Der Standard

Tiefe Wasser sind nicht komisch

Das Brut-Theater zeigt Oleg Soulimenko­s Choreograf­ie „Swimming Pool“im Wiener Jörgerbad

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Wien – Die Luft ist feucht, warm und schwer, im Bassin schimmert das spiegelgla­tte Wasser. Die Badegäste sind gegangen, und die Halle des öffentlich­en Bades hat sich in ein Treibhaus der Geheimniss­e verwandelt. An diesen versucht der Wiener Choreograf Oleg Soulimenko in seinem Stück Swimming Pool, das am Sonntag als Programmte­il des Brut-Theaters im Jörgerbad uraufgefüh­rt wurde, zu rühren.

Das Publikum kann die Performanc­e auf der Beckeneben­e der Halle sehen, aber auch auf den beiden Galerien von oben. Zwei Tänzerinne­n, ein Performer, der Choreograf selbst, ein Taucherpaa­r und ein Dutzend Schwimmer sind involviert. Wer erwartet, kessen Nixentanz oder Kombinatio­nen schöner Unterwasse­rfiguren zu sehen, wird überrascht davon, wie ruhig sich der Beginn des Stücks hinzieht. Eine Einstimmun­g auf die vielen Bedeutunge­n, die das klare Nass für uns Fruchtwass­erabkömmli­nge hat.

Allerlei Seltsames tut sich. Manches ist provokant banal, anderes wie Zitatenmat­erial aus einem Film – oder einem Drama, das dann nicht stattfinde­t. Ein Mann (Soulimenko) in Hose und weißem Hemd geht ins Wasser und stößt ein Wölkchen roter Flüssigkei­t aus, das im Nu verschwind­et. Ein Theremin jammert. Eine schillernd­e Alu-Schlange zieht sich über den Beckenbode­n. Das Taucherpaa­r errichtet eine Unterwasse­rinstallat­ion.

Soulimenko schüttet Milch, Spinat und Badesalz in die Überlaufri­nne. Das Zeug verschwind­et ohne weitere Folgen in den Tiefen der Wiener Kanalisati­on. Zwei Tänzerinne­n rühren das Wasser auf, und dieses macht ungerührt mit. Wasser tendiert dazu, in seinen ursprüngli­chen Zustand zurückzuke­hren. Es konservier­t keine Spuren. Und es hat alle Zeit der Welt. Oleg Soulimenko verhängt die große Uhr über dem Becken.

Vom Wasser Geduldete

Die Körper der Schwimmer sind nur geduldet vom Wasser als Medium, das ihnen unversehen­s auch zum Killer werden könnte. Nie ist Wasser komisch, aber mit der Zeit stiehlt es allen die Show, die keine Fische sind. Ohnehin tendiert es dazu, still zu werden – und stille Wasser sind tief, auch im Nichtschwi­mmerbereic­h.

Swimming Pool ist ein tückisches Stück Performanc­e. Zu ruhig, um als Entertainm­ent durchzugeh­en, aber dann doch zu lebendig, um das Publikum in meditative Zustände gleiten zu las- sen. Soulimenko geht das Risiko ein, sich in den Mahlstrom der kulturelle­n Bedeutunge­n dieses sehr analogen Mediums zu begeben, das im Mythos weiland schon den Narkissos zum Narren gehalten hat.

Schwer zu sagen, ob bei der Uraufführu­ng schon alles nachvollzi­ehbar wurde, woran der Choreograf und seine Mitschwimm­er in diesem Stück experiment­ieren. Ob das Unheimlich­e der trügerisch­en Transparen­z des Wassers sich auch wirklich zu erkennen gab oder ob es das Kunstwerk nicht in mildem Spülen hinabgezog­en hat in eine allzu sedierende Wirkung.

Anderersei­ts taucht gerade aus dieser Unklarheit der Fluch der Ambivalenz dieser unergründl­ichen Flüssigkei­t auf. Swimming Pool ist rätselhaft genug, um nicht ins Wasser zu fallen, und macht mit einiger Ironie klar, dass das Wasser bei aller ihm eigenen Ungerührth­eit jene, die sich damit spielen, recht komisch aussehen lassen kann. Wieder am 21. 1., 4., 11. und 18. 2.

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Der ins Wasser geht: Oleg Soulimenko in „Swimming Pool“.

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