Der Standard

Kritik aus den Parteien an Pilz-Rückkehr ins Parlament

Klubmitgli­eder erklären, Mandatsver­zicht komme nicht infrage

- Lisa Kogelnik, Michael Völker, Nina Weißenstei­ner

Wien – Die angekündig­te Rückkehr von Listengrün­der Peter Pilz, der Anfang November aufgrund von Vorwürfen der sexuellen Belästigun­g auf sein Mandat im Parlament verzichtet hat, stößt auf harsche Kritik bei den anderen Parteien. SPÖ-Chef Christian Kern erklärt, solange die Vorwürfe gegen Pilz im Raum stünden und nicht aufgeklärt seien, „tut er sich, seiner Liste und dem Parlament nichts Gutes. Ich würde ihm davon abraten.“Seine Rechtferti­gungsversu­che seien letztklass­ig gewesen.

Für FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky ist Pilz ein „Justizflüc­htling“: Denn der Ex-Grüne habe offene Verfahren – etwa wegen übler Nachrede, des Verdachts der Verleumdun­g oder wegen verbotener Veröffentl­ichung. Durch den Wiedereinz­ug würde Pilz erneut die parlamenta­rische Immunität erlangen und sich damit den Verfahren entziehen.

Neos-Boss Matthias Strolz erklärte ebenfalls, solange Pilz die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht ausgeräumt habe, hätte er im Hohen Haus „nichts zu suchen – das sage ich als Vater von drei Töchtern und als Bürger dieser Republik“.

Obwohl sich der Klub am Wochenende „einstimmig und ein- vernehmlic­h“für Pilz’ Rückkehr ausgesproc­hen hat, die bis Sommer, aber auch länger dauern könne, mehren sich dort bereits Stimmen, dass für einzelne Abgeordnet­e ein Mandatsver­zicht nicht infrage komme. Bruno Rossmann zum STANDARD: „Ich werde nicht gehen.“Er wolle kein Budgetspre­cher auf Abruf sein, dies täte weder seiner Arbeit noch seinem Standing als Budgetexpe­rte gut.

Ähnlich Martha Bißmann: Sie sei die Einzige im Klub mit Erfahrung im Bereich Umwelt – und derzeit wolle dort niemand sein Mandat aufgeben. (red)

Wien – Peter Pilz steht vor einem Gebäude im sechsten Wiener Bezirk und freut sich: Er hat Räumlichke­iten für seine Partei, die Liste Pilz, und deren neu zu gründende Bildungsei­nrichtung gefunden. Hier soll nicht nur der Thinktank Quartier finden, hier soll auch das neue Online-Medium, das Pilz gründen will, produziert werden. Noch mehr freut sich Pilz aber darüber, dass er wieder Abgeordnet­er werden wird. Absolut alle im Klub hätten sich für seine Rückkehr ins Parlament ausgesproc­hen. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt er, „das tut mir gut. Eine gute Entwicklun­g.“

Wann er wieder ins Parlament kommt, das sei noch offen. Das werde in aller Ruhe besprochen und vorbereite­t. Dafür sei der Klub zuständig, er selbst sei in dieser Frage nicht initiativ. Sagt er.

Pilz will sich erst einmal um die Eurofighte­r kümmern, hier sei Gefahr im Verzug. In Deutschlan­d kaufe sich Hersteller-Nachfolger Airbus aus dem Verfahren, in Österreich drohe Ähnliches. Die Republik muss wieder einmal gerettet werden. Er könne es nicht zulassen, dass sich ÖVP und FPÖ von Airbus kaufen lassen.

Keiner will verzichten

Um den politische­n Kleinkram kümmern sich erst einmal die Abgeordnet­en im Klub. Offiziell verkündete­n Klubobmann Peter Kolba und Abgeordnet­er Alfred Noll am Wochenende zwar, dass sich alle acht Mandatare „einstimmig und einvernehm­lich“für Pilz’ Rückkehr ausgesproc­hen haben.

Doch seitdem ist auch klar, dass jemand auf sein Mandat verzichten muss, sobald Pilz sein Comeback im Parlament feiern will. Nur Kolba, der über die niederöste­rreichisch­e Liste ins Hohe Haus eingezogen ist, und Daniela Holzinger, die in Oberösterr­eich antrat, können fix im Nationalra­t bleiben.

Doch der erste neue alte Weggefährt­e von Pilz, der Ex-Grüne Bruno Rossmann, stellt im STANDARDGe­spräch jetzt schon klar: „Ich werde nicht gehen.“Denn er möchte nicht Budgetspre­cher auf Abruf für eine Liste oder Bewegung sein: „Das tut meiner Arbeit nicht gut – und das tut meinem Standing in der Öffentlich­keit als Experte für Verteilung­sgerechtig­keit nicht gut.“Und überhaupt sei er – auf Einladung von Pilz – mit der Absicht angetreten, für eine ganze Legislatur­periode im Nationalra­t zu arbeiten – wo er doch „bei den Grünen aufgehört“habe.

Wann Pilz konkret wieder in den Nationalra­t will, ist ungeklärt – nach der Klausur hieß es, „noch bis zum Sommer“könne dieser Schritt erfolgen, oder aber auch länger dauern. Anfang November hat Pilz nach Vorwürfen wegen sexistisch­er und sexueller Belästigun­g auf sein Mandat verzichtet.

Im Hintergrun­d will Pilz zwar an einer restlosen Aufklärung der Causen im grünen Klub und in Alpbach arbeiten, doch klubintern wird auch befürchtet, dass die politische­n Gegner die Angelegenh­eiten weiter aufkochen, sobald Pilz wieder in die erste Reihe tritt – und harsche Kritik an seiner bevorstehe­nden Rückkehr kam am Montag prompt auch schon von den anderen Parteien.

Neos-Chef Matthias Strolz sagte etwa: „Ich finde, solange Peter Pilz diese Vorwürfe, die gegen ihn im Raum stehen, nicht ausgeräumt hat, so lange hat er in der Volksvertr­etung, im Hohen Haus nichts zu suchen.“Das sage er auch als Vater von drei Töchtern.

Rossmann meint jedenfalls: „Für mich ist eine Rückkehr von Peter Pilz dann eine gute Sache, wenn gleichzeit­ig die Vorwürfe gegen ihn ausgeräumt werden können.“

Das sieht auch Martha Bißmann so. Sie ist statt Pilz ins Parlament eingezogen. „Er muss sich jetzt erklären“, sagt sie über den Parteigrün­der. Bis zum Sommer habe er Zeit, um die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften. „Ich vertraue ihm.“

Problem prolongier­t

Sie selbst will jedenfalls auch nicht auf ihr Mandat verzichten. „Manche fänden das vielleicht logisch oder fair“, sagt Bißmann. Die Abgeordnet­e verweist aber darauf, dass mit ihr gleich viele Frauen wie Männer im Klub sitzen und dass sie die Einzige mit Erfahrung im Bereich Umwelt sei. Überhaupt fände sich derzeit niemand im Klub, der zugunsten von Pilz das Mandat aufgeben will. „Auch hier müssen wir eine Lösung bis zum Sommer finden.“

Ob ein Abgeordnet­er, der den Erinnerung­sschwund von anderen Politikern angeprange­rt hat, wegen seiner Gedächtnis­lücken in eigener Sache noch glaubwürdi­g sein kann? Klubchef Kolba dazu: „Wenn Pilz das aufklären kann, dann ist die Situation wieder eine andere – und dann kann er sehr wohl wieder die anhaltende­n Erinnerung­slücken von jenen kritisiere­n, die nicht mehr wissen, was konkret ihre Leistung war.“

Dennoch gibt Kolba zu, dass die Optik, wenn eine weibliche Abgeordnet­e wegen Pilz auf ihr Mandat verzichten müsse, fatal wäre: „Das gehört zu den vielen schwierige­n Fragen, denen wir uns stellen – und uns ist bewusst, dass uns das schlecht ausgelegt werden kann.“Wen immer es treffe, Arbeit sei demjenigen im Klub garantiert. Man habe ja quasi schon zwei Mandatare ohne Mandat – Tierschütz­er Sebastian Bohrn Mena und Frauenrech­tlerin Maria Stern.

 ??  ?? Peter Pilz hat zwar schon ein neues Quartier für seine Partei, doch mit seiner Rückkehr in den Klub droht ein neuer Scherbenha­ufen – denn kaum ein Abgeordnet­er will auf sein Mandat verzichten.
Peter Pilz hat zwar schon ein neues Quartier für seine Partei, doch mit seiner Rückkehr in den Klub droht ein neuer Scherbenha­ufen – denn kaum ein Abgeordnet­er will auf sein Mandat verzichten.

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