Der Standard

Massenster­ben der Azteken

Eine der verheerend­sten Epidemien der Geschichte besiegelte um 1545 das Schicksal der Azteken. Was die Seuche auslöste, die bis zu 15 Millionen Menschenle­ben forderte, ist umstritten. Nun haben Forscher eine neue Spur.

- Klaus Taschwer

Jena/Wien – Im Jahr 1519, als die Truppen des spanischen Eroberers Hernando Cortés in Mexiko eintrafen, dürfte die einheimisc­he Bevölkerun­g Mexikos und Guatemalas rund 25 Millionen Menschen betragen haben. Ein Jahrhunder­t später war sie auf gut eine Million gesunken. Verantwort­lich für diesen dramatisch­en Bevölkerun­gsschwund waren weniger der Fall von Tenochtitl­an und die Niederlage der Azteken. Als sehr viel tödlicher gelten insbesonde­re drei Epidemien, die auf Nahuatl, der Sprache der Azteken, als Cocoliztli bezeichnet wurden.

Unbestritt­en ist, dass unter den Bevölkerun­gsgruppen in allen Teilen Amerikas nach dem Kontakt mit den Europäern Epidemien ausbrachen, weil man auf die eingeschle­ppten Krankheits­erreger nicht vorbereite­t war. Doch obwohl viele zeitgenöss­ische Berichte über diese Seuchen vorliegen, ist es schwierig, sie anhand der historisch­en Beschreibu­ngen genau zu bestimmen.

Nur bei der ersten Krankheits­welle, die 1520 geschätzte acht Millionen Menschen in Mittelamer­ika dahinrafft­e, ist man sich ziemlich sicher, dass es sich um die Pocken handelte. Doch über die Ursachen der beiden späteren Epidemien, die 1545 und 1576 ausbrachen, gibt es nur Vermu- tungen. Als die beste Hypothese galt bis vor kurzem ein virales hämorrhagi­sches Fieber, das durch eine Dürre verschlimm­ert wurde, wie mexikanisc­he Forscher 2002 behauptete­n.

Doch nun kommt ein Forscherte­am um Johannes Krause (MaxPlanck-Institut für Menschheit­sgeschicht­e in Jena) im Fachblatt Nature Ecology & Evolution auf Basis von DNA-Anaysen zu einer anderen Annahme. Die Archäogene­tiker konnten die DNA von 29 menschlich­en Überresten aus Gräbern der mixtekisch­en Stadt Teposcolul­a-Yucundaa in Oaxaca analysiere­n, die in direktem Zusammenha­ng mit der Epidemie 1545 stehen.

Bei den aufwendige­n Analysen konnte auch bakteriell­e DNA identifizi­ert werden, und mittels weiterer technische­r Tricks gelang es Erstautori­n Åshild Vågene und Kollegen, aus den DNA-Spuren komplette Salmonella-enterica-Genome zu entschlüss­eln. In der Folge konnte gezeigt werden, dass die zehn Individuen mit einer Unterart des Bakteriums Salmonella enterica infiziert waren. Das wiederum verursacht sogenannte­s enterische­s Fieber, des- sen bekanntest­e Form Typhus ist. Die Krankheit ist nach wie vor gefährlich: Auch heute gibt es immer wieder Ansteckung­en, die zu Fieber, Dehydrieru­ng und MagenDarm-Infektione­n führen.

Besonders stolz sind die Forscher um Johannes Krause auf die methodisch­en Innovation­en ihrer Untersuchu­ng: Sie konnten den Salmonelle­nerreger identifizi­eren, ohne zu wissen, wonach sie suchen sollten. Das sei ein entscheide­nder Fortschrit­t in den Methoden, die zur Erforschun­g vergangene­r Krankheite­n zur Verfügung stehen.

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 ??  ?? Massentod in Mexiko um 1545: Schuld war wohl eine durch Salmonelle­n ausgelöste Typhus-Epidemie.
Massentod in Mexiko um 1545: Schuld war wohl eine durch Salmonelle­n ausgelöste Typhus-Epidemie.

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