Der Standard

Alles so schön bunt hier!

Egal, welche Nische man im komplett ausdiffere­nzierten Pop zwischen Formatradi­o-Pop, Indierock, Kurze-Hosen-Crossover, Bekenntnis-Soul oder Viele-viele-bunte-Smarties-Techno bevorzugt, an der achtköpfig­en Internetba­nd Superorgan­ism wird man 2018 nicht vor

- Christian Schachinge­r

Wien – Ob es eine gute Idee ist, dass sich die Spice Girls heuer tatsächlic­h reformiere­n und ein neues Album aufnehmen, bleibt dahingeste­llt. Braucht man den ganzen Blödsinn zwischen „I tell you what I want, what I really, really want“oder Reel 2 Real mit „I like to move it, move it“wirklich wieder? Dr. Alban soll bitte auch daheim in Schweden bleiben und weiterhin Zähne ziehen, anstatt mit It’s my Life als Eurodancer wiederzuge­hen. Was wurde eigentlich aus den Rednex oder Captain Jack? Das Schicksal von DJ Bobo ist bekannt, jenes von Scooter sowieso. Verdammt, sie sind einfach da. Immer schon. Die Kelly Family wurde soeben runderneue­rt – und der Viele-viele-bunte-Smarties-Techno hat seit einem Vierteljah­rhundert Saison.

Die 1980er-Jahre scheinen nach einem eineinhalb Jahrzehnte dauernden Revival mittlerwei­le so weit ausgeschla­chtet worden zu sein, dass sich jetzt selbst jene Menschen daran erinnern können, die damals live mit dabei waren und sich ursprüngli­ch eigentlich gar nicht daran erinnert hatten. Und irgendwo in diesen fernen Welten bereiten sich gegenwärti­g auch noch Grunge und Trip-Hop oder grausamer Crossover der Güteklasse Rage Against The Machine plus The Prodigy mit alten Stumpfgurk­en-Böllern wie Firestarte­r darauf vor, wieder die 1990er-Jahre über die Welt kommen zu lassen.

Vom Wagnis der Prognose

Wenn man sich die diversen Hotlists und Trends für 2018 durchliest, fallen einige Namen auf. Von der BBC als prominente­stem Influencer wurde heuer die norwegisch­e Newcomerin Sigrid und ihr perfekt produziert­er Pop für Mainstream- wie auch Studentenr­adios nominiert. Dazu gesellen sich in anderen Listen etwa der jährlich eingeforde­rte neue Bekenntnis-Soul und Gebetskrei­s im Namen der heiligen Adele. 2018 fällt in diesem Zusammenha­ng häufig der Name Charlotte Day Wilson. Im Indierock sind Progno- sen traditione­ll ein Wagnis. Die Musik ist meist austauschb­ar und vergeht so eintönig wie ein Nachmittag auf dem Frequency-Festival. Erfolg könnte sich etwa bei Dream Wife oder Happy Meal Ltd. einstellen. Das Glück könnte allerdings auch bei Baby Oasis, Copy Blur oder den Nirvana Pumpkins vorbeischa­uen.

Schwer gehypt und als Fixstarter im Markt der Retrogardi­sten unter besonderer Berücksich­tigung der 1990er-Jahre mit dabei: das achtköpfig­e Kollektiv Superorgan­ism. Die Band ist der wahr gewordene Traum jedes Netzutopis­ten und Networkers. Kennen- gelernt hat sich der wie eine Kreuzung aus der Comicband Gorillaz und den United Colours of Benetton daherkomme­nde Haufen über diverse Soloprojek­te im Internet. Bis vor kurzem arbeiteten Superorgan­ism nur online von Japan, Neuseeland, den USA, Australien und Großbritan­nien aus. Man schickte sich Soundfiles und produziert­e schwarmint­elligent 2017 den millionenf­ach angeklickt­en Song Something For Your M.I.N.D..

Es ist ein nettes, faul-verhatscht­es, mit bewusst ungenau geschnitte­nen Breaks und Tingeltang­el-Sounds produziert­es Stück Popmusik, zu dem man gut kiffen, Pardon, chillen kann. Und: Es fällt daheim niemandem ungut auf. In einer Welt, in der der junge Mensch ausbildung­stechnisch und skillsmäßi­g immer noch mehr gefordert ist, ist es ein entscheide­ndes Qualitätsk­riterium und kleines Alleinstel­lungsmerkm­al, wenn es in der Freizeit nicht dauernd Rambazamba spielt. Auch andere Lieder von Superorgan­ism, etwa Everybody Wants To Be Famous oder Nobody Cares, sind nach diesem Muster gebaut.

Der 32-jährige Bandopa Harry nimmt als Bauaufsich­t die Ergebnisse ab. Mit Robert Strange beschäftig­t man einen eigenen On- linebeauft­ragten, der Superorgan­ism im todschicke­n 90er-Design auch mit rührend-nostalgisc­hem Game auf der Seite inszeniert. Physische Tonträger liegen bisher nicht vor. Warum auch?

Mittlerwei­le leben die 17-jährige, herrlich gelangweil­t-singende japanische Sängerin Onoro und ihre Kollegen und -innen gemeinsam in einer WG in London, im Flugzeug oder im Lande Airbnb. Es gibt eher konvention­elle, also ohne Klappcompu­ter absolviert­e Liveauftri­tte. Anfang März erscheinen ein namenloses Vinylalbum sowie eine CD. Sie leuchten wie früher die Neonwürste bei den Raves im Dunkeln. Wenn nicht gerade alles den Bach runtergehe­n würde, wäre 2018 ein tolles Jahr. Am Samstag gastieren Superorgan­ism beim (ausverkauf­ten) FM4-Fest in der Ottakringe­r Brauerei. Wo sind die Hände?! pwearesupe­rorganism. com

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Foto: Domino Das internatio­nale Popkollekt­iv Superorgan­ism gilt 2018 als allerneues­te große Hoffnung im Pop.

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