, landet der engagierte Pedaleur quasi automatisch beim Querfeldeinsport, auch Cyclocross genannt.
Heigl, 21 Jahre jung, gewann am Dreikönigstag in St. Pölten in hochüberlegener Manier als erste Athletin zum sechsten Mal in Folge die nationale Meisterschaft, tritt als einzige Österreicherin im Weltcup an. Dabei hat sich Heigl erst 2017 auf Cyclocross spezialisiert, bis dahin war das Mountainbike gleichwertig.
„Die Voraussetzungen sind für alle gleich, das taugt mir“, erklärt sie dem STANDARD. „Man muss sich an unterschiedliche Gegebenheiten anpassen. Wenn es regnet oder gatschig ist, macht das Fahren besonders Spaß.“Die Athletinnen bewältigen die überwiegend unbefestigten Wege auf Rennrädern mit klassisch-gebogenem Lenker und ohne Federung. Die Wettkämpfe sind kompakt, sie dauern bei den Frauen 40 Minuten, die Männer sind etwa eine Stunde lang unterwegs. Damen- und Herrenrennen finden am selben Ort hintereinander statt, dadurch, sagt Heigl, gehen die Frauen nicht so unter. „Weil wir auf Rundkursen fahren, kann man von einem Standort oft einen Großteil der Strecke überblicken. Das ist auch für die Zuschauer attraktiv.“
In Belgien, der Herzkammer des Querfeldeinsports, wohnen Zehntausende den Rennen bei. Es herrscht Volksfeststimmung. Die Partys vor, nach und auch schon einmal während der Wettkämpfe werden von den Fans im Land der Biere mit vollem Einsatz absolviert. Heigl gerät ins Schwärmen: Die Atmosphäre im Fahrerlager sei ein Erlebnis.
Die Belgier, genauer gesagt die Flamen, dominieren seit geraumer Zeit die internationale Querfeldeinszene. Von 2000 bis 2014 holten Fahrer aus dem flachen Land bei Weltmeisterschaften 33 von 52 möglichen Podiumsplätzen. Mit Wout Van Aert und Sanne Cant kommen auch die regie- renden Weltmeister bei Männern wie Frauen aus Flandern.
Ein besonderer Schatz für das voller Enthusiasmus zu dritt durch Europa tingelnde Familienteam Heigl ist das eigene Wohnmobil. „Man ist mit dem eigenen Quartier direkt vor Ort, das ist sehr angenehm. Dort kann ich vor dem Wettkampf auf der Rolle aufwärmen, danach gleich heiß duschen.“Ein Crowdfunding-Aufruf zur Finanzierung einer Reparatur des alten Gefährts lief nicht ganz nach Wunsch – Vater Heigl, dessen Aufgabenbereich auch die Betreuung seiner Tochter während der Rennen umfasst, konnte dann aber doch ein neues Rad aufstellen. Die Heigls tragen so gut wie alle Kosten selbst, Start- und Preisgelder gehen für Benzin drauf. Das Material ist teuer, in der laufenden Saison kann Nadja noch Rennmaschinen nutzen, die ihr mittlerweile aufgelöstes ehemaliges Team zur Verfügung stellt. Sie ist Heeressportlerin, bezieht ein Angestelltengehalt. Vielleicht noch wichtiger ist der damit einhergehende Versicherungsschutz.
Probieren und studieren
Sich mit der Topografie des Parcours vertraut zu machen ist beim Cyclocross das Um und Auf. Es gilt Schaltpunkte festzulegen, auszutesten, wie schnell die Kurven gehen. Das Set-up ist bei jedem Rennen anders, der Luftdruck in den Reifen abhängig vom Zustand des Bodens. Merke: Gatsch ist niemals gleich Gatsch.
Heigl bevorzugt hügelige, technisch anspruchsvolle Kurse. „Wenn es auch noch unruhig oder rutschig ist, habe ich mit meinem Mountainbike-Hintergrund schon Vorteile.“Es kommt dann viel auf Sensibilität an. Wie weit kann man gehen, dabei aber trotzdem noch auf dem Rad bleiben?
Querfeldein ist nur sehr bedingt Teamsport, im Rennen kämpft jede für sich allein. Taktik spielt bei weitem nicht jene Rolle wie auf der Straße. Seit zwei Jahren gibt es bei Welt- und Europameisterschaften eine U23-Kategorie, für junge Athletinnen eine gute Gelegenheit, sich an die absolute Weltklasse heranzutasten. Bei der WM im niederländischen Valkenburg Anfang Februar ist Heigl dort zum letzten Mal startberechtigt. 2016 fuhr sie in Heusden-Zolder auf Platz fünf in der U23-Wertung und schaffte damit Österreichs erstes Top-Ten-Ergebnis der WMGeschichte.
Mit ihrer aktuellen Verfassung ist sie hochzufrieden. Geht vieles gut, ist ein Platz in den Medaillenrängen durchaus realistisch.